Süddeutsche Zeitung

Kohnen hört auf:Nun ist offiziell, was längst klar war

Drei Jahre lang führte Natascha Kohnen die Bayern-SPD, am Wochenende kündigte sie ihren Rückzug von dem Spitzenposten an. Aus der Öffentlichkeit ist sie freilich schon lange verschwunden.

Kommentar von Lisa Schnell

Natascha Kohnen geht und man fragt sich: War sie je da? Über drei Jahre führte sie die Bayern-SPD, bemerkt hat man davon wenig. Kohnen war schon lange vor ihrem Rückzug dieses Wochenende verschwunden, zumindest für Menschen, die ihre Freizeit nicht überwiegend in sozialdemokratischen Arbeitskreisen verbringen. Sie macht nur offiziell, was schon klar war: Kohnens Zeit als Landesvorsitzende ist vorbei.

Unter Kohnen stürzte die Bayern-SPD so weit ab, dass man sich manchmal Sorgen machen musste, ob sie es bei der nächsten Wahl überhaupt noch in den Landtag schafft. Das ist nicht allein Kohnens Schuld, die Sozialdemokratie ist europaweit von einem Negativtrend erfasst, den eine Person in Bayern nicht aufhalten kann. Und es spricht einiges dafür, SPD-Landesvorsitzenden alleine deshalb die Tapferkeitsmedaille zu verleihen, weil sie das Amt annehmen. Gerade in Bayern. Manches aber darf man auch in katastrophalen Zeiten von einer Vorsitzenden verlangen: Dass sie präsent ist, dass sie neue Ideen entwickelt und dass sie führt. Das hat Kohnen nicht geschafft.

Sie kündigte einiges an, eine "neue Erzählung der Sozialdemokratie" etwa oder einen "Linksruck". Konkrete Vorstöße aber gab es dazu kaum. Anstatt politische Inhalte zu liefern, konzentrierte sich Kohnen auf organisatorische Umstrukturierungen innerhalb der Partei. Anstatt zu führen, moderierte sie vor allem. Und ließ die wenigen Chancen, die sich der SPD boten, vorbeiziehen. Ihr Amt als Bundes-Vize, eine Seltenheit für die Bayern-SPD, nutzte sie nicht zur Profilierung. Als Markus Söder bei der Landtagswahl liberale Konservative durch rechtspopulistische Rhetorik abschreckte, bot sie ihnen keine Heimat. Kohnens Außenwirkung ging Richtung Null, ihre Vorstöße innerhalb der Partei blieben größtenteils folgenlos. Unter ihr wurde der Vorstand jünger und weiblicher, und sie förderte die Jüngeren. Das ist ein Verdienst, aber eben nur ein kleiner.

Wer auch immer nach Kohnen kommt, man wünscht der Partei, dass die neue Spitze wieder eines ist: wahrnehmbar.

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SZ vom 16.11.2020/kbl
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