Kabinettssitzung:"Es ist eine neue Pandemie, es ist nicht einfach der dritte Aufguss"

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Ordnet sich selbst dem "Team Vorsicht" zu: Ministerpräsident Markus Söder. (Foto: dpa)

Markus Söder verteidigt den verlängerten Lockdown in Bayern. Der Streit mit den Lehrern über Selbsttests und Impfreihenfolgen schwelt weiter.

Von Andreas Glas, Anna Günther und Johann Osel, München

Das Team Vorsicht erscheint fast auf die Minute pünktlich, aber die Anstrengungen der vergangenen Nacht sind dem Ministerpräsidenten ein bisschen anzusehen. Zwar wirkt Markus Söder recht agil am Dienstag nach der Sitzung seines Kabinetts, doch mit leichten Augenringen präsentiert er, wie Bayern die Beschlüsse von Bund und Ländern umsetzen will. Um 2.27 Uhr in der Nacht war die Corona-Vorlage in Berlin ja endlich verkündigungsreif, eine Osterruhe mit harten Einschränkungen steht an.

Eben das Team Vorsicht, sein Lager, habe sich durchgesetzt, hatte Söder in der Nacht vermeldet. Der Dreiklang der Pandemiepolitik solle jetzt sein: "Vorsicht, Restriktion, Motivation", sagt Söder mittags. Und er sagt diesen einen Satz: Es gebe erst mal "bis Ende der Oktoberferien keine weitere Öffnung". Ein Versprecher natürlich, gemeint sind die Osterferien, er korrigiert sich. Und doch ist es genau das, was viele Bürger wohl gerade denken: Wie lange geht das alles wirklich, vielleicht bis in den Herbst? Hört das denn nie auf?

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Söders Lagebericht zur Pandemie zeichnet zunächst kein erfreuliches Bild: "Es ist eine neue Pandemie, es ist nicht einfach der dritte Aufguss", betont er. "Es ist eine neue Pandemie, die deutlich aggressiver und gefährlicher ist." Gemeint ist die britische Mutante: Infektionszahlen stiegen jeden Tag, gerade bei Jüngeren, das Robert-Koch-Institut prognostiziere nach Ostern bundesweit eine Inzidenz von 300 und täglich 40 000 Neuinfektionen, wenn man nichts tue. Aktuell betrage die Inzidenz in Bayern 110, ein Bundesland auf Hotspotniveau also, Intensivmediziner warnten. Corona liege "nach wie vor bleiern über unserem Land" - "viele sind resigniert". Aber: "Wir müssen dem Tiger ins Auge schauen und können uns nicht wegducken."

Aus dieser Situation heraus sei es zur Restriktion bis Ostern gekommen, danach soll wieder die Matrix der Öffnungsschritte greifen; zudem werde es Konzepte mit intelligenten Perspektiven geben, für einzelne Kommunen oder in Pilotprojekten zur Erprobung von Kulturveranstaltungen. Neben den Impfungen soll dazu die Strategie der Schnelltests ausgebaut werden. Die Staatsregierung plant 115 neue Schnelltestzentren - in allen Landkreisen oder Städten, die Kosten übernimmt der Freistaat.

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Zunächst aber wird eben auch in Bayern das öffentliche Leben über das verlängerte Osterwochenende zurückgefahren. Gründonnerstag und Karsamstag werden zu Feiertagen erklärt. Am Karsamstag darf lediglich der Lebensmittelhandel öffnen, erlaubt bleiben Mitnahmeangebote von Restaurants. Nach den Osterferien, also zum 12. April, soll es im Handel Erleichterungen geben. Bei einer Inzidenz unter 100 dürfen alle Geschäfte öffnen, in Hotspots mit Inzidenz von 100 bis 200 soll es Einkauf nach Voranmeldung und mit negativem Testergebnis geben. Generell wird der aktuelle Lockdown bis 18. April verlängert.

