Süddeutsche Zeitung

Politik in Bayern:"Ich habe es satt, in der Presse vom Niedergang der SPD zu lesen"

Ronja Endres will mit Florian von Brunn an die Spitze der SPD in Bayern und wieder Begeisterung auslösen. In Umfragen liegt die Partei bei nur noch sieben Prozent.

Von Johann Osel

Es war kein Geheimnis. Und falls doch, dann kein sonderlich gut gehütetes. Dass der Landtagsabgeordnete Florian von Brunn nach dem Mitte November angekündigten Rückzug von Natascha Kohnen Vorsitzender der bayerischen SPD werden will, hätte bei landespolitischen Buchmachern keine tolle Quote verzeichnet. In der Zwischenzeit hatte Generalsekretär Uli Grötsch seine Kandidatur als SPD-Chef angekündigt, allein und mit Ramona Greiner als Generalin an seiner Seite.

Nun wagt sich Brunn aus der Deckung: Gemeinsam mit Ronja Endres in einer Doppelspitze möchte er den Niedergang der Sozialdemokratie in Bayern stoppen. Einen unschönen Status quo hatte am Vortag die Umfrage "Bayerntrend" geliefert: nur noch sieben Prozent für die SPD in der Sonntagsfrage, schon die Landtagswahl 2018 hatte mit 9,7 Prozent ein historisches Tief gebracht.

Es ist Ronja Endres, die am Donnerstag die Video-Pressekonferenz zur Präsentation des Bewerberduos eröffnet, der Hintergrund des Bildschirms schimmert in sanfter Morgenröte. Das soll wohl sagen: gleichberechtigte Partnerschaft ist geplant, "auf Augenhöhe", sagt Brunn. Keine Frau als eine Art schmückendes Beiwerk. Ein Seitenhieb auf Grötsch? Womöglich, aber über den Kontrahenten fallen an dem Tag keine negativen Worte, ebenso wenig über Kohnen. "Ich habe es satt, in der Presse vom Niedergang der SPD zu lesen", sagt Ronja Endres zunächst und stellt sich vor.

Die 34-Jährige ist gelernte Chemielaborantin, hat auf dem zweiten Bildungsweg Abitur gemacht und in Regensburg Internationale Beziehungen studiert. Im Lehrberuf war sie Azubi-Vertreterin, später Stipendiatin einer gewerkschaftsnahen Stiftung und engagierte sich in dem Bereich. Dies habe ihr "politisches Fundament gelegt". Sie ist Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) in Bayern, seit 2008 Parteimitglied. Sie wolle für die SPD wieder Begeisterung auslösen, sagt die Kandidatin und klingt begeistert von dem Plan; nur über das "wieder" mag man als Zuhörer stolpern. Pflege, soziale Gerechtigkeit, die Belange der Arbeitnehmer und Klimaschutz nennt sie als inhaltliche Schwerpunkte - "gegen Ausbeutung von Arbeit und Umwelt kämpfen".

Wohin will Brunn mit der SPD in Bayern? Erstmal zweistellig werden

Er freue sich auf die Zusammenarbeit mit dieser "eloquenten, engagierten jungen Frau", sagt Florian von Brunn. Endres formt prompt im Bildschirm ein Herz mit den Händen. Brunn, 51 Jahre alt und seit 30 Jahren SPD-Mitglied, ist im Landtag als Umweltexperte bekannt und als kompetent geachtet. Er führt Steckenpferde auf wie den Abschied aus dem fossilen Zeitalter mit Bayern als innovativem Vorreiter oder die Verkehrswende mit starkem Bahnausbau. "Soziale Gerechtigkeit und ökologische Erneuerung" als Leitlinien. Es gehe um Ideen und Visionen, um offensiven Kampf - und nicht um "die immer gleiche Oppositionskritik von der Seitenlinie".

Und was ist mit den sieben Prozent? Die Fehleranalyse fällt schmal aus, beide sprechen davon, öffentliche Präsenz zeigen zu wollen - und nie ein Interview abzulehnen. Eine Anspielung auf Kohnen, der oft mediale Reserviertheit nachgesagt wurde. Über das "unglaubliche" Engagement der SPD-Mitglieder (mehr als 55 000 in Bayern) solle nun Aufbruch entstehen. "Das ist unser größter Schatz", sagt Endres mehrmals.

Brunn hat in den vergangenen Jahren zwei Mal Spitzenämter angestrebt und jeweils verloren, bei Partei- wie Fraktionsvorsitz. Warum er sicher ist, dass es jetzt klappt? "Wenn ich in mich hineinhorche, gebe ich nicht auf." Er sei von vielen Leuten in der SPD dazu aufgefordert worden und stehe für die "Trendumkehr". Als Zwischenschritt nennt er erst mal Zweistelligkeit in Umfragen.

"Außerdem hatte Florian noch nie mich an seiner Seite", betont Endres lachend bezüglich der Aussichten. Neben Brunn und Endres gibt es bis dato die Kandidatur von Grötsch mit Greiner. Dass mehrere Leute Lust darauf hätten, so Endres, zeige nur, dass es sich um ein "geiles Amt für eine geile Partei" handele. Weitere Bewerber könnten folgen. Der Parteitag ist für März angesetzt, der Termin hängt jedoch von der Pandemie ab.

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SZ vom 15.01.2021/saul/van
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