Bildungspolitik:Problemfach Sport

Bildungspolitik: Wie viel Sport in der Schule und wie soll der aussehen? Fragen, die auch den bayerischen Landtag beschäftigen.

Wie viel Sport in der Schule und wie soll der aussehen? Fragen, die auch den bayerischen Landtag beschäftigen.

(Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

An Bayerns Schulen fallen Turnstunden regelmäßig aus, die Gründe sind vielfältig. Was muss sich ändern? Im Landtag diskutieren Bildungsexperten über den Sportunterricht der Zukunft.

Von Maximilian Gerl

Das Wichtigste im Sportunterricht? "Alle Kinder sollten sich bewegen können und dürfen", sagt Daniela Schmid-Bertl am Telefon. "Das ist die Grundvoraussetzung." Schmid-Bertl unterrichtet an einer niederbayerischen Mittelschule und ist darüber hinaus Referatsleiterin für Sport beim Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverband - und damit aus erster Hand informiert, wie es um das Fach im Freistaat bestellt ist. Ein häufiges Problem demnach: Sportgruppen, die zu groß seien für die kleine Turnhalle oder für die Kapazitäten einer einzelnen Lehrkraft. Dann müsse ein Teil der Gruppe am Rand sitzen statt sich zu bewegen, erzählt Schmid-Bertl. Dabei sei der Sportunterricht so wichtig für die Schüler. Falle er aus, sei das "fatal".

Genau das ist zuletzt aber immer wieder passiert. Zum Beispiel, weil Lehrkräfte fehlten; an manchen Grund- und Mittelschulen wurden deshalb vorübergehend die Sportstunden reduziert, von drei auf zwei. Auch in den Hochphasen der Corona-Pandemie war Schulsport nur eingeschränkt bis gar nicht möglich. Welche Folgen das hat und hatte, versucht am Donnerstag der Bildungsausschuss des Landtags zu ergründen - vor allem aber, wie der Sportunterricht der Zukunft überhaupt aussehen soll. Sachverständige sind ins Münchner Maximilianeum geladen, die Anhörung wird gestreamt, was nur bei Sitzungen geschieht, die für einigermaßen wichtig befunden werden.

Letzteres könnte selbst Sportlehrer überraschen. Ihr Unterricht, wichtig? Das Nebenfach spielt im Schulalltag eine nachgeordnete Rolle, versetzt wird, wer rechnen, lesen, schreiben kann und Sachverhalte versteht. Dabei wäre ein Bedarf an Bewegung vorhanden. Schwimmverbände klagen über steigende Nichtschwimmerzahlen, Gesundheitsorganisationen warnen vor Adipositas bei jungen Menschen. Daneben trägt Sport zur Persönlichkeitsentwicklung bei - und kann Fairness lehren oder Herausforderungen anzunehmen und zu meistern. Praktisch könnte Sport in manchen Schulformen ohnehin wichtiger werden. Zum Beispiel haben Familien mit Grundschülern von 2026 an einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung, was wiederum mehr schulische Freizeitangebote nötig machen dürfte.

Handlungsbedarf bestünde also, da sind sich die Expertinnen und Experten im Landtag einig. "Wir brauchen eine bessere Stellung des Fachs Sport in der Schule", sagt Ansgar Schwirtz, Professor für Biomechanik im Sport an der Technischen Universität München. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, wie wichtig Gesundheit und Bewegung seien.

"Der Sportlehrermangel ist ein Fachkräftemangel"

Einig sind sich die Sachverständigen auch, dass guter Sportunterricht qualifiziertes Personal benötigt. "Der Sportlehrermangel ist ein Fachkräftemangel", sagt Thomas Oswald, Fachbetreuer für Sport am Ignaz-Kögler-Gymnasium in Landsberg am Lech. Seine Sorge: dass wie 2015 bald Turnhallen gesperrt werden könnten, um Geflüchtete darin unterzubringen. Damals habe man per Bus andere Hallen anfahren müssen, von einer Doppelstunde Sport seien vielleicht 60 Minuten übrig geblieben. Den daraus resultierenden "Mangel an Bewegungszeit" sehe er immer noch in den oberen Jahrgangsstufen.

Die Flüchtlings-Frage freilich kann und soll die Expertenrunde an diesem Donnerstag nicht lösen. Auch andere Fragezeichen weisen über den Konferenzsaal im Landtag hinaus: etwa wie sich der Schwimmunterricht gerade im ländlichen Raum gestalten lässt, wo in den vergangenen Jahren Bäder schließen mussten, weil sie zu teuer für die Gemeinden wurden. Einfacher macht das die Sache trotzdem nicht, zu weit gehen die Einschätzungen über die Erfordernisse der Zukunft manchmal auseinander.

So plädiert Susanne Tittlbach, Professorin für Sozial- und Gesundheitswissenschaften des Sports an der Uni Bayreuth, für eine Reform der Sportlehrerausbildung. Diese konzentriere sich zu sehr an Sportvorstellungen der 1970er-Jahre und zu wenig an neuen Ideen, die Bewegung mit "kognitiven Anreizen" verknüpften. Gereon Berschin, Professor für Sportwissenschaft an der Universität Passau, widerspricht: Er sage Ja zur Lehramtsprüfungsordnung in der bisherigen Form. Sportarten seien der Kern. Berschin sieht zudem die Gefahr, dass dem Sportunterricht Dinge "draufgesattelt" würden, für die eigentlich mehr Familie und Gesellschaft zuständig seien. "Wir müssen uns überlegen, was muss die Schule leisten und was nicht."

Wer unter Sportlehrern zur Zukunft ihres Unterrichts herumfragt, hört dagegen vor allem einen Wunsch: dass er regelmäßig stattfinden kann - und bestenfalls in größerem Umfang. Ähnlich äußert sich Fachlehrer Oswald bei der Anhörung. "Es muss nicht über eine dritte Sportstunde gesprochen werden", sagt er, "sondern über eine vierte."

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