Verträge laufen aus:Zukunft des Bahnverkehrs zwischen München und Prag ungewiss

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Derzeit bedient die Länderbahn die Regionalstrecken München-Hof und München-Prag. Doch wie es weitergeht, ist ungewiss: Auf eine Neuausschreibung der beiden Schienenstrecken hin gingen keine für den Freistaat befriedigenden Angebote ein.
Derzeit bedient die Länderbahn die Regionalstrecken München-Hof und München-Prag. Doch wie es weitergeht, ist ungewiss: Auf eine Neuausschreibung der beiden Schienenstrecken hin gingen keine für den Freistaat befriedigenden Angebote ein. (Foto: imago images/Fotostand)

Zugfahren ist zwischen Bayern und Tschechien seit Jahren ein Ärgernis. Nun stellt sich die Frage, ob sich überhaupt noch ein Unternehmen findet, das die Problemstrecke von 2027 an betreiben will.

Von Maximilian Gerl

Das große Fragezeichen verkündet ein kleines Wort. Eigentlich wollte die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG), die hierzulande den Regionalverkehr auf der Schiene bestellt, bis zu diesem Herbst klären, welches Unternehmen künftig die beiden Strecken München-Hof und München-Prag betreiben soll. Doch in der Pressemitteilung steht ein ganz anderes Wort: Statt vom „Vergeben“ ist vom „Aufheben“ der Vergabeverfahren die Rede, flankiert von „wirtschaftlichen Gründen“. Die Ausschreibungen hätten „leider kein für den Freistaat akzeptables Angebot ergeben“, heißt es weiter. In der Summe sei für die beiden Strecken der finanzielle Rahmen um mehr als eine Milliarde Euro überschritten worden. Das Aufheben der Vergabeverfahren sei „höchst bedauerlich, aber alternativlos“, wird BEG-Geschäftsführer Thomas Prechtl zitiert.

Damit ist seit Freitag klar: Im Jahr 2027 werden die alten Verträge für zwei wichtige bayerische Bahnstrecken auslaufen, ohne dass es bislang neue gäbe. Trotzdem sollen auch künftig Züge zwischen München, Regensburg und wahlweise Hof oder Prag fahren. Nur von welchem Unternehmen und wie, das ist nun die Frage. Derzeit pendelt zwischen der Landeshauptstadt und Hof die DB Regio. Bei Schwandorf zweigen Gleise gen Cham, Furth in Wald und weiter nach Tschechien ab, hier verkehrt der „Alex“ der Länderbahn. Noch: Offenbar sind die Bedingungen, die der Freistaat an einen Betrieb stellt, der Bahnwirtschaft zu unrentabel – und umgekehrt zu teuer.

Unter Bahnreisenden sind die Strecken gen Hof und Prag längst berüchtigt: für Verspätungen und andere Probleme. 2023 kamen nur gut 63 Prozent der Züge im Alex-Nord-Netz weniger als sechs Minuten zu spät an, so hat es die BEG ermittelt. Der Durchschnitt im bayerischen Regionalverkehr lag bei 87 Prozent. Auf der Internetplattform Reddit wurde gar schon diskutiert, ob es sich beim RE 25 womöglich um den „schlechtesten Regio Deutschlands“ handle. Dabei sind die Zugbetreiber an manchem Missstand unschuldig. Oft genug sorgt die mangelhafte Infrastruktur für Abweichungen vom Betriebsablauf.

Diese vereiteln auch die neuste Ausschreibung. Als besonders „speziell“ gilt der BEG die Strecke gen Tschechien mit ihren Elektrifizierungslücken zwischen Regensburg und Pilsen. Der Wechsel zwischen Gleisen mit und ohne Oberleitung erhöht die Anforderungen an die Fahrzeuge. Und dann ist da noch die Streckenführung. Gut sechs Stunden dauert die Bahnfahrt im Idealfall zwischen der bayerischen und der tschechischen Hauptstadt. Zu lange, um gegen die Konkurrenz auf der Straße zu bestehen, der Fernbus schafft die Strecke in rund fünf Stunden. Immerhin: Früher fuhren die Züge zwischen München und Schwandorf noch gemeinsam, bevor sie nach Hof und Prag getrennt oder von dort kommend wieder zusammengeführt wurden. Gerade letzteres machte Schwierigkeiten, weil die Zugteile gerne zu unterschiedlichen Zeiten in Schwandorf eintrafen. Seit Dezember 2023 werden deshalb die beiden Teilstrecken abwechselnd bedient.

2017 hielt man den ersten bayerisch-tschechischen Bahngipfel ab

Das Grundproblem bleibt: Vor allem die Strecke nach Prag hat Fernverkehrscharakter – wird aber in Bayern als Regionalverkehr bedient, obwohl laut BEG der Freistaat seit Jahren „ein regelmäßiges Fernverkehrsangebot“ fordere. Doch der Weg zur Grenze führt bislang über Kurven und Umwege. Selbst eine durchgehende Elektrifizierung der Gleise werde daher nur „geringfügige Fahrzeitverkürzungen erzielen“, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung von 2020. Für „konkurrenzfähige Angebote“ seien stattdessen „weitere Linienverbesserungen“ nötig.

Über die dachte man bereits in den 1990er-Jahren nach. Oder 2017, da lud die Staatsregierung zum 1. bayerisch-tschechischen Bahngipfel. Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) bilanzierte anschließend „Rückenwind“ für den grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr. Stark geweht hat er auf bayerischer Seite nicht. Laut einer Informationsseite der Deutschen Bahn werden für die Gleise zwischen Schwandorf und Furth bis Ende 2024 die Grundlagen für eine Modernisierung ermittelt. Danach starte die Vorplanung. Alles Weitere: unklar. Auf der anderen Seite könnte es schneller vorangehen. Tschechien will die Gleise bis Pilsen ausbauen, zuletzt hieß es, die Arbeiten würden 2025 beginnen.

Zuerst aber stellt sich die Frage, wer überhaupt fahren wird. Im Fall der Strecke nach Prag muss sich Bayern dafür zusätzlich mit Tschechien einig werden. In ihrer Mitteilung hat die BEG „Übergangslösungen“ angekündigt, die bis zu den neuen Verträgen greifen sollen. Die Details würden derzeit erarbeitet, heißt es auf Nachfrage: Man werde aber sicherstellen, dass es „ein gutes Angebotskonzept mit Zügen geben“ werde. Auch die Direktverbindungen nach Hof und Prag sollen erhalten bleiben. Wenig Änderungen für Fahrgäste also? Nicht alle könnten das als gute Nachricht begreifen.

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