Streit um SchutzgebietUnterstützung für Biosphärenregion im Spessart wächst – trotz Attacken von Aiwanger

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Rothenbuch ist eine kleine, idyllische Gemeinde im Spessart. Bisher galten Bürgermeister Markus Fäth und sein Gemeinderat als scharfe Kritiker der Pläne für eine Biosphärenregion dort. Nun haben sie umgedacht.
Rothenbuch ist eine kleine, idyllische Gemeinde im Spessart. Bisher galten Bürgermeister Markus Fäth und sein Gemeinderat als scharfe Kritiker der Pläne für eine Biosphärenregion dort. Nun haben sie umgedacht. (Foto: Imago/Dreamstime)

Bereits 46 von 79 Kommunen befürworten die Pläne für ein neues Schutzgebiet im Nordwesten Bayerns – vier Fünftel der dortigen Bevölkerung. Für Wirtschaftsminister Aiwanger ist das eine Klatsche.

Von Christian Sebald

Das war eine Überraschung: Kurz vor Weihnachten hat der Gemeinderat von Rothenbuch förmlich beschlossen, dass man für die hitzig diskutierte Biosphärenregion im Spessart sei und sich eine Teilnahme an dem Projekt vorstellen könne. Zwar müssten eine ganze Reihe Bedingungen erfüllt werden, wie der Rothenbucher Bürgermeister Markus Fäth (SPD) betont. Sie alle laufen darauf hinaus, dass es für die Rothenbucher durch die Biosphärenregion und den Naturschutz darin keine Einschränkungen geben darf, zum Beispiel was das Brennholz für die Öfen in ihren Häusern und ihre Jagdrechte in den Wäldern anbelangt.

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Aber, und das ist der entscheidende Punkt, wenn diese und weitere Punkte erfüllt seien, ist Rothenbuch durchaus an der Biosphärenregion interessiert. Denn mit Blick auf die langfristig gute Entwicklung des Ortes dürfe man die Türen für das Projekt nicht vorschnell schließen, sagt Bürgermeister Fäth. Bis dahin hatte die kleine Gemeinde im Hochspessart als eine der schärfsten Kritikerinnen der Biosphären-Pläne gegolten. Beobachter hatten fest damit gerechnet, dass sich die Lokalpolitiker dort klar gegen das Projekt aussprechen würden. Zu groß sei ihre Furcht vor etwaigen Nachteilen durch das Schutzgebiet.

Überhaupt zeichnet sich seit einiger Zeit eine große Mehrheit für eine Biosphärenregion in der nordwestlichen Ecke des Freistaats ab. Die Landräte Alexander Legler (CSU, Landkreis Aschaffenburg), Jens Marco Scherf (Grüne, Landkreis Miltenberg) und Sabine Sitter (CSU, Landkreis Main-Spessart) und der OB von Aschaffenburg, Jürgen Herzing (SPD), propagieren das Projekt seit einigen Jahren. Die vier Kommunalpolitiker wollen damit den Boden für eine langfristig gute Entwicklung ihrer Region bereiten. Und zwar in ökologischer Hinsicht, was den Schutz der einmaligen alten Eichen- und Buchenwälder im Spessart anbelangt, aber eben auch wirtschaftlich und sozial.

(Foto: SZ-Grafik)

Der Kerngedanke eines Biosphärenreservats ist die Förderung einer besonderen Kulturlandschaft, also neben der Natur eben auch der lokalen Wirtschaft und des gesellschaftlichen Lebens. In einem Nationalpark, über den im Spessart auch schon mal heftig gerungen wurde, ist das anders. Da steht klar der Schutz der Natur im Vordergrund.

Am leichtesten kann man den Unterschied zwischen einem Biosphärenreservat und einem Nationalpark an zwei Kennziffern deutlich machen. Sie betreffen die Kernzonen, in denen der Naturschutz absoluten Vorrang hat und jeder menschliche Eingriff unterbleibt. In einem Nationalpark umfasst die Kernzone 75 Prozent der Fläche. In einem Biosphärenreservat sind es drei Prozent. Im Spessart ist aber seit jeher die Furcht groß vor Einschränkungen durch den Naturschutz. Fachleute dagegen sind begeistert von den Plänen.

79 Kommunen gibt es im Spessart. Darunter viele kleine, ländliche wie eben die 1700-Einwohner-Ortschaft Rothenbuch, eine Reihe mittlerer wie Lohr am Main mit gut 15 000 Einwohnern und als größte die Stadt Aschaffenburg mit 73 000 Menschen. Die Kommunen sollen alle nach dem Willen von Herzing, Legler, Scherf und Sitter abstimmen, wie sie es mit der Biosphärenregion halten, ob sie beitreten oder außen vor bleiben wollen. Denn die Landräte und der OB wollen der Region und den 390 000 Einwohnern nichts überstülpen, was diese nicht haben wollen. Die Biosphärenregion werde nur dann ein Erfolg, wenn die Kommunen und die Bevölkerung dazu stehen, lautet ihr Leitsatz.

