Süddeutsche Zeitung

Kleiner Parteitag der Bayern-SPD:Ein klares Jein zu Natascha Kohnen

  • Landeschefin Natascha Kohnen übte beim kleinen Parteitag der SPD in Günzburg Selbstkritik. Gleichzeitig verteidigte sie aber ihren Wahlkampf.
  • Mancher Sozialdemokrat fragt sich deshalb: "Haben wir jetzt die Wahlen gewonnen oder war ich auf der falschen Veranstaltung?".
  • Andere können dagegen keine gravierenden Fehler bei der Bayern-SPD erkennen.

Von Lisa Schnell

Nach dem kleinen Parteitag der SPD am Wochenende nahm SPD-Landeschefin Natascha Kohnen einen zwölf Jahre alten Whiskey mit nach Hause, ein Geschenk ihrer Parteifreunde zu ihrem Geburtstag. Nur: Was nahmen die knapp 90 Delegierten mit nach Hause? Auch Kohnen hatte für ihre Partei so etwas wie ein Geschenk dabei. Zum ersten Mal seit dem Absturz der SPD auf nur noch 9,7 Prozent bei der Landtagswahl erläuterte sie ausführlich, was schiefgelaufen ist und wie sie die SPD wieder aus ihrem Tief holen will.

Selbstkritik war dabei. "Ich als Spitzenkandidatin habe es nicht geschafft", sagte Kohnen. Aber auch eine Verteidigung ihres Wahlkampfs. Die Themen seien richtig gewesen, "Anstand" und "Haltung" zu plakatieren auch, genau wie ihre Haltung in der Migrationspolitik. Als größtes Problem definierte sie den Vertrauensverlust der Menschen in die SPD, der allerdings nicht erst in den vergangenen Monaten, als sie Wahlkampf machte, sondern in den letzten Jahren seine Ursache habe. Vier Vorschläge hatte sie für die Zukunft: Die große Koalition in Berlin müsse beendet werden, wenn zentrale Projekte der SPD wie der Mietenstopp von der Union blockiert werden. Die SPD müsse dem "neoliberalen Irrsinn" stärker etwas entgegensetzen und eine sozialdemokratische Umweltpolitik erarbeiten. Zudem will Kohnen den jungen Leuten in der Partei mehr Verantwortung geben.

Es war so etwas wie ihre erste Bewerbungsrede, um im Januar bei einem vorgezogenen Parteitag wieder als Landeschefin gewählt zu werden. Während sie am Abend also ihren Whiskey probierte, verdauten die Sozialdemokraten ihre Worte, viele mit Wohlbehagen, einige aber auch mit Bauchgrummeln.

Jonas Merzbacher gehört eher zur letzten Kategorie. Der Bürgermeister aus dem oberfränkischen Gundelsheim reiste zum Parteitag an und war "überrascht darüber, dass es da null Selbstkritik gibt". Persönlich schätze er Kohnen sehr, aber er frage sich schon: "Haben wir jetzt die Wahlen gewonnen oder war ich auf der falschen Veranstaltung?" Sicher habe es aus Berlin viel Gegenwind gegeben, man müsse aber auch "vor der eigenen Türe kehren". Er frage sich etwa, wo Generalsekretär Uli Grötsch eigentlich während des Wahlkampfs war. Bei ihm in Oberfranken zumindest nicht allzu oft. Und auch Kohnen hätte er gerne öfter gesehen. Die habe aber "reihenweise Termine sausen lassen, weil sie wohl immer zu Hause übernachten wollte". So etwas ginge eben nicht im Wahlkampf.

Für ihn muss es definitiv personelle Konsequenzen im Vorstand geben. "Wir brauchen einen starken Generalsekretär, der auch ein Stratege ist", sagt Merzbacher. Und auch Kohnen ist für ihn nicht gesetzt. Das Argument, es gebe keine Alternative, will er nicht gelten lassen: "Da muss man sich auf die Suche machen." Eine Antwort auf die wirklich drängenden Probleme der SPD habe er in der Rede Kohnens nicht gefunden. "Wir sind eine Funktionärspartei geworden nach dem Motto: Ich kümmere mich nur noch um die Partei, nicht mehr um die Außenwelt", sagt er.

Merzbacher plädiert dafür, bei der Besetzung von Ämtern und Mandaten nicht auf den Regionalproporz und innerparteiliche Befindlichkeiten zu achten, sondern auf Leistung. Es brauche zudem ein Konzept, wie die SPD in der Fläche noch erkennbar sein kann, jetzt, da sie sich ihre Geschäftsstellen auf dem Land nicht mehr leisten könne. Kohnen empfiehlt er, mal unangekündigt in die Ortsvereine zu gehen und dort einfach mal zuzuhören.

In Freudenberg in der Oberpfalz würde sie da nur Positives hören. Ortsvereinsvorsitzender Andreas Koch kann im Wahlkampf der Bayern-SPD keine gravierenden Fehler finden. "Das sind Probleme der Bundes-SPD, die wir ausbaden mussten", sagt er. Kohnens Vorschlag, sich klarer gegen den Markt und für einen starken Staat einzusetzen, stimmt er zu. Schließlich habe die Bevölkerung der SPD die Agenda 2010 ziemlich übel genommen. Natürlich trage auch Kohnen als Spitzenkandidatin eine Mitschuld, nur: "Wenn man jeden für schuldig erklärt, sind am Ende alle weg." Immer nur die Vorsitzenden wechseln, das bringe gar nichts.

Gegen einen Wechsel an der Parteispitze im Bund dürfte zumindest Gerhard Jauernig wenig einzuwenden haben. Der Oberbürgermeister von Günzburg eröffnete den Parteitag am Wochenende und machte in seiner Rede mehr als klar, dass die Schuldigen für ihn vor allem in Berlin sitzen. Er denkt da an die Causa Maaßen oder an den Diesel-Deal. Der sei nichts anderes als "Beschiss" und nicht der Erfolg, als den ihn die Bundes-SPD gefeiert habe. Auch Thomas Jung, Oberbürgermeister von Fürth, sieht in der großen Koalition in Berlin das Hauptproblem der SPD in Bayern. Lange war er ein Verfechter des Mitregierens, jetzt sagt er: "Ich sehe in der großen Koalition keinen Sinn mehr." Kohnen, die auch stellvertretende Bundesvorsitzende ist, müsse das nun klar in Berlin kommunizieren. Zu ihrem Vorschlag, eine sozialdemokratische Umweltpolitik zu entwickeln, gibt er zu bedenken: "Indem man grüner wird als die Grünen, gewinnt man nichts."

SPD-Mitglied Sonja Hofmeister wünscht sich, dass Kohnen ihre Haltung in der Migrationspolitik überdenkt. Sie tat sich schwer, Kohnens Position zu Asylfragen in Niederbayern zu vertreten. Auch bei der SPD gebe es Menschen, die mit Zuwanderung Risiken verbinden. "Diese Sorgen wurden im Wahlkampf totgeschwiegen", sagt sie. Ob Kohnen weiter an der Spitze der SPD stehen soll? Das komme darauf an, ob es jemand besser könne. Gute Leute würden derzeit zumindest nicht zur SPD gehen. "Die Partei hat ein Imageproblem. Da will niemand hin."

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SZ vom 30.10.2018/baso
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