Parteitag in Augsburg:SPD spottet über den "derzeit noch amtierenden Ministerpräsidenten"

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Grund zum Jubeln? Ronja Endres und Florian von Brunn verströmen beim SPD-Parteitag Zuversicht - trotz der mauen Umfragewerte.
Grund zum Jubeln? Ronja Endres und Florian von Brunn verströmen beim SPD-Parteitag Zuversicht - trotz der mauen Umfragewerte. (Foto: Stefan Puchner/dpa)

Trotz konstant dürftiger Umfragewerte beschließt die SPD beim Parteitag ein Regierungsprogramm, Spitzenkandidat Florian von Brunn wirft Markus Söder und der CSU Versagen vor. Grenzenlos ist der Optimismus aber dann doch nicht.

Von Johann Osel, Augsburg

Die bayerische SPD hat am Wochenende ihre Vorsitzenden Florian von Brunn und Ronja Endres im Amt bestätigt. Gut fünf Monate vor der Landtagswahl wählte ein Parteitag in Augsburg das Duo erneut an die Spitze. Brunn erhielt 86 Prozent der Stimmen, Endres 89. Ein Zeichen der Geschlossenheit in der traditionell streitlustigen Bayern-SPD - ein überwältigendes Ergebnis ist das, im Wahljahr und ohne Gegenkandidaten, allerdings auch nicht gerade. Die beiden hatten bei ihrem Antritt 2021 den Genossinnen und Genossen ein "Ende des Leisetreterei" und eine "Trendwende" versprochen - "15 Prozent plus X" bei der Landtagswahl. Mehr Lautstärke hat die Führung in den zwei Jahren eingelöst, vor allem durch Brunns selbstbewusste Auftritte mit dem Ruf eines Wadenbeißers. Von Trendwende jedoch noch keine Spur. In Umfragen dieses Jahr erreichte die SPD bisher zwischen neun und elf Prozent. Auf 9,7 Prozent war die Partei 2018 bei der Landtagswahl gekommen, ein historischer Tiefstand.

Ungeachtet der dürftigen Ausgangslage propagierte Spitzenkandidat Brunn den Regierungsanspruch. Auch wenn das mitunter wirkte, als stellte 1860 München den zeitnahen Gewinn der deutschen Fußball-Meisterschaft in Aussicht. So stand bis zum Sonntagnachmittag der Beschluss eines "Regierungsprogramms" an. Markus Söder sei der "derzeit noch amtierende Ministerpräsident", sagte Brunn in seiner Rede, die SPD wolle Verantwortung übernehmen - und wenn sie dies tue, werde sie "ihr gerecht, das unterscheidet uns von den anderen". Die Menschen müssten sich ein Leben in Bayern leisten können, etwa bei Wohnen, Energie und Mobilität. Nötig sei ein "neues Bayern-Tempo", so wie die Ampel in Berlin Brunns Ansicht nach die Themen anpacke. Beinahe in jeder Rede am Samstag fiel demonstrativ der Slogan: "Machen statt Södern."

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Beispiel Wohnen: "Die CSU schert sich nicht um Mieterinnen und Mieter", sagte Brunn, die Staatsregierung habe beim Wohnungsbau versagt. Die 2018 gegründete staatliche Gesellschaft Bayernheim werde bis Ende des Jahres nur 89 Wohnungen gebaut haben, anstelle von 10 000 wie von Söder damals versprochen. Um das Scheitern hier zu erkennen, so Brunn, müsse man "kein Mathe-Genie" sein. Für einen beschleunigten Bau von Wohnungen müsse das Feld den Kommunen überlassen werden und der Freistaat diesen preisgünstig Flächen verkaufen - "die können das". Zudem brauche es unter anderem Flexibilität im Baurecht und Kampf gegen Spekulation mit Grundstücken.

