Wirtschaft in Bayern:Bayern liegt als Wirtschaftsstandort vorn – mit großen Mängeln

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Bayern ist mit großen Unternehmen wie BMW nach wie vor ein bedeutender Industriestandort. Doch es gibt Probleme. (Foto: Daniel Josling/dpa)

Eine Studie der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft bescheinigt Bayern attraktive Bedingungen für Unternehmen. Doch es gibt ein paar entscheidende Probleme.

Von Maximilian Gerl

Die gute Nachricht: Bayern ist wieder vorn dabei. Regelmäßig lässt die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (VBW) die Standortqualität des Freistaats mit anderen Nationen vergleichen – was meist erfreulich endet. Auch in der Ausgabe von 2024 landet Bayern im Wirtschafts-Wettstreit auf dem Siegerpodest: zwar nur auf Rang zwei hinter der Schweiz, aber teils weit vor anderen ökonomischen Schwergewichten. „Der Freistaat Bayern bietet insgesamt attraktive Standortbedingungen für Industrieunternehmen“, sagt VBW-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Das bedeute „auch in diesem Jahr eine Spitzenstellung unter den Industriestandorten weltweit“.

Die schlechte Nachricht: Auch die Silbermedaille kann schmerzen, wenn man meint, das Potenzial für Gold nicht abgerufen zu haben. Und mit diesem Gefühl plagen sich Bayerns Unternehmerinnen und Unternehmer inzwischen zunehmend frustriert herum: Die wirtschaftliche Lage galt schon mal als besser, die Aussichten sind verhalten. Das Handwerk meldete neulich eine „schwächelnde Nachfrage“ – und in einer Umfrage des Mittelstandsverbands BVMW riet gar jeder zweite Unternehmer von der Selbständigkeit ab. Ein zweiter Platz in einem Standort-Ranking entspricht da einerseits genau dem Ergebnis des Vorjahres und kann andererseits als weiteres Krisensymptom durchgehen.

Natürlich sind Wirtschafts-Rankings mit Vorsicht zu genießen, sie variieren schon je nach Gewichtung der einbezogenen Faktoren. Unabhängig davon spiegelt die Studie namens „Industrielle Standortqualität Bayerns im internationalen Vergleich“, die der SZ vorab vorliegt, die Stimmung wider. Vereinfacht hat das Forschungsinstitut IW Consult versucht, die Wettbewerbsbedingungen mithilfe von 63 Indikatoren zu greifen – und das neben Bayern für 44 weitere Länder. In vier Bereichen landete der Freistaat unter den Top Ten: Staat, Infrastruktur, Wissen und Markt. Vor allem das Innovationsumfeld wird als gut bewertet.

Doch bereits der Blick auf die Infrastruktur offenbart die Probleme. Ein neunter Platz in dieser Kategorie ist keine Auszeichnung für ein Industrieland, gerade hinsichtlich Informations- und Kommunikationstechnik schnitten andere besser ab. Bei den Kosten wurde Bayern sogar auf dem letzten Platz einsortiert, wegen hoher Arbeits- und Energiekosten sowie hoher Steuern. Hohe Arbeitskosten sind für ein Industrieland normal, mit Niedriglöhnen wie in Fernost lässt sich kaum mithalten. Trotzdem gilt die Kostenbelastung den Studienautoren so groß, dass sie diese für Bayern als Standortnachteil einstuften.

Nimmt man alles zusammen, erreicht Bayern besagten zweiten Platz. Auf dem dritten liegt Dänemark, danach folgen Australien, Deutschland, Kanada und Schweden. Die USA kommen auf Rang zehn. Und China, häufig größter Konkurrent bayerischer Firmen, geht als 25. ins Ziel. Zu eng und willkürlich sind die Grenzen, die das autoritäre Regime auch der unternehmerischen Freiheit setzt. Ungeachtet der Platzierung gelten aber besonders die asiatischen Schwellenländer als „durchaus wettbewerbsfähig“.

Ist das Glas also für Bayern halb voll oder halb leer? Gute Frage. Wirtschaft ist bekanntlich auch Psychologie, schlechte Stimmung hat so manche Krise erst befeuert. Die Optimisten können sich daher beim Lesen der Studie bestätigt fühlen, dass Bayerns Wirtschaft trotz aller Herausforderungen gut unterwegs ist. Die Pessimisten können darauf verweisen, dass die Studie Zahlen von 2022 referenziert und allenfalls den Beginn der derzeitigen Flaute abbildet. Nicht zu vergessen, dass manch Problem altbekannt ist: Über die Energiesituation etwa oder den Zustand der Digitalisierung klagen Firmen seit Langem. Aus Sicht der VBW zeigt das Ranking, dass die Standort-Positionierung Bayerns in Gefahr sei. Neuinvestitionen fänden überwiegend anderswo statt. Auch aus dem Ausland fließe immer weniger Kapital nach Deutschland, sagt Brossardt. „Der schleichende Prozess der Deindustrialisierung hat begonnen.“

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