„Tag der Tracht“:Die Nackten und die Trachten

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Auch auf dem Trachtenzug zur Wiesn wird jedes Jahr die Tracht zelebriert. Hier die Musikkapelle Münsing. (Foto: Stephan Rumpf/Stephan Rumpf)

Von wegen Sturm auf die Bastille: Der bayerische Heimatminister Albert Füracker hat für den 14. Juli jetzt eine ganz andere Idee.

Glosse von Matthias Köpf

Bald ist wieder 14. Juli, und die Franzosen haben da natürlich keine Zeit. Sie müssen dann den Sturm auf die Bastille und den Beginn ihrer Revolution von 1789 feiern. Kurz darauf war dort aber schon ein gewisser Napoleon am Ruder, der aus dem Kurfürstentum Bayern anno 1806 ein ziemlich neu zusammengenageltes Königreich von seinen Gnaden gemacht hat. Dessen Könige wünschten sich dann aber etwas mehr nationalen Zusammenhalt als nur Napoleons Nägel, weshalb Max II. Joseph 1853 zur „Hebung des bayerischen Nationalgefühls“ die Förderung des Trachtenwesens verfügt hat. Und dahinter kann ein demokratischer Freistaat identitätspolitisch natürlich nicht zurückbleiben. Also hat der nebenbei noch für die Staatsfinanzen zuständige „Heimatminister“ Albert Füracker den 14. Juli nun per Pressemitteilung zum „Tag der Tracht“ erklärt.

Füracker tat das in aller Eintracht mit dem Landesverein für Heimatpflege und dem Bayerischen Trachtenverband und legt damit abermals einen gewissen bayerischen Nationalseparatismus an den Trachtentag – wo doch der deutsche Trachtenverband als bundesweiten Tag der Tracht immer den dritten Sonntag im Oktober ausgerufen hat, weil dann Allerweltskirchweih gefeiert wird und die Leute vielleicht sowieso schon Tracht tragen.

Das mit der Kirchweih wird der bayerischen Nationaltrachtentroika schon recht sein, aber mindestens genauso gut fände sie es, wenn die Menschen ab sofort am 14. Juli Tracht trügen. Wer dann im Gwand ein Selfie macht oder sich fotografieren lässt, kann das Bild dem Trachtenverband schicken und bestenfalls einen Trachtenhut gewinnen. Damit keine Zweifel wegen des Datums aufkommen: einfach die tagesaktuelle SZ oder einen Screenshot von sz.de mit ins Bild bringen.

Wem das jetzt mit dem ganzen Trachtentragen zu viel wird, weil das Wort „Tracht“ einst eh nichts anders geheißen hat als das, was getragen wird, der kann am 14. Juli auch praktisch das Gegenteil feiern, nämlich den Tag der Nacktheit, wie es offenbar Leute in Neuseeland und den USA tun. Oder den Tag des Maßbands, das ja gebraucht wird, wenn das Gewand anzupassen ist, womöglich nach dem Tag der Käse-Makkaroni. Shark Awareness Day beziehungsweise Tag der Haie ist auch, also bloß keine Hailederne am 14. Juli! Ferner hat offenbar noch die schwammige Zeichentrickfigur Spongebob Geburtstag. Vielleicht feiert er ja in Tracht.

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