Als Bertram Brossardt für die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW), Max Kloger für die Industriellenvereinigung Tirol und Heiner Oberrauch für den Unternehmerverband Südtirol am Montagvormittag in München ihre gemeinsame Erklärung unterschreiben, löst sich der Lastwagenstau im bayerischen Inntal gerade auf. Dass der Transitverkehr nach Österreich und über den Brenner nach Italien langsam wieder in Gang kommt, ist aber keine direkte Folge dieser Erklärung – obwohl die Wirtschaftsverbände damit auf einer übergeordneten Ebene genau dies bezwecken.
Die Tiroler hatten im Anschluss an ihre üblichen Wochenend- und Nachtfahrverbote für Lkw wieder einmal mit ihrer Blockabfertigung begonnen, damit nicht alle wartenden Laster auf einmal ins Land kommen. Stattdessen stauten sich die Lkw auf bayerischer Seite zurück – laut der Rosenheimer Verkehrspolizei diesmal auf ungefähr 20 Kilometern, es waren aber auch schon mal 70.
Diese von Tirol 2017 eingeführte Blockabfertigung bezeichnet VBW-Hauptgeschäftsführer Brossardt als „größtes Ärgernis“. Die „neueste Hiobsbotschaft“ aber ist ihm die Ankündigung der österreichischen Autobahngesellschaft, von 2025 an die marode Luegbrücke am Brenner zu sanieren und dort wohl jahrelang nur eine Fahrspur pro Richtung offenhalten zu können. Das werde weitere Staus zur Folge haben, fürchtet Brossardt – und deswegen wohl auch weitere Blockabfertigungen.
Die jedenfalls müssten abgeschafft werden, genau wie alle „europarechtswidrigen Eingriffe in den freien Warenverkehr“, sagt Brossardt. So müsse das Nachtfahrverbot wenigstens für besonders schadstoffarme Lkw aufgehoben werden, lautet eine weitere Forderung der Verbände. Über den Brenner laufen rund 30 Prozent des gesamten alpenquerenden Güterverkehrs in Europa – und fast drei Viertel der Tonnage transportieren derzeit Lastwagen. Um endlich mehr Güter auf die Schiene zu bringen, müsse es vor allem auf deutscher Seite mit dem Bau neuer Zulaufgleise zum Brennerbasistunnel endlich schneller vorangehen.
Der Bahntunnel soll 2032 in Betrieb gehen. Deutschland hinkt mit dem zugesagten Bau des Nordzulaufs weit hinterher. Inzwischen gibt es konkrete Pläne für eine Trasse durch den Landkreis Rosenheim bis Grafing, doch die lokalen Widerstände sind groß. Es brauche da politische Überzeugungsarbeit, der „Kleinkrieg um den Trassenverlauf“ müsse beendet werden, fordert Brossardt, ehe er mit Kloger und Oberrauch die Forderungen unterzeichnet.
Derlei Erklärungen haben die drei Verbände aus den wirtschaftlich eng verflochtenen Regionen nicht zum ersten Mal formuliert, und auch die drei Landesregierungen haben schon etliche Papiere unterzeichnet. So haben Bayern, Tirol und Südtirol 2023 ein Slot-System vorgeschlagen, das buchbare Durchfahrtzeiten für Transit-Lkw vorsieht und die Fahrverbote ablösen soll. Allerdings wären dafür die Bundesregierungen zuständig, die den Vorstoß weitgehend ignoriert haben. Stattdessen hat sich Italiens Verkehrsminister Matteo Salvini wegen der Tiroler Maßnahmen bei der EU-Kommission beschwert, die im Mai einem Vertragsverletzungsverfahren am Europäischen Gerichtshof zugestimmt hat.