Süddeutsche Zeitung

Olympische Sportstätten im Freistaat:"Es ist ein Trauerspiel, das die Zukunft des Ruder- und Kanusports in ganz Bayern gefährdet"

Bei einem Termin mit Sportminister Joachim Herrmann geht es um die Frage, wie drei olympische Wettkampfstätten - die Bobbahn am Königssee, die Regattastrecke in Oberschleißheim und die Reitanlage in München-Riem - für die Zukunft erhalten werden können.

Von Sebastian Winter

Die Richtung war relativ klar, die dieser Termin am späten Vormittag nehmen würde auf dem Gelände der traditionsreichen Olympia-Reitanlage in München-Riem - das plakative Motto hatte sie vorweggenommen: "Zukunft bayerischer Spitzensportanlagen sichern", so lautete das Stichwort, unter dem der Bayerische Landessport-Verband zum Gespräch mit Bayerns Innen- und Sportminister Joachim Herrmann (CSU) geladen hatte.

Es ging konkret um drei Leuchttürme des bayerischen Sports: die Bobbahn am Königssee, deren oberer Teil nach einem schweren Unwetter Mitte Juli 2021 zerstört worden war; die seit 1972 bestehende Olympiaregattastrecke in Oberschleißheim, die im vergangenen Sommer zwar die European Championships im Kanu und Rudern beherbergte, die aber längst ein Sanierungsfall ist; und die Olympia-Reitanlage in Riem, auf deren Gelände die Stadt München am liebsten teuren Wohnraum bauen will.

Die Regattastrecke gilt für die Sportler als eine der besten in ganz Europa und als einzigartig im süddeutschen Raum, die Olympiareitanlage sei, wie Gerhard Eck, der Präsident des Bayerischen Reit- und Fahrverbandes am Montag sagte, "das europaweit besterhaltene Pferdesportzentrum" Olympischer Spiele. Und die Bahn in Königssee firmiert nicht nur als älteste Kunsteisbahn der Welt, sondern auch als "größte Medaillenschmiede überhaupt in Deutschland", wie Minister Herrmann beschwor.

Immerhin um sie muss sich der Freistaat zumindest in finanzieller Hinsicht wohl wenig Sorgen machen. Klar ist, dass der Bund 53 Millionen Euro aus seinem Wiederaufbaufonds bereitstellt, "es sind also keine Sportfördermittel des Freistaats nötig", sagte Herrmann. Von Ende 2024 als Sanierungsstart ist die Rede, und nicht nur das: In Königssee soll die erste klimaneutrale Eisbahn der Welt entstehen. Allerdings sind Natur- und Umweltschützer nach wie vor nicht von der Nachhaltigkeit des Projekts überzeugt. Und den Betreibern läuft die Zeit davon, denn ihre Talente müssen wohl noch länger auf andere Standorte in Innsbruck, Italien oder im thüringischen Oberhof ausweichen.

Bei der Olympiareitanlage stellte sich lange Zeit die Gretchenfrage, ob sie komplett dem Wohnungsbau weichen und umziehen muss, wie die Stadt es sich gewünscht hatte. "Das ist vom Konzept her vernünftig nicht darstellbar, und städtebaulich waren ohnehin sehr große Grünflächen und- schneisen geplant", sagte Herrmann am Montag und betonte, dass es in Abstimmung mit der Stadt Flächen geben werde für den Wohnungsbau, "die Kernsubstanz der pferdesportlichen Flächen aber erhalten" bleibe. Sportfunktionär Eck wurde da konkreter: "Schweren Herzens ist es möglich, fünf, sechs Hektar abzugeben, ohne dass das Gelände zerschnitten wird. Aber wir würden die Anlage lieber in Gänze erhalten."

Am kompliziertesten sieht die Zukunft der Regattaanlage aus. Der große Sanierungswurf, den die Stadt für die maroden Bauten geplant hatte, ist seit 2021 vom Tisch. Neun Millionen Euro statt der ursprünglich geplanten rund 100 Millionen sind wegen leerer Kassen durch die Corona-Pandemie übrig - und dieses Geld haben Verschönerungen für die Championships fast aufgefressen. "Es ist ein Trauerspiel, das die Zukunft des Ruder- und Kanusports in ganz Bayern gefährdet", sagt Willi Bock, der Vorsitzende der Rudergesellschaft München 72. Minister Herrmann sieht - mal wieder - München als Eigentümer am Zug, ein Konzept für die inzwischen denkmalgeschützte Anlage zu entwickeln.

"Ich hoffe, dass sich die Landeshauptstadt, die eine besondere Verantwortung hat, aufraffen kann, das Thema voranzubringen", sagte Herrmann der SZ: "Wir als Freistaat sind bereit, uns zu beteiligen und über eine Sonderförderung nachzudenken." Unterdessen haben die Verantwortlichen, wie die Süddeutsche Zeitung am Montag erfuhr, den Ruder-Weltcup 2024 zurückgegeben - wegen der fehlenden Tribüne. Der bestehende, monumentale Sitzbereich darf nicht betreten werden.

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