Nicht antreten? In Quarantäne gehen in Kiel? Wer sitzt im Boot, wer bleibt zurück? Gestern Risikogebiet, heute alles gut? Die Fragen der Münchner Segler zeigen, wie groß die Unsicherheiten für Veranstalter und Sportler sind, wenn die Zahl der Corona-Neuinfektionen in diesen Tagen sich an einer kritischen Schwelle einpegelt. Die drei Segel-Klubs vom Starnberger See wollten Mitte der Woche nach Kiel aufbrechen zum vierten Spieltag der Deutschen Segel-Bundesliga (DSB). Sie alle erleben ein schwieriges Jahr, der Deutsche Touring Yacht-Club (DTYC), der Münchner Yacht-Club (MYC) sowie der Bayerische Yacht-Club (BYC) sind weit entfernt von den Erfolgen der Vergangenheit und kämpfen gegen den Abstieg.
Mitten in die Vorbereitungen platzte die schlechte Nachricht: Wegen der Neuinfektionen in der Stadt zählt München als "inländisches Risikogebiet", das Land Schleswig-Holstein sieht für Einreisende mit Wohnort München 14 Tage Quarantäne vor. Die Zeit kann zwar mit zwei negativen Tests verkürzt werden, die zweite Probe darf aber erst nach fünf Tagen in Quarantäne abgenommen werden. Die Regatta wäre dann fast vorbei gewesen. Die Aufregung war groß unter den Seglern.
Sportvereine in Not:Gerangel um die Regeln
Wegen der Corona-Pandemie mussten hunderttausende Münchner monatelang mit dem Sport pausieren. Mittlerweile ist dieser wieder erlaubt - unter strikten Vorgaben, die viele Vereine für überzogen halten.
Das Pandemie-Szenario bringt aber nicht nur bei den Seglern Unruhe und Ungewissheit, es kann wohl jede Sportart treffen. Bei den Seglern entspannte sich die Lage immerhin, im Lauf der Woche fiel der Inzidenzwert wieder unter die kritische Marke, am Freitag lag er laut Berechnungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) bei 42, der Test war obsolet. Diese Nachricht kam allerdings zu spät für den BYC - der hatte bereits reagiert und eine Auswahl an Junioren nach Kiel geschickt, die nicht in München wohnen.
Dabei sei mehrmals auf die Problematik hingewiesen worden, sagt Maximilian Weiß, Teammanager des DTYC: "Es müssen einfach klare Regeln formuliert werden, damit man im Vorfeld weiß, wie mit solchen Situationen umzugehen ist und man sich danach richten kann." Dass die Segel-Bundesliga das Thema abmoderiert habe, sei unglücklich, "wir wurden vertröstet, man werde sich damit befassen, wenn es so weit ist".
Das Problem bleibt nicht auf den Spitzensport beschränkt, sondern trifft auch Amateure
Die Segler wollen Sicherheit, die Liga will einen starken Wettbewerb und spontan reagieren, "das ist ein Grat, auf dem wir alle gerade gehen müssen", sagt Deyke Zschachlitz, Pressesprecherin der Segel-Bundesliga. Weiß hatte schon vor der Saison angeregt, diese besonders zu bewerten und "vielleicht auf Absteiger zu verzichten". Gleichwohl habe er für die Maßnahmen Verständnis: "Wir sind alle froh, dass wir überhaupt unseren Sport ausüben können." Er honoriere es, wenn ein Veranstalter das Risiko und die Verantwortung übernimmt, überhaupt einen Wettbewerb zu organisieren. Aber man müsse umdenken, "denn solche Situationen wird es zukünftig öfter geben". 50 Ansteckungen auf 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen, nach dem Beschluss der Länder mit der Bundesregierung wird dieser vom RKI ermittelte Wert bald ebenso wichtig sein wie der Blick auf die Wind- und Wetterdaten.
Oszilliert der Wert in der Landeshauptstadt um die Zahl 50, ist er vor dem Wochenende beispielsweise im Landkreis Dingolfing-Landau (64 Fälle) bereits über diese kritische Schwelle gerutscht. Wie groß die Unsicherheit auch bei den Kommunen ist, lässt sich in Unterhaching beobachten. Im Landkreis München werden weniger Fälle gezählt (21), deshalb war das Drittligaspiel der örtlichen SpVgg am Freitag gegen den VfB Lübeck mit bis zu 3000 Zuschauern geplant - anders als im Stadtgebiet, wo der FC Bayern, 1860 und Türkgücü ohne Fans auskommen müssen. Doch das Landratsamt in Unterhaching intervenierte und empfahl, keine Fans ins Stadion zu lassen. So spielen nun doch alle Profifußball-Teams aus dem Münchner Raum vor einer Geisterkulisse.
Das Problem bleibt nicht auf den Spitzensport beschränkt, sondern trifft auch Amateure - wie bei den bayerischen Jugend-Einzelmeisterschaften im Badminton in Neumarkt. Bei den beiden ausrichtenden Vereinen TSV 1906 Freystadt und TSV Wolfstein schrillten ebenfalls die Alarmglocken angesichts der bedenklichen Infektionswerte in München. In Absprache mit dem Verband und den zuständigen Gesundheitsbehörden wurde festgelegt, dass Starter aus Gebieten mit einem Inzidenzwert von 50 und höher einen negativen Corona-Test vorzulegen haben.
Eine Vorsichtsmaßnahme, die angesichts großer Unsicherheiten in Sachen Haftung und Folgemaßnahmen nachvollziehbar ist. Zumal die Klubs eingesprungen waren, nachdem der eigentliche Ausrichter sich nicht in der Lage sah, die Veranstaltung mit den geforderten Hygienemaßnahmen zu stemmen. Doch wie einen kurzfristig geforderten Test nachweisen, der nicht älter als 48 Stunden sein soll? In manchen Fällen ist das kaum zu leisten. Für die Badmintonspieler des OSC München wirkte es abschreckend, drei Spieler verzichteten freiwillig auf die Teilnahme in Neumarkt.