Bayern-SPD:Zwei Wörter zu viel

Auftakt Klausurtagung der SPD-Landtagsfraktion

Natascha Kohnen ist seit Mai 2017 Landesvorsitzende der bayerischen SPD, im Januar 2019 wurde sie mit 79,3 Prozent der Stimmen in ihrem Amt bestätigt.

(Foto: Lino Mirgeler/dpa)
  • Auf einer Terminübersicht der bayerischen SPD ist für Ende April ein Landesparteitag aufgeführt und daneben steht: "mit Neuwahlen".
  • Neuwahlen sind eigentlich erst für das kommende Jahr geplant - darum wurde spekuliert, ob Landeschefin Kohnen zurücktreten will.
  • Die Geschäftsstelle stellte die Formulierung später richtig. Es habe sich um einen "Lapsus" gehandelt.

Von Lisa Schnell

Es sind nur zwei Wörter. Der Platz, den sie auf einem Stück Papier einnehmen, ist klein. Die Aufregung aber, in die sie die Bayern-SPD gestürzt haben, könnte größer kaum sein. Auf einer Terminübersicht, die aus der Parteizentrale der Bayern-SPD am Münchner Oberanger stammt, ist für Ende April ein Landesparteitag aufgeführt und daneben steht: "mit Neuwahlen". Neuwahlen? Die sind eigentlich erst 2021 geplant. Tritt Landeschefin Natascha Kohnen etwa ab?

Mit dieser Frage versehen, machte das Papier - verteilt in einer eher unspektakulären Unterbezirksvorstandssitzung - in der Partei sofort die Runde. Schon das ist bemerkenswert. Wäre die SPD nicht niedergedrückt von den Umfragen, wäre wenigstens eine der letzten Wahlen nur eine halbe und keine Vollkatastrophe gewesen und die Unzufriedenheit nicht so groß, auch mit der eigenen Landeschefin - kurz: Wäre die SPD nicht die SPD, dann hätten diese zwei Wörter wohl kaum jemanden interessiert. Ein einfacher Copy-Paste-Fehler, nicht der Rede wert, so hätten das wohl alle gesehen. Nicht nur die Parteizentrale, die am Donnerstag sofort alle Gerüchte dementiert, genau wie Kohnen, die Neuwahlen ausschließt. Da die SPD aber nun mal die SPD ist, stießen diese zwei Wörter ein Gerüchtekarussell an, bei dem einem schwindelig werden kann. Es geht nicht um einen Fehler auf einem Zettel, es geht um das, was er auslösen kann, in einer Partei, die kurz vor den Kommunalwahlen um ihre Existenz kämpft.

Neuwahlen also. Neuwahlen, das hieße, dass Landeschefin Natascha Kohnen ihren Rücktritt vorbereitet. So lautet die Theorie, die in der Partei die Runde macht, und zwar nicht erst, seitdem dieses Stück Papier verteilt wurde. Die Indizien dafür lauten wie folgt: Seit dem desaströsen Ergebnis von 9,7 Prozent bei den Landtagswahlen ist Kohnen angeschlagen. Sie schaffte es noch, wiedergewählt zu werden, und zwar mit immerhin fast 80 Prozent. Sie hielt eine Rede, in der ein Wort besonders oft vorkam: "radikal". Danach aber folgte aus Sicht ihrer Kritiker wenig Radikales, außer vielleicht radikale Stille. In der Landtagsfraktion fällt Kohnen nicht weiter auf, als Landeschefin auch nicht.

Selbst unter denen, die Kohnen lange wohlgesonnen waren, wünschen sich viele mehr Präsenz, in den Medien, aber auch vor Ort. Dazu kamen die Europawahlen, die noch schlechter ausfielen als die Landtagswahlen, und schließlich der jüngste Bayern-Trend des BR, in dem die SPD nur noch auf sieben Prozent kam. Auch Kohnens Rückzug von der Bundesebene als stellvertretende Bundesvorsitzende stieß zumindest auf Unverständnis. Vor allem, weil Kohnen ging, bevor überhaupt klar war, wer an der Parteispitze stehen würde. Die Genossen in Bayern hatten sich schon lange mehr Einfluss im Bund gewünscht, doch Kohnen gab einfach auf. Der Frust, der sich in der Partei angestaut hat, ist also groß. Winzig klein könnte dagegen das Ergebnis der SPD bei der Kommunalwahl am 15. März aussehen.

Kohnen ahne wohl, dass sie sich dann nicht mehr halten könne. Sie wolle ihren Abgang wenigstens noch selbst bestimmen. So lautet die Theorie, in der Uli Grötsch, Bundestagsabgeordneter und Generalsekretär in Bayern, als von Kohnen gewünschter Nachfolger angesehen wird. Mit Johanna Uekermann, derzeit stellvertretende Landeschefin und im Bundesvorstand, solle er dann eine Doppelspitze bilden, die Kohnens Erbe hochhalte. Für Grötschs Ambitionen sprechen nicht nur die Telefonate, von denen einige meinen, dass er sie jetzt schon führe, sondern auch die nächste Bundestagswahl.

Mehr als einen Abgeordneten werde die SPD aus der Oberpfalz da wohl nicht mehr stellen, und derzeit stünde Marianne Schieder als Landesgruppenchefin in Berlin an erster Stelle. Ein Landeschef Grötsch allerdings könnte sie vom ersten Platz verdrängen. Ein weiterer Hinweis, den die Anhänger der Neuwahlen-Theorie sehen: Warum muss der Parteitag so früh nach den Kommunalwahlen am 25. und 26. April stattfinden? Die Antragsfrist dafür endet zwei Tage vor der Kommunalwahl, danach stehen Stichwahlen an, die SPD ist also noch voll im Wahlkampf. Ein Überrumpelungsversuch, so munkeln die Neuwahl-Theoretiker.

Verschwörungstheoretiker, das würden andere in der Partei wohl eher sagen. Landeschefin Kohnen sagt erst einmal gar nichts und lacht nur: Neuwahlen? Die hätten sie doch gerade erst gehabt. "Ich bin gewählt bis 2021. Die Mitglieder haben eine Erwartung und Verantwortung in mich gelegt, und der muss ich nachkommen. Der will ich auch nachkommen." Also keine Neuwahlen, kein Rückzug? "Die Diskussion führt doch kein Mensch", sagt Kohnen. Dass der Parteitag so knapp nach den Wahlen terminiert sei, liege an den Brückentagen im Mai und an ihren Plänen für die Bayern-SPD: "Wir wollen nach der Kommunalwahl direkt starten mit Blick auf Land und Bund. Damit sich die Bayern-SPD aufbauen kann." Die Sache mit dem Zettel sei wirklich nicht mehr als ein "Lapsus" gewesen, heißt es aus der Geschäftsstelle. Nicht bemerkenswert. Die Aufregung, die in der SPD entstanden ist, kann dagegen durchaus bemerkenswert genannt werden. Damit sie sich nicht noch weiter aufschaukelt, hat die Geschäftsstelle eine Richtigstellung verschickt.

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