Stand jetzt befürworten 46 Kommunen oder 58 Prozent die Biosphären-Pläne. 17 oder 21 Prozent sind dagegen. Und in 16 Kommunen oder 20 Prozent finden die Abstimmungen erst nach der Weihnachtspause statt. Was die Bevölkerung anbelangt, die die 46 Kommunen repräsentieren, die dem Projekt zustimmen, ist das Ergebnis noch sehr viel deutlicher. Denn in ihnen leben gut 307 000 Menschen. Das entspricht 78 Prozent der Bevölkerung im Spessart. Beobachter wie Steffen Scharrer vom Bund Naturschutz in Miltenberg rechnen damit, dass sich die Zustimmungsquote in den Abstimmungen nach der Weihnachtspause weiter erhöht.

Die Main-Spessarter Landrätin Sabine Sitter (CSU), hier auf einer Podiumsdiskussion im November 2024, ist eine entschiedene Befürworterin eines Biosphärenreservats.
Die Main-Spessarter Landrätin Sabine Sitter (CSU), hier auf einer Podiumsdiskussion im November 2024, ist eine entschiedene Befürworterin eines Biosphärenreservats. (Foto: Heike Lyding/IMAGO/epd)

Für die Landräte und den OB sind schon die bisherigen Voten ein Riesenerfolg. Denn es ist ja nicht so, dass die Debatte über ihre Pläne immer sachlich verläuft. Erst diesen Sommer hatte Wirtschafts- und Jagdminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) bei einem Auftritt im Spessart in derben Worten dagegen polemisiert. Die Biosphärenregion sei eine „Schnapsidee“ von „Ideologen“ und „Mainstream-Medien“, sagte er. Die Initiative nannte er ein „totes Pferd, das man auf keinen Fall weiterreiten“ dürfe, außerdem sprach er von einer Idee von „Städtern“, die „Ökologie spielen“ wollten. Schon früher hatte Aiwanger in seiner Funktion als Aufsichtsratschef der Bayerischen Staatsforsten (BaySF) ausgeschlossen, dass der Freistaat weitere Flächen in eine Biosphärenregion einbringen werde. Viele Wälder im Spessart gehören dem Freistaat und werden von den BaySF bewirtschaftet.

Lokalpolitiker der Freien Wähler sind unglücklich über Aiwangers Äußerungen

Zu dem Abstimmungsmarathon der Spessart-Gemeinden äußert sich Aiwanger nicht. Eine Anfrage der Süddeutschen Zeitung lässt er ohne Antwort. Dabei befürworten auch viele FW-Politiker in Unterfranken die Biosphären-Pläne und treiben sie aktiv voran. Christoph Vogel etwa, Vize-Landrat in Main-Spessart und Stellvertreter der CSU-Landrätin Sitter. Er hat seinen Parteichef schon nach dessen polemischen Attacken im Sommer zur Rede gestellt. Nun sagt Vogel, dass er Aiwanger erneut in den Spessart einladen werde. „Zum Beispiel zu einem Waldbegang. Da können wir dann die Vorteile einer Biosphärenregion für unsere Landkreise besprechen.“

Die Main-Spessarter Landrätin Sitter sieht die bisherigen Abstimmungen der Spessart-Gemeinden nicht nur als Bestätigung, „dass es richtig war, das Thema Biosphärenregion aufzugreifen“. Sondern außerdem als Zustimmung dazu, „wie wir die Idee in die Region getragen haben – nämlich transparent, partizipativ und ergebnisoffen“. Zugleich ist es für sie Ansporn, „den kritischen und ablehnenden Stimmen, die es trotz des großen Zuspruchs aus der kommunalen Familie auch weiterhin gibt, mit faktenbasierter Information und Aufklärung zu begegnen“. Die beiden anderen Landräte und der Aschaffenburger OB dürften das nicht anders sehen.

Und wie geht es nun weiter, wenn Anfang Februar die übrigen 16 Spessart-Gemeinden über die Biosphären-Pläne abgestimmt haben? „Wir werden das endgültige Ergebnis analysieren mit dem Ziel, eine tragfähige Gebietskulisse zu entwickeln, die den Kriterien der Unesco entspricht und in unserer Region Akzeptanz findet“, sagt Landrätin Sitter. Die Unesco ist eine Untergliederung der Vereinten Nationen und deshalb wichtig in der Debatte, weil sie die Standards für die Biosphärenregionen setzt und das Prädikat vergibt. Deshalb muss so eine Gebietskulisse sehr sorgfältig erarbeitet werden. Und das, so sagt Sitter, „wird seine Zeit dauern“.

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