Wenn es um die Politik der Ampel ging, witterte CSU-Chef Markus Söder ständig eine vermeintliche Benachteiligung Bayerns, er sprach sogar von „Bayern-Bashing“. Kein Wunder, fügte der Ministerpräsident gern hinzu, wo doch diese Bundesregierung eine bayernfreie Zone sei, kein einziges Ministeramt von Rot, Grün und lange Zeit Gelb werde von einer Politikerin oder einem Politiker aus dem Freistaat bekleidet. Zumindest dieser Teil von Söders Lamento stimmte tatsächlich – Ausnahme war zwar auf den raschen Blick die Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne), das Amt besaß und besitzt aber nicht den vollen Kabinettsrang einer Ministerin.
Insofern ändern sich jetzt mit Antritt der neuen Bundesregierung die Zeiten; alleine schon durch die CSU ist ein stattlicher weiß-blauer Block gewährleistet, Söders Partei besetzt drei Ressorts: mit Alexander Dobrindt (Innen), Dorothee Bär (Forschung) und Alois Rainer (Landwirtschaft). Und die SPD? Am Montag hat der designierte Vize-Kanzler Lars Klingbeil seine Truppe präsentiert. Keine Ministerin, kein Minister der SPD wird aus Bayern kommen. Wieder mal. Nicht mal ernsthaft für Ämter gehandelt wurden bayerische Sozialdemokraten in den vergangenen Wochen in den gängigen medialen Blasen.
Ist die Bayern-SPD nicht ministrabel? Der Eindruck drängt sich ja schon länger auf, etwa wegen der traditionell begrenzten Strahlkraft der SPD-Landesgruppe im Bundestag. Die letzten SPD-Bundesminister saßen im Kabinett von Kanzler Gerhard Schröder, und zwar Renate Schmidt sowie Otto Schily (der zwar gebürtiger Bochumer ist, aber im Landkreis München lebte). Und davor muss man schon weit zurückgehen in der Zeitgeschichte: zu Hans-Jochen Vogel in den Kabinetten von Helmut Schmidt und Willy Brandt.
Frage also an Ronja Endres, die SPD-Landeschefin: Was ist da los? Natürlich habe man sich ein Ministeramt für einen Genossen oder eine Genossin aus Bayern „gewünscht“, sagte Endres am Montag der SZ am Telefon. Sie habe sich auch dafür eingesetzt, qualifizierte Leute hätte der Landesverband gehabt. Am Ende sei das im Gesamttableau anders gekommen, „das lag aber nicht an den Personen“. Sie sei dennoch „stolz wie Oskar“ – nicht Lafontaine, sondern der Sprichwörtliche. Wegen der insgesamt vier bayerischen parlamentarischen Staatssekretäre im SPD-Teil der Regierung, ein Posten mehr als zu Ampel-Zeiten, und das „an zentrale Stellen“.
Michael Schrodi, Wahlkreis Dachau und Fürstenfeldbruck, wird Staatssekretär im Finanzministerium – und wird bei all den geplanten Investitionen quasi mit auf der Kasse sitzen. Carsten Träger aus Fürth, Spitzenkandidat der bayerischen SPD bei der Bundestagswahl, wird Staatssekretär im Umweltministerium. Bärbel Kofler aus dem Berchtesgadener Land bleibt auf ihrem Posten im Entwicklungsressort, Anette Kramme (Wahlkreis Bayreuth), bisher Staatssekretärin im Sozialministerium, wechselt ins Justizressort.
Die bayerische SPD soll im Bund „salonfähiger“ werden
Aber eben: kein Ministeramt für die bayerische SPD. Natürlich bedeuteten bessere Ergebnisse bei Wahlen auch mehr Chancen, bundesweit „salonfähiger“ zu werden, sagt Endres. Die bayerische SPD habe sich dafür auf den Weg gemacht, auch durch die von ihr angestoßenen Prozesse für eine „Mitmachpartei“ und den unbedingten Fokus auf „die Lebensrealität der Menschen, die jeden Tag aufstehen.“ Tatsächlich konnte die SPD in Bayern bei der Bundestagswahl nur 11,5 Prozent der Zweitstimmen zum ohnehin mageren Ergebnis der Gesamtpartei beitragen.
Erklärbar ist das Kabinett ohne bayerische SPD-Minister auch anderweitig. Regionaler Proporz hat bei Klingbeils Kabinettsliste offenbar keine sonderliche Rolle gespielt. Die SPD in Baden-Württemberg, die ähnlich wie die in Bayern (rund 50 000 Mitglieder) zur Gruppe der eher stärkeren Landesverbände zählt, ging bei den Ministerposten ebenfalls leer aus. Dazu kommt, dass es im Freistaat – anders als in anderen Bundesländern – keinen Pool an Landespolitikern mit Regierungserfahrung gibt. Letztmals saß die SPD von 1954 bis 1957 in der bayerischen Staatsregierung.