Süddeutsche Zeitung

Tierschutz:Rinderexporteure nutzen Schlupfloch

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Trotz eines Verbots durch die Staatsregierung darf der umstrittene Nutztiertransport nach Nordafrika stattfinden.

Von Christian Sebald, Osterhofen

Es ist keine drei Wochen her, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) klargestellt hat, dass die höchst umstrittenen Exporte von Rindern aus Bayern nach Zentralasien, Nordafrika oder den Nahen Osten möglich bleiben, obwohl die Staatsregierung sie verboten hat. Nun kommt es offenbar exakt so, wie von Experten erwartet. Die Rinderzuchtverbände in Bayern und die Exportfirmen setzen auf das rechtliche Schlupfloch, das ihnen der VGH eröffnet hat.

Aktuelles Beispiel: Dieser Tage sollten nach SZ-Informationen vom niederbayerischen Osterhofen aus wenigstens fünf trächtige Rinder in eine sogenannte Quarantänestation nach Niedersachsen und von dort weiter nach Algerien transportiert werden. Einzig wegen des Schneechaos in Norddeutschland findet der Transport vorläufig nicht statt.

"Wir brauchen die Exporte", sagt der Vorsitzende des Zuchtverbands für Fleckvieh in Niederbayern, Sebastian Mühlbauer. "Wir lassen uns dafür nicht länger in die Pfanne hauen." Der VGH habe klargestellt, dass die Ausfuhren mit EU-Recht vereinbar seien, also müssten sie weiter möglich sein. "Wir müssen ja auch in so vielen anderen Bereichen EU-Recht einhalten", sagt Mühlbauer. Über die Details des Exports will er nicht sprechen, er verweist auf die Geschäftsstelle seines Zuchtverbands, von der aus der Transport abgewickelt werde. Dort will man aber ebenfalls keine Auskunft geben. Auch die Exportfirma aus Niedersachsen will sich nicht äußern.

Die Landesarbeitsgemeinschaft Fleischhygiene und Tierschutz Bayern, die zahlreiche Amtsveterinäre vertritt und zu den schärfsten Kritikern der Transporte zählt, versucht derweil, den Export zu unterbinden. Ihr Vorsitzender, der Bayreuther Amtsveterinär Kai Braunmiller, hat deshalb die niedersächsische Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) angeschrieben. Nach seinen Informationen sind es aktuell insgesamt etwa 80 trächtige Rinder, die vom niederbayerischen Osterhofen aus nach Algerien exportiert werden sollen.

Die Rinderexporte nach Zentralasien, Nordafrika und in den Nahen Osten sind so umstritten, weil die Tiere auf den Lkw tagelang Kälte oder Hitze erdulden müssen, auf engstem Raum eingepfercht sind und zu wenig zu trinken und zu fressen bekommen. An den Zielorten werden sie früher oder später unter meist grausamen Bedingungen geschlachtet. Deutschlandweit haben sich deshalb seit Anfang 2019 Amtstierärzte geweigert, die Papiere für solche Transporte auszustellen. Umweltminister Thorsten Glauber (FW), der auch für den Tierschutz zuständig ist, hat sie stets unterstützt. Er hat sogar eine Negativliste mit 18 Drittstaaten herausgegeben, in die aus Tierschutzgründen von Bayern aus keine Rinder mehr exportiert werden dürfen. Auf ihr steht auch Algerien.

Es wird damit gerechnet, dass Bayern einer Initiative aus NRW für ein Verbot zustimmt

Nach der Entscheidung des VGH vom 21. Januar bleiben die Ausfuhren gleichwohl weiter möglich. Die Richter haben dabei formalrechtlich argumentiert. Der entscheidende Punkt ist demnach, dass auf dem Export eine mehr als 48-stündige Pause für die Tiere eingelegt wird. Wenn dies der Fall ist, handle es sich laut EU-Recht nicht mehr um einen durchgängigen Transport, sondern um zwei verschiedene Transporte, erklärte der VGH. Die Folge: Die Amtsveterinäre in Bayern sind nur noch für die Einhaltung der Tierschutzvorgaben auf der ersten Etappe zuständig. Die zweite in das Zielland fällt nicht mehr in ihre Hoheit. Deshalb erwarten Experten, dass die Exporteure die Ausfuhren künftig in zwei Transporte mit einer Pause von wenigstens 48 Stunden aufteilen.

Der Widerstand gegen die Exporte ist auch in anderen Bundesländern sehr groß. Nordrhein-Westfalen hat deshalb unlängst eine Bundesratsinitiative dagegen gestartet. Darin wird Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) aufgefordert, ein Verbot der Ausfuhren zu prüfen. Glauber unterstützt die Initiative ausdrücklich. Auf seinen Vorstoß hin wurde sie sogar erweitert. Danach soll sich Klöckner auch bei der EU für das Verbot der Exporte einsetzen.

Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) stellt sich der Initiative laut Beobachtern nicht in den Weg. Für sie gelte der Grundsatz, "dass Tiertransporte nur dann stattfinden dürfen, wenn dabei alle Anforderungen des Tierschutzes vollumfänglich erfüllt werden", ließ sie unlängst einen Sprecher mitteilen. Verstöße seien nicht hinnehmbar und müssten konsequent geahndet werden. Allerdings müsse man auch die "berechtigten Interessen der bäuerlichen Zuchtbetriebe" an den Exporten berücksichtigen. Sie müssten freilich "auf wertvolle Tiere beschränkt bleiben, die an den Zielorten auch nachhaltig für Zuchtzwecke genutzt werden".

Es wird denn auch fest damit gerechnet, dass Bayern der nordrhein-westfälischen Initiative am Freitag im Bundesrat zustimmt. Die Grünen verlangen derweil, dass der Freistaat selbst aktiv wird und Rinder-Zuchtverbänden, die an den Exporten festhalten, die finanzielle und personelle Förderung entzieht.

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Quelle:
SZ vom 10.02.2021
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