Süddeutsche Zeitung

Umwelt und Naturschutz:Meterdicker Schlamm bedroht den Tegernsee

In einer Bucht am Tegernsee lagert am Seegrund meterdicker Morast. Anwohner wollen nun erzwingen, dass er beseitigt wird.

Von Matthias Köpf, Tegernsee

Wenn die Mitglieder des Rudervereins am Tegernsee im Achter von ihrem Bootssteg gleiten, dann tauchen die Ruder sowieso recht flach ins Wasser. Im schlammigen Grund seien sie bisher jedenfalls noch nicht stecken geblieben, sagt der Vorsitzende Heiner Felder. Doch in den mehr als vier Jahrzehnten, seit er dort als Bub mit dem Rudern begonnen hat, ist die Wassertiefe am Bootshaus nach Felders Wahrnehmung rund um ein Drittel zurückgegangen. Und was zu tun wäre, wenn das mit der Verlandung der Schwaighofbucht so weiter geht, haben sie auch schon öfter überlegt, bislang ohne Ergebnis. Doch einige Anwohner am südöstlichen Zipfel des Sees versuchen jetzt, die Stadt Tegernsee per Bürgerbegehren zum Handeln zu zwingen.

Geredet worden sei jedenfalls schon genug, sagt Andreas Scherzer als Vorsitzender des Vereins "Rettet den Tegernsee". Denn "mit den runden Tischen sind wir durch. Wir sind schon mit allen zusammengesessen, die überhaupt mit dem Thema zu tun haben." Der Verein mit seinen rund 150 Mitgliedern wurde 2013 zum Thema Hochwasserschutz gegründet und hat sich bald auch der Verlandung der Schwaighofbucht angenommen. Die ist auf rund einem halben Kilometer Uferlinie von öffentlichen Flächen gesäumt, der Courths-Mahler-Anlage und der Schwaighof-Anlage.

Hier warnen inzwischen Schilder Einheimische wie Touristen: "Vorsicht Gefahr - Tiefer Schlamm" steht da etwa, oder "Achtung Lebensgefahr! Schlamm wie Treibsand! Seeboden mit starker Sogwirkung!". Tatsächlich im Schlamm versunken ist noch niemand, aber einige Male hätten schon Schwimmer herausgezogen werden müssen, sagt Andreas Scherzer. Andererseits sei das Schwimmen dort ohnehin keine Freude mehr, denn speziell im Sommer stiegen aus dem Schlamm stinkende Gase auf, und der Kot der immer zahlreicher werdenden Wasservögel tue ein Übriges.

60 000 Kubikmeter sollen bis zu drei Meter dick in der Bucht liegen, haben Gutachten ergeben, die Scherzers Verein teils mit und teils ohne die Stadt Tegernsee hat anfertigen lassen. Verschiedene Firmen boten an, den Schlamm abzusaugen, ihn auszubaggern oder erst einmal mit bestimmten Bakterien auf die halbe Menge zu reduzieren. Bei all dem blieb die Frage, wo der stinkende Schlamm denn gelagert und getrocknet werden soll und ob der trockene Rest als Dünger dienen könnte oder nicht eher als Sondermüll deponiert werden müsste. Davon, den Schlamm einfach mitten im See zu versenken, wollen jedenfalls weder die Fischer noch die Behörden etwas wissen, denn das würde das klare Wasser des Tegernsees deutlich trüben.

Als Auslöser des Problems hat Scherzer das See- und Warmbad der Gemeinde Rottach-Egern ausgemacht. Einst habe man die Mündung der Rottach, die die Grenze zur Stadt Tegernsee bildet, so umgestaltet, dass das kalte Flusswasser möglichst vom Warmbad wegfließen sollte. Erst seither lagere die Rottach ihre Fracht von Steinen, Ästen, Laub und Erde allein in der Schwaighofbucht ab. Früher habe man regelmäßig ausgebaggert, so wie es an anderen Voralpenseen heute noch möglich sei.

Andreas Holderer als zuständiger Abteilungsleiter im Wasserwirtschaftsamt Rosenheim widerspricht. Die Rottachmündung sei im 19. Jahrhundert zur Holztrift umgestaltet worden, doch mindestens seit 1914 münde der Fluss an dieser Stelle. Das Rottacher Bad sei aber erst 1933 eröffnet worden. Und ausgebaggert werde genau wie anderenorts bis heute, aber nur direkt an der Mündung, um einem Rückstau mit Überflutungen vorzubeugen - und ausdrücklich "nicht, um den natürlichen Prozess der Verlandung zu stoppen". In diesen Prozess, der über die Jahrtausende gleichsam das geologische Schicksal aller Voralpenseen ist, wolle man nicht eingreifen.

Der Verein "Rettet den Tegernsee" denkt jedoch nicht in geologischen Zeiträumen und will die Klärung nun mit der Hilfe eines als sehr konfliktfreudig bekannten Anwalts beschleunigen. Erste Maßnahme ist das angekündigte Bürgerbegehren. Das soll die Stadt Tegernsee an ihre Pflicht erinnern, für die Sicherheit am See zu sorgen, damit sie den Druck an das eigentlich zuständige Umweltministerium weitergibt. Das Ministerium ist aus Scherzers Sicht nicht nur seit Jahren untätig, sondern "für uns unerreichbar".

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Quelle:
SZ vom 06.02.2020/kaal
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