Statistisches Jahrbuch 2021:Bayerns Abschied vom Superlativ

Statistisches Jahrbuch 2021: Das Bilderbuch-Bayern gibt es natürlich noch, wie hier bei Münsing in der Nähe des Starnberger Sees. Und dem Freistaat geht es auch noch gut. Doch die Zahlen des Statistischen Jahrbuchs sind nicht mehr nur "glänzend".

Das Bilderbuch-Bayern gibt es natürlich noch, wie hier bei Münsing in der Nähe des Starnberger Sees. Und dem Freistaat geht es auch noch gut. Doch die Zahlen des Statistischen Jahrbuchs sind nicht mehr nur "glänzend".

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Nach vielen Wachstumsjahren im Freistaat zeigt das Statistische Jahrbuch nun auch Dellen wegen der Pandemie. In der ersten Jahreshälfte 2020 war die Bevölkerungszahl sogar geschrumpft.

Von Johann Osel

"Sensationell", "phänomenal" oder "glänzend" - es sind zahlreiche Adjektive dieser Sorte, die diesmal fehlen bei der Vorstellung des Statistischen Jahrbuches durch den Innenminister. Normalerweise kann Joachim Herrmann (CSU) bei dem Termin auf einen Superlativ nach dem anderen verweisen, das weiß jeder, der über die Jahre die Präsentationen des Daten-Mammutwerks verfolgte. Das Kompendium aus dem Statistischen Landesamt in Fürth vermisst Bayern in Zahlen, Basis ist teils das laufende Jahr sowie das Vorjahr - beides Jahre, in denen der Freistaat unter den Auswirkungen der Pandemie gelitten hat.

So zeigen sich nun manche Dellen in Kurven und Diagrammen, die man sonst kaum kannte; jedoch auch die eine oder andere Aufholjagd 2021 ist im Gange. Von einer Reihe positiver Nachrichten sprach Herrmann am Donnerstag: "Die 2020 von der Pandemie stark gebeutelte Wirtschaft und der Arbeitsmarkt sind in Bayern ganz klar auf Erholungskurs."

Die Bevölkerung in Bayern wächst nach wie vor. Zum Stichtag Ende September 2021 lebten hier gut 13,2 Millionen Menschen; das ist ein Anstieg von deutlich mehr als einer halben Million binnen zehn Jahren. Wobei es 2020 nur ein kleines Wachstum um etwa 15 000 Einwohnerinnen und Einwohner gab. In der ersten Jahreshälfte, als das Coronavirus ins Land kam, registrierten die Statistiker sogar ein zeitweiliges Schrumpfen, um 1171 Personen. Das lag zuvorderst an fehlendem Zuzug aus dem Ausland und aus anderen Bundesländern.

Mittlerweile wandern wieder deutlich mehr Leute zu. Herrmann bilanzierte: "Bayern wächst und bleibt für Menschen aus dem In- und Ausland als neuer Lebens­mittelpunkt attraktiv." Prognosen des Landesamts gehen übrigens von einer Zunahme um eine weitere halbe Million Menschen in den nächsten zwei Jahrzehnten aus. Allerdings regional höchst unterschiedlich, es ist ein oft sogar von Ort zu Ort abweichendes Schrumpfen und Wachsen; Kommunalpolitiker können sich mithilfe solcher Prognosen in der Infrastruktur darauf einstellen.

Statistisches Jahrbuch 2021: Innenminister Joachim Herrmann sagt über die Zahlen zu den Corona-Toten: "Wer jetzt immer noch leugnet, dass es Corona gibt oder das Virus verharmlost, verschließt seine Augen vor der Realität."

Innenminister Joachim Herrmann sagt über die Zahlen zu den Corona-Toten: "Wer jetzt immer noch leugnet, dass es Corona gibt oder das Virus verharmlost, verschließt seine Augen vor der Realität."

(Foto: Uli Deck/dpa)

2020 wurden 128 764 Kinder geboren, es ist der bislang stärkste Gebur­tenjahrgang im Freistaat seit 1997. Gestorben sind vergangenes Jahr 143 367 Menschen. Auch im laufenden Jahr überstieg die Zahl der Toten die der Geburten. Dieses schon länger bestehende Defizit wird jetzt erneut durch das positive Wanderungssaldo kompensiert.

