Öffentlicher DienstBei bayerischen Beamten türmen sich die Überstunden - aber wie viele?

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Überstundenberge bauen sich vor allem bei der bayerischen Polizei auf. So musste während des G-7-Gipfels 2022 in Elmau von den Polizistinnen und Polizisten deutlich Mehrarbeit geleistet werden.
Überstundenberge bauen sich vor allem bei der bayerischen Polizei auf. So musste während des G-7-Gipfels 2022 in Elmau von den Polizistinnen und Polizisten deutlich Mehrarbeit geleistet werden. (Foto: Moritz Schlenk/Imago)

Im Landtag suchen sie nach dem besten System, um das Problem der Mehrarbeit bei Polizei, Lehrkräften oder anderen Mitarbeitern im Staatsdienst überhaupt zu erfassen. Die SPD dringt auf Klarheit - und mehr Berichte.

Von Johann Osel

Wie viele Überstunden häufen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst in Bayern an? Dies für einen zentralen Überblick zu erfassen, ist aufwendig und birgt statistische Probleme. Das wurde bereits vor gut einem Jahr im zuständigen Ausschuss des bayerischen Landtags publik. Ein taugliches Verfahren sollte daraufhin her, damit das Parlament dennoch Einblick erhält, ob die Überstunden etwa von Polizisten oder Lehrkräften aus dem Ruder laufen. Die SPD-Fraktion macht nun über einen Antrag Druck. Die zentrale Forderung: Dem Landtag solle künftig ein regelmäßiger Bericht erstattet werden, und zwar ein Mal pro Legislaturperiode.

Nötig sei „ein Gesamtbild der tatsächlichen Arbeitsbelastung“, schreibt die SPD, also sowohl ausgezahlter als auch angesparter Überstunden. Nur so sei eine „systematische Ursachenanalyse“ möglich, mit der man zielgerichtete Maßnahmen zur Reduzierung entwickeln könne. Es gehe letztlich um eine moderne Personalpolitik im öffentlichen Dienst und um dessen Attraktivität als Arbeitgeber. An diesem Montag fällt darauf ein Schlaglicht: Der 23. Juni ist der „Tag des öffentlichen Dienstes“. Finanz- und Heimatminister Albert Füracker (CSU) nannte in einer Mitteilung die mehr als 350 000 Beschäftigten in Bayern „Garant für Stabilität und Verlässlichkeit“.

Im Juli vergangenen Jahres hatte der Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes im Landtag eben über die Überstunden-Problematik debattiert. Wie eine Vertreterin des Finanzministeriums in der Sitzung mitteilte, hat der Freistaat im Jahr zuvor 33 Millionen Euro ausgegeben, um Überstunden zu vergüten. Das sei im Trend nur eine geringfügige Steigerung und „prinzipiell positiv“ zu bewerten. Jedoch umfasste der Bericht nur die ausgezahlte Mehrarbeit von bayerischen Beamtinnen und Beamten sowie Angestellten im Staatsdienst, die sich über den Haushalt erfassen lässt – nicht jedoch die tatsächlich geleisteten Überstunden.

Dies liege daran, dass es in den Ressorts „ein heterogenes Bild“ gebe, was Zeiterfassung und auch Verbuchung von Mehrarbeit anbelange – etwa eine Auszahlung, ferner Freizeitausgleich, sogenannte Anspar-Stunden oder verschiedene Arten von Langzeitkonten. Und auch den Bericht über die Summe werde es in Zukunft nicht mehr geben können, hieß es aus dem Finanzministerium. Hintergrund seien „Titelverdichtungen“ in der derzeit üblichen Haushaltsführung, wodurch derlei Zahlungen nicht mehr so konkret ablesbar seien.

