Eigentlich soll das Bahnreisen zwischen Bayern und Tschechien schon längst viel schneller und viel besser funktionieren. So hat man es sich schließlich mal gegenseitig versprochen. Man strebe „eine Erweiterung der gegenseitigen Transportverbindungen“ an, heißt es etwa im „Vertrag über gute Nachbarschaft“ von 1992, der Grundlage der deutsch-tschechischen Beziehungen.
Das Problem: Nur die Tschechen haben sich an die Idee von einst mehrheitlich gehalten. Auf bayerischer Seite hingegen sind die Bahnprobleme seitdem eher größer als kleiner geworden. Lange Fahrtzeiten, Verspätungen und andere Widrigkeiten gehören nicht nur auf den Gleisen zwischen München und Prag zum Alltag. Ein Umstand, der auch dem tschechischen Premier Petr Fiala nicht verborgen geblieben ist: Beim bayerisch-tschechischen Treffen vergangene Woche schimpfte er, dass trotz 30 Jahre alter Vereinbarungen die Verbindung immer noch so schlecht sei. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) räumte daraufhin Defizite ein, gab aber dem Bund die Schuld.
Tatsächlich ist die Sache inzwischen so kompliziert wie die Problemgeschichte lang. Den Bahnanschluss zu verbessern, wurde auf Landes- und Bundesebene in den letzten Jahrzehnten mehrmals angekündigt – oftmals von CSU-Politikern. Beispielsweise 2017: Da versprachen Bayerns damaliger Verkehrsminister Joachim Hermann und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt deutliche Verbesserungen. Dobrindt war es auch, der den Streckenausbau zwischen Nürnberg und Prag im Bundesverkehrswegeplan hochstufen ließ. In diesem listet die Bundesregierung ihre Erhaltungsmaßnahmen und Investitionen in die Infrastruktur auf. Seitdem gilt das Projekt als dringlicher.
Viel passiert ist trotzdem nicht, jedenfalls nicht auf bayerischer Seite. Auf der tschechischen sind die Verbindungen nach Bayern fast vollständig elektrifiziert. Nur zwischen Cheb und der Staatsgrenze gibt es einen zehn Kilometer langen Abschnitt ohne Oberleitung, an einer weiteren Lücke zwischen Furth im Wald und Pilsen wird laut tschechischem Verkehrsministerium gearbeitet. Im bayerischen Ministerium nennt man auf SZ-Nachfrage die Kritik Fialas berechtigt. „Die Fahrzeiten zwischen Prag und den Metropolen München und Nürnberg sind eindeutig zu lang und gegenüber anderen Transportmitteln nicht konkurrenzfähig“, sagt ein Sprecher. Die Planungen seien zu langsam, hier sei der Bund in der Pflicht. Auf regionalen Strecken sei Bayern in finanzielle Vorleistung gegangen, doch rechtlich sei das bei „länderübergreifenden Strecken“ nicht möglich.
Immerhin laufen inzwischen erste Erkundungen, eine Folge der Hochstufung im Bundesverkehrswegeplan. Seit ein paar Jahren vermessen und begutachten dazu Mitarbeitende der Deutschen Bahn die Strecke zwischen Nürnberg und Furth. Diese Arbeiten sind nötig, da Oberleitungen gebaut werden müssen – sind die bestehenden Brücken zu niedrig, müssen sie angepasst werden, dass Platz für Strommasten entsteht. Mit der Bestandsaufnahme will die Bahn bis Ende 2024 fertig sein. Doch die Grundlagenermittlung ist erst die erste Planungsphase. Danach folgen Vorplanung, parlamentarische Befassung, Entwurfsplanung, Genehmigungsplanung und das eigentliche Planfeststellungsverfahren. Bei ähnlichen Projekten dauere die Organisations- und Bauzeit deutlich mehr als zehn Jahre, sagt eine Bahnsprecherin. Bürgerproteste und ein wachsendes Verkehrsaufkommen könnten das Projekt weiter verzögern. Um dem vorzubeugen, wolle man die Betroffenen in der Region einbeziehen.
Danach aber könnte wirklich gebaut werden. Außer, es droht dasselbe Schicksal, das eine andere Trasse zwischen Bayern und Tschechien ereilte. Die Franken-Sachsen-Magistrale – die Strecke zwischen Nürnberg und Dresden, mit Abzweigungen nach Tschechien – steht schon mehr als dreißig Jahre und damit deutlich länger als die Metropolenbahn im Verkehrswegeplan. Die Bahn war 2021 bei dieser Strecke mit dem zweiten Schritt – der Vorplanung – fertig. Trotzdem folgte der Stopp. Denn 2022 rechnete Berlin nach und stellte fest, dass sich die Investition nicht mehr lohne. Die Folge: Protest von bayerischen Politikern in Berlin und München. Anfang 2024 ruderte die Bundesregierung zurück und versprach ein abermaliges Nachrechnen, mit neueren Verkehrsdaten und Energiepreisen. Ein Ergebnis soll es noch in diesem Jahr geben.
Während man in Berlin rechnet und in der Oberpfalz misst, macht Tschechien dieser Tage Schlagzeilen, dass man bis 2030 die Elektrisierungs-Lücke zwischen Pilsen und Furth schließen wolle. Ein Sprecher des tschechischen Verkehrsministeriums sagt der SZ: „Wir erwarten von der Bundesregierung so schnell wie möglich eine Beschleunigung der Vorbereitungen für die Modernisierung der Bahnverbindungen nach Tschechien“. Wann die Arbeiten auf deutscher Seite beginnen, steht indes in den Sternen. Im bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr hofft man, „Anfang der 2030er-Jahre in die Umsetzung gehen zu können“.