Bei den Schulen ändert sich nach den Ferien wenig - und doch bringt die Kabinettssitzung Brisanz in die lodernden Debatten. Unter einer Inzidenz von 100 sind alle Klassen im Wechselunterricht, allein Grundschüler dürfen unter 50 komplett in die Schule gehen. Nach den Ferien dürfen in Hotspot-Regionen zusätzlich zu den Abschlussklassen auch Viertklässler und die elften Klassen der Gymnasien und Fach- sowie Berufsoberschulen in die Schule kommen. Für alle anderen gilt Distanzunterricht.

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Mehr Sicherheit soll in Hotspots die Testpflicht bringen, nur mit negativem Ergebnis dürfen Schüler und Lehrer persönlich anwesend sein. Der Protest der Lehrerverbände gegen das Testkonzept der Regierung, wonach Schüler sich mit Selbsttests in der Schule testen sollen, ist massiv. Sie beklagen Mehrarbeit und Gesundheitsrisiken durch die Tests in den Klassen. Das kontert die Regierung nun. Und wie!

Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) hatte den Präsenzbetrieb nach Ostern am Montag in einem offenen Brief an Söder an ein "Impfangebot" für alle Lehrer geknüpft. "Der Versuch des BLLV, über ein Ultimatum die Impfreihenfolge zu ändern", habe Kopfschütteln in der Staatsregierung ausgelöst, sagt Kultusminister Michael Piazolo (FW) dazu. Ultimaten bringen niemanden weiter, meint auch Söder, die Aktion helfe keinem, auch nicht den Kindern. Ihn "bedrücke" diese "immerwährende laute Auseinandersetzung um Schule". Und: "Jeder sollte in diesen Zeiten versuchen, das richtige Timing und Tuning zu finden für seine Ideen." Die Laune heben wird die Schelte sicher nicht.

Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger setzt auf Hoffnung

Doch wie ist die Stimmung in den Regierungsfraktionen? Im Vorfeld der Kabinettssitzung trafen sich CSU und Freie Wähler. Aus beiden Runden berichten Teilnehmer von "Irritationen", vor allem die Schließung der Supermärkte am Gründonnerstag wird von einigen als wenig sinnhaft gesehen. Die Märkte, heißt es, könnten dann in den Vortagen noch voller sein, da sich die Leute für mehrere Tage eindecken. In der CSU-Fraktion äußerten Mitglieder sowohl Kritik am Impftempo als auch die Sorge, immer mehr die Akzeptanz der Bürger in ihren Stimmkreisen zu verlieren. "Frustrierend", beschreibt einer die Situation.

Die FW immerhin zeigen sich zufrieden darüber, dass Söder ausloten möchte, ob es mittelfristig eine Alternative zum Inzidenzwert gibt. Ein "maximaler Erfolg" für seine Fraktion, die eine Abkehr vom Inzidenzwert als zentralem Faktor fordert, findet der FW-Abgeordnete Fabian Mehring. Gleichwohl sind Söders Aussagen hier äußerst vage. Vielmehr sagte er, die Inzidenz sei derzeit klar das beste Instrument - weil sie regional abgrenzbar und leicht darstellbar sei, gerichtsfest und einen Folgebezug habe etwa zu Klinikbelegungen. Etwas zu viel der Hoffnung beim Koalitionspartner.

Hoffnung ist auch die Devise von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW), er erwähnt sie gleich mehrmals am Dienstag. Er steht bekanntlich für das Lager der Lockerer, jetzt spielt er im Team Vorsicht mit: "Die Zahlen sprechen ja doch auch eine Sprache, die wir nicht wegdiskutieren können." Doch er setze auf die Zeit nach dem 12. April. Aiwanger wirkt etwas geplättet, als hätte er die Nacht in Berlin durchgemacht. Und er sagt noch einmal: "Sehr viel mehr als das Prinzip Hoffnung können wir Ihnen heute nicht bieten."

© SZ vom 24.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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