Im Zusammenhang mit der Pandemie führt auch die Todesursachenstatistik zu Erkenntnissen. Fünf Prozent der Verstorbenen 2020, also 7222 Frauen und Männer, starben demnach "nachweislich an Corona". Dies sei damit eine häufigere Einzeldiagnose gewesen als etwa Herzinfarkt oder Lungenkrebs, zudem vielfach stärker verbreitet als Tod durch Suizid oder Verkehrsunfall.

Neun von zehn Corona-Toten waren 70 Jahre oder älter. Dies spreche "eine eindeutige Sprache, die keinen Zweifel an der Gefährlichkeit des Virus lässt", betonte Herrmann. "Wer jetzt immer noch leugnet, dass es Corona gibt oder das Virus verharmlost, verschließt seine Augen vor der Realität." Bestmögliche Sicherheit könne nur die Impfung bieten.

Vor allem der "Urlaub dahoam" hatte zugenommen

Die Gesundheitskrise zeigt sich klar in den Zahlen der Wirtschaft, Tiefpunkte von 2020 wurden aber zuletzt häufig wieder etwas ausgebügelt. Bayerns Industrie zum Beispiel verzeichnete von Januar bis September 2021, verglichen mit dem Vorjahreszeitraum, ein Produktionsplus von 8,6 Prozent; sie liegt gleichwohl immer noch unter dem Niveau von 2019.

Auch im Tourismus erkennt Herrmann "positive Trends" bei den Gästeankünften und Übernachtungszahlen, auch wieder mehr ausländische Gäste. Vergangenes Jahr hatte vor allem der "Urlaub dahoam" zugenommen, aus Deutschland und aus Bayern selbst. Zuletzt meldeten Tourismusregionen jedoch, dass sich ein neues Problem zeige: Personal, das im ersten Krisenjahr weggebrochen ist, bleibe weiterhin fern. Und der Innenminister musste am Donnerstag mitteilen: "Durch die aktuelle Corona-Entwicklung ist nicht auszuschließen, dass der Aufschwung des Touris­mus leider wieder gebremst wird."

Erfreulicher ist die aktuelle Arbeitslosenquote: 2,9 Prozent im Oktober, der bundesweite Spitzenwert (deutschlandweit: 5,2 Prozent). 2020 betrug die Quote in Bayern insgesamt 3,7 Prozent. Herrmann lobte die ehemalige Bundesregierung aus Union und SPD für das stark eingesetzte Kurzarbeitergeld, diese Entscheidung "hat sich als absolut richtig und klug erwiesen". Die Erholung danach sei rasch spürbar gewesen.

Statistisches Jahrbuch 2021: Der Präsident des Bayerischen Landesamts für Statistik, Thomas Gößl, ist überzeugt, dass es nicht weniger, sondern mehr Statistiken braucht.

Der Präsident des Bayerischen Landesamts für Statistik, Thomas Gößl, ist überzeugt, dass es nicht weniger, sondern mehr Statistiken braucht.

(Foto: Rolf Poss)

Ende 2020 gab es in Bayern fast 6,6 Millionen Wohnungen, der Bestand hat sich 2020 weiter erhöht, der Zuwachs wirkt allerdings überschaubar. Hinsichtlich der Bevölkerungsentwicklung und der Prognosen können wohl aus solchen Daten des Jahrbuchs durchaus Schlüsse gezogen werden, inwiefern Verbesserungsbedarf oder Fortschritte auf politischer Seite erforderlich sind. So definierte Herrmann das Statistikwerk auch als "amtlich geprüfte Grundlage für politische Entscheidungen und wichtige Planungshilfe". Eben in der Pandemie seien "verlässliche und gesicherte Daten und Fakten von herausragender Bedeutung".

Thomas Gößl, Präsident des Landesamts für Statistik, ergänzte, angesichts der "Flut von Informationen, der wir uns Tag für Tag gegenüber sehen, braucht es nicht weniger, sondern mehr amtliche Statistik". Das Jahrbuch kann auf der Homepage der Behörde heruntergeladen und bestellt werden.

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