Bayerisch-tschechische GrenzregionPatienten sollen im Nachbarland ins Krankenhaus gehen können

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Der Austausch mit Tschechien ist im ostbayerischen Grenzgebiet traditionell eng. Nun könnte er auch in Gesundheitsfragen noch enger werden. 
Der Austausch mit Tschechien ist im ostbayerischen Grenzgebiet traditionell eng. Nun könnte er auch in Gesundheitsfragen noch enger werden.  (Foto: Nicolas Armer/dpa)

Der Tschechien-Koordinator der Staatsregierung, Martin Schöffel, schlägt im Landtag vor, eine gemeinsame Gesundheitsregion zu entwickeln. Doch die Umsetzung wäre eine „Riesenaufgabe“.

Von Johann Osel

Sollen Menschen im bayerisch-tschechischen Grenzraum regulär zum Arzt oder ins Krankenhaus im Nachbarland gehen können? Die Staatsregierung prüft die Idee, die Landkreise diesseits und jenseits der Grenze zu einer gemeinsamen Gesundheitsregion zu entwickeln. Dies wäre relevant für die Versorgung mit Praxen und vor allem den Erhalt von Klinikkapazitäten – ein Thema, das wegen der defizitären Lage vieler Krankenhäuser in Bayern regelmäßig Unruhe in der Bevölkerung auslöst. Es gehe darum, „den gesamten Grenzraum zu betrachten und eine optimale Versorgung sicherzustellen“, sagte Martin Schöffel (CSU), Finanzstaatssekretär und Tschechien-Koordinator der Staatsregierung, am Dienstag im Europaausschuss des Landtags. Noch hat das aber den Status einer Zukunftsvision.

Schöffel sitzt dem bayerischen Beirat für grenzüberschreitende Zusammenarbeit vor, zusammen mit dem Bezirkstagspräsidenten der Oberpfalz und Chamer Landrat Franz Löffler (CSU). Die beiden erstatteten im Ausschuss Bericht über ihre Arbeit. Acht Landkreise in Niederbayern, in der Oberpfalz und in Oberfranken grenzen an Tschechien. Die Probleme mit der medizinischen Versorgung seien auf Seite der Nachbarn vielfach ähnlich, erklärte Schöffel.

Ein erster Schritt wäre die Abstimmung bei den Angeboten, um zum Beispiel bei bayerischen und tschechischen Grenzstädten Doppelungen zu vermeiden. Auch sei der Weg in ein Klinikum im Ausland oft näher als zum nächsten Standort im eigenen Land. „Inwieweit das mit der Tschechischen Republik im Detail koordiniert werden kann, müssen wir auf den Weg bringen“, sagte Schöffel. Demnächst wolle sich die Spitze des Beirats mit Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) treffen, die derzeit den Transformationsprozess in Bayerns Kliniklandschaft begleitet. Darüber hinaus müsse aber auch der Bund ins Boot geholt werden.

Entscheidend sei im zweiten Schritt die Abrechnung durch die Krankenkassen, sagte Schöffel – schon jetzt, wenn etwa ein deutscher Bürger einen Arzt in Pilsen aufsucht. Derzeit benötige man dazu eine Vorabgenehmigung des Versicherers oder Vorkasse, „das muss vereinfacht werden“. Tschechien plane 2026 bereits eine Gesetzesnovelle, die Verträge zwischen tschechischen Krankenkassen und ausländischen Medizinanbietern erlaubt.

Landrat Löffler warnte indes auch vor den Schwierigkeiten des Vorhabens – abseits von Sprachbarrieren. „Da den Blick über die Grenze zu werfen, das ist echt mutig. Ich mache mir da gar nichts vor, das ist eine Riesenaufgabe.“ Bezöge man Kliniken im Nachbarland in die jeweilige Krankenhausplanung ein, dann brauche es eine wechselseitige Garantie, dass die Regelversorgung gewährleistet wird. Das müsste über einen Staatsvertrag geregelt werden. Nach Löfflers Ansicht ist das jedenfalls „eine Hausnummer, wo ich nicht glaube, dass wir morgen eine Lösung haben“. Es gehe im Übrigen „nicht darum, dass wir unsere Krankenhäuser im Grenzraum besser füllen“, das alles sei „keine Einbahnstraße“.

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Schöffel berichtete von weiteren Zielen in der grenzübergreifenden Zusammenarbeit. Beispiel Rettungsdienst und Feuerwehren: Leitstellen in beiden Ländern kommunizieren demnach schon miteinander. Bei einem Großbrand in Oberfranken vergangenes Jahr habe die Feuerwehr Karlsbad entscheidende Technik-Hilfe geleistet. Er plädierte zudem für ein gemeinsames Tourismus-Marketing: Böhmen und Oberfranken böten „die größte Heilwasservielfalt der ganzen Welt“ und könnte idealerweise als eine Region beworben werden.

Beim Streitthema Bahnverkehr – der nötigen Elektrifizierung des deutschen Teils auf der Strecke Nürnberg-Prag – hofften viele im Europaausschuss auf den Bund. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD heißt es, zentrale Teile der Verkehrsinfrastruktur nach Tschechien sollen „zügig ausgebaut“ werden. Markus Rinderspacher (SPD) regte an, der Freistaat solle mit Geld aus dem Investitionspaket des Bundes in Vorleistung gehen. Gerhard Hopp (CSU) wiederum warb für Tschechisch-Unterricht an bayerischen Schulen, auch das schaffe „stabile Brücken“. Die Pandemie, als die Grenzen geschlossen waren, habe gezeigt, dass die gute Nachbarschaft „zerbrechlich“ sei.

Benjamin Adjei (Grüne) erkundigte sich nach dem Unmut der tschechischen Regierung wegen der Grenzkontrollen: Wie lässt sich das „praktikabler ausgestalten“, gibt es wirtschaftliche Probleme? Täglich kommen mehr als 25 000 Pendler aus Tschechien nach Bayern, 150 Unternehmen aus dem Freistaat haben im Nachbarland Standorte. In Tschechien werde der „Kurswechsel bei der illegalen Migration“ an sich begrüßt, antwortete Schöffel. Löffler berichtete, für die Wirtschaft stellten die Kontrollen „nicht großartige Hemmnisse“ dar; dies meldeten auch Firmen in seinem Landkreis. Beide betonten, die Polizei kontrolliere nicht alle Einzelfahrzeuge, sondern mit geschultem Auge erst mal den fließenden Verkehr.

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