Oder Thema Energie: "Ihr merkt, warum die nach der Atomkraft schreien. Weil sie den Karren an die Wand gefahren haben", rief Brunn den Delegierten zu. Über Söders jüngste Ankündigung eines Windrad-Ausbaus mit einer landeseigenen Gesellschaft namens "Bayernwind" spottete der SPD-Kandidat: "Klingt wie Bayernheim, da ist ja der Erfolg sicher schon vorprogrammiert." Laut Brunn ist es Söders "Masche, seiner Verantwortung nicht gerecht werden, seinen Job nicht machen und dann einfach neue Versprechungen machen."

Manche Genossen setzen Anführungszeichen in die Luft, wenn sie vom Regierungsprogramm sprechen

Starker Applaus für Florian von Brunn, mehrere Minuten stehende Ovationen. Dass sich die Genossen trotz wolkiger Aussichten nicht beirren lassen wollen, stellte auch Co-Landeschefin Ronja Endres klar: Wenn man die Bundestagswahl ansehe, also den Erfolg von Olaf Scholz, seien es "die letzten drei Monate, die entscheiden". Das Programm heiße Regierungsprogramm, "weil es als Grundlage dienen wird für Koalitionsgespräche. Wir wollen regieren."

Details, wie sie sich das konkret vorstellt, nannte Endres nicht. Die CSU will und kann laut den Umfragen mit den Freien Wählern bequem weiterregieren. Kein Wunder, dass man in der Augsburger Halle am Rande auch Genossen erleben konnte, die Anführungszeichen in der Luft setzen, wenn sie vom Regierungsprogramm sprechen; manchen scheint die Pflicht zum überbordenden Optimismus fast ein bisschen peinlich zu sein.

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Die Zeit als Vorsitzende seien "die besten zwei Jahre meines Lebens" gewesen, sagte Endres und betonte ihre Rolle in der Innenwirkung der Partei. Sie habe fast 100 Ortsvereine besucht. In den zwei Jahren wirkte es oft, als stehe Endres im Schatten ihres Tandem-Partners, der auch die Fraktion im Landtag führt. Diesem Eindruck widersprach Brunn vor dem Parteitag in einem Pressegespräch in München. Endres liefere starke Meinungsbeiträge, sei Bindeglied zu den Gewerkschaften und "wahnsinnig beliebt" in der SPD. Sie war zuletzt aber bei der Aufstellung für den Landtag an ihrer Basis in der Oberpfalz gescheitert.

Am Sonntag war Bundesarbeitsminister Hubertus Heil zu Gast. Auch der Rest der Republik, sagte er, brauche ein starkes Bayern und da müsse man "historisch korrekt" sein: Durchaus habe die CSU ihren Anteil daran, dass der Freistaat vom Agrar- zum Industrieland wurde, Franz Josef Strauß habe, "bei aller Abneigung", strukturpolitisch viel geleistet. Jetzt allerdings dürfe Bayern sich nicht darauf ausruhen und die Zukunft verspielen. Die Blockade jedes Windrads und von Stromtrassen räche sich. Aufgabe der SPD sei es, "denen Feuer unterm Hintern zu machen, die das verpennt haben", sagte Heil: "Der Unterschied zwischen uns und den Schwarzen ist: Wir reden nicht nur, wir handeln." In der früheren Bundesregierung aus Union und SPD habe es den Gag gegeben: "Alle sind sauer auf die CSU, dabei haben die gar nichts vor und gar nichts gemacht."

In Augsburg stand auch die Wahl der neuen Generalsekretärin Ruth Müller auf dem Programm, Landtagsabgeordnete aus Niederbayern. Sowie von Nasser Ahmed, Nürnberger SPD-Chef, als deren Stellvertreter. Sie kamen nach dem Rücktritt von Arif Taşdelen im Januar zunächst kommissarisch ins Amt. Müller erhielt 87,5 Prozent, Ahmed ein Top-Ergebnis von 97 Prozent. Er wärmte die sozialdemokratische Seele mit seiner eigenen Aufstiegsgeschichte, als Kind eritreischer Flüchtlinge. Seine Ansage für den Wahlkampf, der er mit organisieren wird: "Lasst uns Hoffnungsträger sein in diesem Land!"

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