Stadtbäumen kommt eine Schlüsselrolle im Kampf gegen die Auswirkungen des Klimawandels in den Ballungsräumen zu. Das ist das Credo von Fachleuten wie Professor Stephan Pauleit, der an der Technischen Universität München (TUM) Landschaftsentwicklung lehrt, und von Umweltverbänden wie dem Bund Naturschutz (BN) gleichermaßen.
Denn Stadtbäume kühlen, binden das Klimagas CO₂, filtern Schadstoffe aus der Luft und bieten Lebensraum für zahlreiche Tiere und Pflanzen. Zugleich sind Stadtbäume oft gefährdet. Hitze und Trockenheit setzen ihnen zu, dazu Krankheiten, und wenn sie einem Bauvorhaben im Wege stehen, werden sie meist schnell gefällt. Nicht zuletzt deshalb weiß keiner so genau, wie viele Bäume es in einer Stadt oder gar in Bayern gibt und wie es um sie bestellt ist.

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Die TUM, die Hochschule Weihenstephan Triesdorf und der BN haben dieser Tage deshalb das Projekt „Mein Baum“ gestartet. Damit wollen sie in den kommenden Wochen und Monaten möglichst viele Daten zu Stadtbäumen sammeln – und zwar mithilfe von interessierten Laien. „Mein Baum“ ist ein sogenanntes Citizen-Science-Projekt, das davon lebt, dass möglichst viele Menschen mitmachen. Die Teilnahme ist einfach. Interessenten laden sich eine App auf ihr Handy, mit der sie alle möglichen Daten zu Standorten von Stadtbäumen, Baumarten, dem jeweiligen Umfeld, den Wurzelbereichen, den Stämmen und den Baumkronen erfassen können. Mit diesen Daten sollen dann Strategien für den Schutz von Stadtbäumen entwickelt werden.
Zu den häufigsten Stadtbäumen zählen Linden. Ein Grund ist, dass sie als pflegeleicht und anspruchslos gelten. Außerdem sind sie sehr gut für das Klima in ihrem Umfeld. 60 Jahre alte Linden bringen es aufs Jahr gesehen auf eine Kühlleistung von 140 Kühlschränken, haben einmal Untersuchungen der TUM ergeben. Eine ausgewachsene Linde verdunstet an einem heißen Sommertag bis zu 400 Liter Wasser. Das kühlt die direkte Umgebung enorm ab. Hinzu kommt der Schattenwurf. Bei 15 Metern Kronendurchmesser bedeckt der Schatten einer Linde je nach Sonnenstand mindestens 170 Quadratmeter Bodenfläche. Das kühlt zusätzlich zur Verdunstung.
Allerdings gilt: Nur ausgewachsene Bäume entfalten ihre volle Wirkung für das Stadtklima. „Die Kühlleistung einer 80 Jahre alten Linde ist zehnmal so hoch wie die einer 20 Jahre alten Linde“, sagt Experte Pauleit dazu. Es gilt also nicht nur, neue Bäume zu pflanzen, sondern möglichst viele alte zu erhalten. Der BN hat einmal abzuschätzen versucht, wie viele Stadtbäume zwischen 2011 und 2021 in den größten Städten Bayerns gefällt wurden. Es waren 165 000 Stück. Die Nachpflanzungen gegengerechnet, blieb ein Defizit von 35 000 Bäumen.
Dabei sind die Ballungszentren wegen der enormen Gebäudemassen und anderen Versiegelungen dort besonders hitzeanfällig. „In Städten ist es schon bei normaler Witterung zwei bis drei Grad wärmer als auf dem Land“, sagt Pauleit. „In Hitzeperioden sind sechs bis acht Grad Differenz keine Seltenheit.“ Stadtmenschen leiden deshalb sehr viel mehr unter der Klimakrise als die Bevölkerung auf dem Land. Die Daten aus dem Projekt „Mein Baum“ sollen zum Beispiel für die Stadtplanung, für Schutzmaßnahmen vorhandener Stadtbäume oder für wissenschaftliche Analysen genutzt werden. „Wir brauchen einfach mehr Kenntnisse über unsere Stadtbäume“, sagt der BN-Mann Martin Geilhufe. „Das Projekt ‚Mein Baum‘ setzt genau hier an.“