Man tritt dem bayerischen Vize-Ministerpräsidenten und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger gewiss nicht zu nahe, wenn man ihm ein ausgesprochen gesundes Selbstbewusstsein attestiert. Und zwar gerade was seine Person anbelangt. So auch in der Auseinandersetzung um seinen Auftritt im Spessart, bei dem er heftige Kritik an den Plänen für ein Biosphärenreservat geübt hat. Zwar ist der Auftritt inzwischen zwei Wochen her. Aber im Spessart erregt er nach wie vor die Gemüter. In einem offenen Brief bekräftigt Aiwanger jetzt seine Kritik an dem Vorhaben.
Das Biosphärenreservat Spessart ist eine Idee der Landrätin Sabine Sitter (Main-Spessart, CSU), ihrer Kollegen Alexander Legler (Landkreis Aschaffenburg, CSU), Jens Marco Scherf (Landkreis Miltenberg, Grüne) und des Aschaffenburger SPD-OBs Jürgen Herzing. Nach ihrer Vorstellung soll der Spessart durch das Biosphärenreservat eine Modellregion für nachhaltiges Leben und Wirtschaften im Einklang mit der Natur werden. Anders als in einem Nationalpark geht es in einem Biosphärenreservat auch um wirtschaftliche und gesellschaftliche Aspekte, durch Vermarktung regionaler Produkte etwa und Förderung von nachhaltigem Tourismus.
Die Pläne werden von vielen Kommunalpolitikern, Naturschützern und Vertretern von Verbänden und Organisationen in der Region sowie großen Teilen der Bevölkerung unterstützt. Es gibt freilich auch Kritiker, die wollen, dass im Spessart alles so bleibt, wie es ist. Das Projekt läuft bereits seit einigen Jahren, derzeit finden die Abstimmungen in den Gemeinderäten der fast 80 Spessart-Gemeinden statt, ob sie sich an dem Projekt beteiligen wollen.
Aiwanger ist gegen das Biosphärenreservat. Und natürlich hat er bei seinem Auftritt im Spessart daraus keinen Hehl gemacht. Im Gegenteil. Laut Presseberichten nannte er die Pläne eine „Schnapsidee“ von „Ideologen“ und „Mainstream-Medien“, die Initiative wiederum erklärte er zu einem „toten Pferd, das man auf keinen Fall weiterreiten dürfe“, er sprach er von „Dummheit“, „Naivität“ und dergleichen mehr. Als die Nachricht von dem Auftritt die Runde machte, herrschte sofort helle Empörung im Spessart. Und die drei Landräte und der Aschaffenburger OB schrieben unverzüglich einen offenen Brief an den Vize-Ministerpräsidenten, in dem sie dessen Wortwahl „unsäglich“, „daneben“ und „unverschämt“ nannten.
In seiner Antwort bekräftigt Aiwanger nun seine Kritik. Als „zuständiger Minister“ für die Staatswälder sei er verantwortlich dafür, „Fehlentwicklungen“ in ihnen zu verhindern. Deshalb müssten „Sie (die Landräte und der OB, Anm. d.Red.) im Rahmen des von ihnen geforderten demokratischen Prozesses auch mir (. . .) das Recht einräumen, mich an dem Meinungsprozess zu beteiligen“. Aiwanger weist auch auf einen Landtagsbeschluss hin, nach dem keine Staatswälder mehr für Schutzgebiete stillgelegt werden sollen, er betont die wichtige Rolle nachhaltig bewirtschafteter Wälder für den Kampf gegen den Klimawandel und die Versorgung „unserer Gesellschaft mit dem wertvollen Rohstoff Holz“ und anderes mehr – über sechseinhalb Seiten hinweg.
Einzig auf die Vorhaltungen der Landräte und des OBs wegen seines Tonfalls und der Wortwahl geht der stellvertretende Ministerpräsident und Freie-Wähler-Chef nicht ein. Dabei war es gerade das, was die Lokalpolitiker und viele Spessarter so gegen Aiwanger aufgebracht hat.