Süddeutsche Zeitung

Winterklausur der SPD:"Der nächste Kanzler werde ich sein"

Ein selbstbewusster Finanzminister spricht seinen Parteigenossen im Freistaat per Liveschaltung Mut zu. Doch ist die Geschlossenheit zwischen Bundes- und Bayern-SPD wirklich so groß, wie Olaf Scholz behauptet?

Von Andreas Glas

Donnerstag, 13.30 Uhr. Blick nach oben, zur mit rotem Teppich belegten Treppe, die vom zweiten Stock des Maximilianeums hinabführt in die Friedrich-Bürklein-Halle. Gleich müsste Horst Arnold kommen, der Fraktionschef der Landtags-SPD. Er kommt auch, aber nicht über die Treppe. Arnold nimmt den Seiteneingang. Kein roter Teppich also. Aber für den Glitzer ist Arnold ja auch gar nicht zuständig an diesem Donnerstag im bayerischen Landtag.

"Ich freue mich sehr", sagt Arnold, als er seinen Gast begrüßt: Olaf Scholz, Bundesfinanzminister. Pandemiebedingt ist Scholz nur zugeschaltet. Er schaut freundlich aus dem Flachbildschirm neben Arnolds Rednerpult. "Bitte, lieber Olaf", sagt Arnold und übergibt das Wort. "Schönen Dank", sagt Scholz.

In den Augen vieler Beobachter ist Olaf Scholz ja der Last Man Standing der SPD. Der Einzige, dem die Partei noch zutraut, bei der Bundestagswahl im Herbst ein einigermaßen ansehnliches Ergebnis zu holen. So betrachtet ist es ein schlauer Kniff der Landtags-SPD, den Kanzlerkandidaten der Partei zur ihrer Winterklausur einzuladen. In den neuesten Umfragen ist die SPD in Bayern ja noch weiter abgesackt, sieben Prozent. Anders Scholz, den laut ZDF-Politbarometer 45 Prozent der Befragten in Deutschland für kanzlertauglich halten. Ein astronomisch hoher Wert für SPD-Verhältnisse im Januar 2021. Das Kalkül ist damit klar an diesem Donnerstag, bei der Fraktionsklausur im Landtag: Der letzte stehende Mann der Partei soll der SPD in Bayern ein bisschen auf die Füße helfen - und eben etwas Glitzer über die Landtagsfraktion streuen.

Scholz streut direkt los. Listet die ungefähren Summen auf, die 2020 aus seinem Ministerium nach Bayern geflossen seien. Zwei Milliarden Euro Soforthilfe und 500 Millionen Euro Überbrückungshilfe für mehr als 32 000 Unternehmen. 500 Millionen Euro für Gastronomen und Hotels. Etwa eine Milliarde, um Gewerbesteuerausfälle der Kommunen zu kompensieren. 8,3 Milliarden Euro an KfW-Krediten für rund 16 000 Unternehmen in Bayern. Dazu Kurzarbeitergeld für 1,1 Millionen Beschäftigte.

"Da fließt richtig Geld", sagt Scholz. Dann fragt ein Reporter ganz direkt: Wie könne Scholz der SPD in Bayern helfen, damit sie auf die Füße kommt? "Durch eine ganz klare Orientierung als geschlossene Partei", sagt Scholz. "Da hatten wir Probleme in den letzten Jahren." Diese Probleme seien nun gelöst, "die SPD ist überall in Deutschland untergehakt". Nun gehe es drum, gemeinsam "einen Plan für die Zukunft Deutschlands zu präsentieren".

Jetzt ist Horst Arnold dran. Und macht deutlich, dass die SPD-Fraktion den Lockdown, der in Bayern wie im Rest der Republik verlängert wurde, im Grundsatz mitträgt - jedoch nicht in allen Einzelheiten. Die Staatsregierung müsse einen Plan machen, "wie man unter Einhaltung der Hygienevorschriften Möglichkeiten schafft, schnellstmöglich auch wieder die Kultureinrichtungen zu öffnen", sagt Arnold. Und er wiederholt noch einmal die Kritik seiner Fraktion an der 15-Kilometer-Radiusregel, wonach sich die Bewohner in Gegenden mit hohen Infektionszahlen bei Ausflügen nur noch in den 15 Kilometern rund um ihren Wohnort bewegen dürfen. Bereits am Dienstag, beim Auftakt der Klausur, hatte die SPD-Fraktion angekündigt, gegen die Regel zu klagen.

Die Fraktion fordert mehr Geld für die Kommunen. Da hält sich der Finanzminister zurück

Zuletzt hatte die SPD-Fraktion ja immer wieder bestimmte Anti-Corona-Maßnahmen in Bayern kritisiert. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat dann gern gekontert, dass er sich über die SPD in Bayern wundere, die sich über Maßnahmen beschwere, die die SPD im Bund und in anderen Ländern mittrage. Ist die Geschlossenheit zwischen der Bundes-SPD und der Bayern-SPD vielleicht doch nicht so groß, wie Scholz behauptet? "Die Frage ist ja nicht, ob man in allen Punkten einer Meinung ist", sagt Scholz, sondern ob man in der Pandemie "zum gemeinsamen Handeln bereit ist". Arnold formuliert es so: Das sei "kein Dissens, das sind unterschiedliche Ansichten". Außerdem könnten Maßnahmen, die in einem Flächenland wie Bayern sinnlos seien, in einem Stadtstaat sinnvoll sein.

Was die SPD-Fraktion auf ihrer Klausur noch fordert, unter anderem: Dass die Kommunen, wie im vergangenen Jahr, auch 2021 einen Gewerbesteuerausgleich kriegen sollen. Und: Dass die Kommunen 100 Euro pro Einwohner bekommen, um die Herausforderungen als Träger von Kitas und Schulen, bei den Gesundheitsämtern oder der Digitalisierung trotz der finanziellen Belastungen in der Krise stemmen zu können. Was sagt Scholz dazu, als Finanzminister? Auf Nachfrage hält er sich bedeckt, jedenfalls beim Gewerbesteuerausgleich. Und die 100-Euro-Forderung sei ja keine Forderung an ihn, sondern an Bayerns Staatsregierung, sagt Scholz.

Am Ende kommt noch die Frage, mit der er in Bayern rechnen musste: Ob Söder ein harter Brocken wäre, sollte er Kanzlerkandidat der Union werden? "Ich nehme es, wie es kommt", sagt Scholz, mal wieder. Und, selbstbewusst: "Der nächste Kanzler werde ich sein."

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SZ vom 22.01.2021/kafe
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