Süddeutsche Zeitung

Russischer Impfstoff:Söder will Sputnik doch nicht

Bayern legt Pläne aufs Eis, russischen Impfstoff im schwäbischen Illertissen herzustellen. Auf diese Idee hätte man durchaus früher kommen können.

Kolumne von Florian Fuchs

"Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben", ist ein Spruch, den sich der frühere Präsident der Sowjetunion Michail Gorbatschow zu eigen gemacht hat. Markus Söder ist der letzte Politiker in Ost und West, der zu spät kommen möchte, viel lieber spielt er im "Team Erster" mit - und dennoch hat es ihn nun voll erwischt. Als der Allerletzte in der Bundesrepublik ist Markus Söder nun doch noch auf die Idee gekommen, dass die Herstellung des russischen Corona-Impfstoffs Sputnik V im schwäbischen Illertissen vielleicht doch keine so gute Idee ist. Am Mittwoch hat er angesichts des Kriegs in der Ukraine das Aus der lange gehegten und von bayerischer Seite immer wieder verteidigten Pläne verkündet. Es ist das Ende einer von Beginn an durchsichtigen PR-Luftnummer.

Anfang April vergangenen Jahres hatte Bayern eine Absichtserklärung mit der russischen Pharmafirma R-Pharm Germany über den Kauf von 2,5 Millionen Dosen des Impfstoffs unterzeichnet. Und dann kräftig Werbung gemacht für eine schnelle Zulassung des Impfstoffs. Jetzt war im April der Impfstoff knapp und der öffentliche Druck auf Gesundheitsminister Klaus Holetschek und seinen Chef Söder groß, endlich genug Vakzin herbeizuschaffen. Da ist die Versuchung groß, Nebelkerzen zu werfen und sich Vorkaufsrechte für einen bis heute in Europa nicht zugelassen Impfstoff zu sichern.

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Schon damals war aber absehbar, dass ein paar Wochen später Impfstoff im Überfluss vorhanden sein sollte, weshalb sich nicht nur Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze "am Prestige-Objekt des Kremls" abarbeitete. Tatsächlich hat das Gesundheitsministerium bis heute nie die Frage beantwortet, was der Einsatz eines russischen Impfstoffs eigentlich bringen kann und soll, der laut Staatsregierung frühestens für den Sommer 2021 anvisiert war - zu einer Zeit also, in der Söder schon längst auf Werbetour gegangen war, damit sich überhaupt noch jemand findet, der sich die Vakzine von Biontech und Moderna in den Oberarm spritzen lässt.

Schulze befand schon vor Monaten, dass Söder seiner europapolitischen Verantwortung nicht gerecht werde und kritisierte die geopolitische Dimension der Sputnik-Pläne. Außer Bayern hatte sich in der Bundesrepublik lediglich Mecklenburg-Vorpommern eine Kaufoption für den Impfstoff gesichert, dieses Vorhaben allerdings schon vor vielen Monaten wieder auf Eis gelegt - und ist so immerhin als Vorletzter ins Ziel gelangt.

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