Vor allem bei der Polizei waren Überstundenberge immer wieder ein Aufreger und Gegenstand von Medienberichten; vor allem, als das Innenministerium 2023 einen unrühmlichen Rekord vermelden musste. Damals entfielen zum Stichtag Ende 2022 auf Polizistinnen und Polizisten pro Kopf 98 Überstunden, was auch eine Folge des G-7-Gipfels im oberbayerischen Elmau war. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 sind es noch rechnerisch 72 Überstunden pro Kopf gewesen.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Arif Taşdelen sagt über die Dokumentation von Überstunden im öffentlichen Dienst: „Dass die Sache komplex sei, darf nicht der Grund sein, sich davor zu drücken.“
Der SPD-Landtagsabgeordnete Arif Taşdelen sagt über die Dokumentation von Überstunden im öffentlichen Dienst: „Dass die Sache komplex sei, darf nicht der Grund sein, sich davor zu drücken.“ (Foto: Rolf Poss/Imago)

Die Abgeordneten im Ausschuss waren sich vergangenes Jahr daraufhin quasi parteiübergreifend einig: Es sei nicht gut, dass niemand wisse, wie viele Überstunden der öffentliche Dienst in Bayern wirklich ansammelt. Das Format des Berichts müsse überarbeitet werden, um aussagekräftigere Informationen über die reale Belastung zu erhalten. Allerdings sei zusätzliche Bürokratie nicht wünschenswert, wie im Ausschuss damals etwa Alfred Grob (CSU) nahelegte. Schließlich hatte kurz zuvor Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in einer Regierungserklärung den Abbau von Regulierungen und auch Statistik-Pflichten versprochen.

Mit dem Antrag der SPD nun, der für die jüngste Plenarsitzung vorgelegt wurde und demnächst zur Beratung in den Ausschuss geht, wird das Thema wieder aktuell. „Es ist jetzt ein Jahr nichts passiert, daher unser konkreter Vorschlag, bevor das in Vergessenheit gerät“, sagt der SPD-Abgeordnete Arif Taşdelen. Durch einen Überstunden-Report einmal pro Legislaturperiode, geplant wäre jeweils zu Beginn, halte sich die Bürokratie im Rahmen. „Dass die Sache komplex ist, darf nicht der Grund sein, sich davor zu drücken“, findet Taşdelen. So müsse man ein Format finden, aus dem die Abgeordneten Schlüsse ziehen können; für Laien sei das Ganze erst mal gar nicht gedacht.

Bei Bayerns Polizei schmilzt der Überstundenberg – ganz langsam zumindest

Der Ausschussvorsitzende Martin Brunnhuber von den Freien Wählern plädiert auf Nachfrage der SZ indes eher für ein „Frühwarnsystem“. Bildlich gesprochen eine Art Ampel für die verschiedenen Bereiche, bei der man rasch erkenne, wenn sie etwa von Grün auf Gelb springt – um dann notfalls detaillierter nachzuforschen oder Gegenmaßnahmen anzuregen. „Das ist für mich persönlich die charmanteste Idee.“ Was es nicht brauche, so Brunnhuber: „unsinniges Berichtswesen“ oder einen „irren Verwaltungsaufwand“. Man wird bald darüber im Ausschuss diskutieren, womöglich auch auf Basis von weiteren Anträgen.

Der Ausschussvorsitzende Martin Brunnhuber (Freie Wähler) hält ein sogenanntes Frühwarnsystem für „die charmanteste Idee“.
Der Ausschussvorsitzende Martin Brunnhuber (Freie Wähler) hält ein sogenanntes Frühwarnsystem für „die charmanteste Idee“. (Foto: Imago)

Unterdessen deuten sich bei der bayerischen Polizei aber eine leichte Verbesserung der Situation an. Die jährliche Erhebung der Mehrarbeitsstunden dort erfolgt immer zu einem Stichtag Ende November. Wie das Innenministerium auf Anfrage der SZ mitteilte, sanken die rechnerischen Pro-Kopf-Überstunden, die noch nicht durch Freizeitausgleich oder Vergütung abgebaut wurden, von der Rekordzahl 98 über zwischenzeitlich 93 auf zuletzt 91.

Es gilt seit Anfang 2024 zudem eine neue Dienstvereinbarung, inklusive geänderter Verjährungsfristen: „Längere Zeiträume ohne Erholungsphasen durch langfristiges Hinausschieben hoher Stundenstände soll es grundsätzlich nicht mehr geben. In Zukunft wird deshalb verstärkt auf eine ausgeglichene Dienstplanung geachtet.“ Außerdem werde etwa – soweit rechtlich und finanziell möglich – die Vergütung von Mehrarbeitsstunden verstärkt angeboten. Allerdings, schränkte das Ministerium ein: Der mit den Maßnahmen zu erwartende Abbau der Stunden könne sich aufgrund des hohen Bestandes  „erst mittel- bis langfristig einstellen“.

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