Süddeutsche Zeitung

Sozialdemokratie:Was die Bayern-SPD zur Eigentor-Partei macht

Lesezeit: 3 min

Ständig läuft etwas schief bei der Bayern-SPD. Aus angekündigten Protesten wird eine Ein-Mann-Demo, ein bärtiger Schrat mischt den Parteitag auf, und jetzt auch noch das miese Umfrageergebnis.

Von Katja Auer und Daniela Kuhr, München

Es gibt da diesen Post in den sozialen Netzwerken, der vielleicht ziemlich gut darstellt, wie es um die bayerische SPD bestellt ist: Ein Foto zeigt SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher, wie er allein vor einem Protestplakat steht, im Hintergrund die Mauern des Kloster Banz. Dazu ein kurzer Text. Sinngemäß heißt es darin: "Im Namen der bayerischen SPD protestiere ich gegen den Besuch von Victor Orbán bei der CSU." Das war Ende September vergangenen Jahres, die CSU hatte den umstrittenen ungarischen Ministerpräsidenten zu ihrer Klausur nach Banz eingeladen, was die Opposition nutzte, um sofort wütende Demonstrationen anzukündigen.

Und wie fielen die am Ende aus? Während die Grünen ein paar Dutzend Leute und immerhin zwei, drei Trillerpfeifen mobilisierten, stand SPD-Fraktionschef Rinderspacher vor einem Schild. Allein. Protest, der beeindruckt, sieht anders aus.

Die Kollegen hätten keine Zeit gehabt, heißt es später. Schließlich hatte die SPD-Fraktion zum selben Zeitpunkt ebenfalls Klausur. Klingt nachvollziehbar. Wie es bei der Bayern-SPD eigentlich immer eine Erklärung gibt, warum ein Auftritt, eine Umfrage, eine Wahl oder ein Parteitag desaströs verlaufen ist. Mal hatte niemand Zeit, mal meinte ein bärtiger 71-Jähriger plötzlich den SPD-Landesvorsitzenden Florian Pronold stürzen zu müssen (siehe Landesparteitag) und mal war der Zeitpunkt eben verdammt schlecht.

Wie jetzt, bei der Bayerntrend-Umfrage des BR, als die SPD auf sage und schreibe 16 Prozent abgerutscht ist - während Grüne, CSU und AfD zulegten. Infratest dimap hatte bayernweit gut 1000 Menschen befragt - vom 7. bis 11. Januar, "da gab es kein anderes Thema als die Übergriffe in Köln", sagt Rinderspacher. Das sei nun mal "nicht die Stunde" gewesen, "in der die Menschen sich für eine Partei der Mitte aussprechen, für eine Partei, die sich um Ausgewogenheit bemüht".

Man kann es "Mitte" nennen oder "ausgewogen", doch womöglich empfinden die Wähler die SPD im Moment auch einfach als konturlos. Lehnt sie nicht alle Vorschläge zur Lösung des Flüchtlingsproblems spontan ab, um ihnen vier Wochen später auf Bundesebene zuzustimmen? Rinderspacher schüttelt den Kopf. Das stimme allenfalls für die Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten. Alle anderen Vorschläge, die die CSU gemacht habe, seien dank der SPD deutlich modifiziert worden, bevor sie auf Bundesebene beschlossen wurden.

Was ihn besonders fuchst an der Bayerntrend-Umfrage: dass die Wähler mittlerweile selbst beim Thema soziale Gerechtigkeit der CSU mehr zutrauen als der SPD. Dabei sei es doch die SPD gewesen, die Mindestlohn, Mietpreisbremse, Maklerkosten und eine bessere Wohnraumförderung durchgesetzt habe. "Es muss uns einfach besser gelingen, unsere Erfolge darzustellen", sagt Rinderspacher.

Das Hauptproblem der SPD sieht er aber woanders: in den ständigen Personalquerelen. Erst das Debakel mit Pronold, der auf dem Landesparteitag mit nur 63,3 Prozent als Chef der Bayern-SPD wiedergewählt wurde, dann die Watschn für den Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel, der auf dem Bundesparteitag nur 74 Prozent bekam. "Wenn wir Überschriften produzieren mit Personalquerelen, nutzt das niemanden, schadet aber allen", sagt Rinderspacher. Pronold sieht das ähnlich. "Wer auf das eigene Tor schießt, gewinnt das Spiel in der Regel nicht", sagt der 43-Jährige, der als Staatssekretär im Bundesumweltministerium sitzt. Ein Mann, an den er dabei denken dürfte, ist Walter Adam. Der frühere Realschullehrer war derjenige, der Pronold beim Landesparteitag überraschend herausgefordert hatte und ein Drittel der Stimmen bekam.

Adam wundert sich überhaupt nicht, dass die SPD in der Bayerntrend-Umfrage so schlecht abgeschnitten hat. "Das habe ich kommen sehen." Er wirft seiner Partei vor, aus Pragmatismus ihre Grundwerte zu verraten. Weder in der Flüchtlingspolitik und schon gar nicht in den Verhandlungen um das Freihandelsabkommen TTIP habe die SPD klare Haltung gezeigt. "Wir sind die Partei der Kümmerer", sagt er, deswegen müssten sich die Sozialdemokraten wieder vor allem um die sozial Schwachen in der Gesellschaft kümmern. Adam und seine Mitstreiter haben in der SPD die Basisinitiative "Zeit für die Mutigen" gestartet und wollen bis zum nächsten Wahlparteitag den Richter Thomas Schug als Herausforderer von Pronold bekannt machen.

Auch Tobias Afsali, Vorsitzender der bayerischen Jusos, meint, die Bayern müssten wieder linker werden, was sie traditionell eigentlich sind. Aus der Umfrage sei "ersichtlich, dass die Bayern-SPD zu wenig mit eigenen Themen wahrgenommen wird", sagt er. Sei es TTIP oder die Vorratsdatenspeicherung - da müssten die Sozialdemokraten klare Kante zeigen und die Sorgen der Menschen ernst nehmen. Und die der Mitglieder. "Wenn man als Mitglied nicht wahrgenommen wird, verschreckt das die Leute", sagt er. Dass die Menschen aber inzwischen der CSU sogar bei der sozialen Gerechtigkeit mehr zutrauen als der SPD, führt Afsali auch auf den Populismus der CSU zurück. "Da hat die SPD schon geliefert", sagt er und verweist ebenfalls auf Mietpreisbremse und Mindestlohn.

Noch sind es fast drei Jahre bis zur Landtagswahl, da könne sich noch einiges ändern, sagt der Juso-Chef. Wer die SPD dann in den Wahlkampf führen soll, darauf will er sich noch nicht festlegen. Doch auch bei dieser Frage ist das Ergebnis der Bayerntrend-Umfrage verheerend: Ein Drittel der SPD-Anhänger wünscht sich den Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly als Spitzenkandidaten - der allerdings bislang glaubhaft jede Ambition abstreitet. Pronold und Rinderspacher liegen deutlich dahinter. Und ganze 30 Prozent der SPD-Anhänger können sich für keinen der abgefragten Politiker entscheiden.

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SZ vom 15.01.2016
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