Virtuelle Sehenswürdigkeiten in Bayern:Allein im Schloss Neuschwanstein

Bayerns Museen, Schlösser, Burgen und Gedenkstätten sind wegen der Coronavirus-Pandemie geschlossen. Besichtigt werden können sie trotzdem - im Internet. Neun Tipps.

Von SZ-Autoren

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Schloss Neuschwanstein

Schloss Neuschwanstein - Sängersaal restauriert

Quelle: dpa

Was zuerst auffällt: diese Ruhe. Schloss Neuschwanstein ist nicht als Ort der Besinnlichkeit bekannt, es ist bei einem virtuellen Rundgang erstaunlich, wie leer etwa der Vorplatz wirken kann. Ein weiterer Vorteil: Der Besucher wird nicht im Stile einer Massenabfertigung durch die Gänge und Säle gehetzt, er hat Zeit. Der Stuhl mit dem königlich-bayerischen Wappen im Arbeitszimmer? Kennt man, aber mangels Zeit nie eingehend angeschaut. Die Wandgemälde im Thronsaal? Noch beeindruckender bei längerem Studium. Ein virtueller Rundgang durch Schloss Neuschwanstein ist in diesem Fall auch eine Zeitreise, der Besucher kann direkt vom sonnig erleuchteten Schlafzimmer in den künstlich beleuchteten Sängersaal springen, in dem man durchs Fenster die nächtliche Umgebung sieht - dort ist die Sonne schon untergegangen. Auf eines muss der virtuelle Gast allerdings verzichten: auf die Erklärungen eines Guides. Doch das ist nicht weiter schlimm: Die architektonischen Highlights des Schlosses sind weithin beschrieben, man kann sie nebenbei gut nachlesen.

Zu finden: https://3dtopevent.info/neuschwanstein/

Florian Fuchs

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Germanisches Museum in Nürnberg

Germanisches Nationalmuseum in Nürnberg

Quelle: picture alliance / dpa

Willkommen in der mittelalterlichen Stadt und willkommen auch in deren neuzeitlichen Statthalter: Nürnberg. Natürlich geht am Eingang zum digitalen Mittelalterrundgang die Silhouette Nürnbergs, entnommen aus der Schedelschen Weltchronik, wie ein Vorhang auf und man darf also einen Blick werfen in den Alltag des alten Reichs. Das Germanische Nationalmuseum (GNM) in Nürnberg zu kennen, behaupten ja viele. Wer seine GNM-Erfahrungen auf den stabilen Wissensschatz eines Schulzwangsbesuchs stützen kann und hernach nie wieder die Kraft gefunden hat, sich und den Seinen einzugestehen, dass man sich regelrecht fürchtet vor der unübersichtlichen Komplexität dieses Hauses (es sollen dort schon ganze Sippen verloren gegangen sein) - der bekommt in der Krise nun eine schöne zweite Chance. Warum sich nicht per "digital story" eine Art Einführungskurs in Mediävistik verpassen lassen und dabei nonchalant übergehen, dass man sich in den Irrwegen dieser Nürnberger Ansammlung unterschiedlicher Museumsbauten leider nie wirklich zurecht gefunden hat? Und apropos zurechtfinden: Wer sich zum Beispiel immer schon gefragt hat, was es mit dem "akademischen Viertel" auf sich hat und für künftiges Zuspätkommen außerhalb der Universität einen wohlklingenden Vorwand sucht: Bitteschön, einfach Reinklicken in die digitale Abteilung "Zeit und Stunde", Abschnitt "mittelalterliche Pünktlichkeit" - schon klappt's auch mit der galant-bildungsbürgerlichen Ausrede.

Link: https://alltagimmittelalter.gnm.de/

Olaf Przybilla

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Veste Oberhaus in Passau

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Quelle: Marcel Peda

Sogar die verschiedenen Farben der drei Flüsse sind virtuell zu erleben: Vom Georgsberg schweift der Blick hinunter auf das grüne Wasser des aus den Alpen fließenden Inns, auf die schwarze, aus einem Moorgebiet kommende Ilz und auf die blaue Donau. Seit eineinhalb Jahren gibt es für die Veste Oberhaus eine eigene App und so lässt sich die Burg über Passau auch zu Coronavirus-Zeiten erkunden. Der Ausblick von der Batterie Linde, einer Aussichtsterrasse, auf das Dreiflüsseeck ist dabei besonders schön, auch in der App. Der digitale Guide führt die Nutzer umfangreich durch die Burganlage, die 1219 gegründet wurde. Er lässt die Zugbrücke über dem Bärengraben hochfahren, er beschreibt die Gebäude und die Schätze, die darin entdeckt wurden: Zum Beispiel einen Lederschuh aus dem 15. Jahrhundert, der im Gewölbe der Georgskapelle gefunden wurde und in der App als 3-D-Modell auftaucht. Es werden Teller, Löffel und Messer präsentiert. Nur keine Gabeln, da diese im Mittelalter als Werkzeug des Teufels galten. So schaudert es einen ein bisschen auch vom Sofa aus.

Download: Veste Oberhaus in den App-Stores

Lisa Sonnabend

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Befreiungshalle Kelheim

Befreiungshalle in Kelheim

Quelle: Armin Weigel/dpa

Zur Erinnerung an die Befreiungsschlachten gegen Napoleon ließ Ludwig I. auf dem Michelsberg in Kelheim einen imposanten Rundbau errichten: die Befreiungshalle. Wenn man sie dieser Tage schon nicht besichtigen mag, so kann man sie sich immerhin erhören. Online findet sich ein Audioguide, konzipiert und aufgenommen von Jugendlichen für Jugendliche. Man erfährt, dass sich die Statuen der 34 Siegesgöttinnen sogar in ihren Zehenlängen unterscheiden, dass die gläserne Kuppel die einzige Lichtquelle des Gebäudes war, bis vor einigen Jahren eine elektrische Lampe installiert wurde, und dass sich ein Teil der für die Halle herangeschafften Ziegel in den Häusern Kelheims wiederfinden (warum, darüber spekulieren die Jugendlichen in einem fiktiven Krimihörspiel). Die Schülerinnen und Schüler gingen mit dem Mikrofon auf die Straße und hielten fest, welche Kosenamen in Kelheim für die Gedenkstätte oberhalb der Stadt kursieren: die Torte etwa. Passanten am Münchener Marienplatz schüttelten dagegen eher mit dem Kopf, als man ihnen ein Bild zeigte. Keine Ahnung, was das sein soll. "Ein Bunker?" Ein Bild von dem Denkmal und seinen Besonderheiten hat man nach diesem Ohrenkino jedenfalls vor Augen. Beim nächsten Besuch müsste man prüfen, ob es auch stimmt.

Zu hören unter: https://www.schloesser.bayern.de/deutsch/schloss/objekte/kelheim1.htm

Bernd Kramer

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Kunstsammlungen und Museen Augsburg

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Quelle: The Peterhof State Museum Reserve

Der Direktor persönlich begrüßt in einem kurzen Video: Christof Trepesch, Leiter der Kunstsammlungen und Museen Augsburg, öffnet die Tür, zieht sich den Mund-Nasen-Schutz vom Gesicht und sagt: "Den brauchen wir nicht, sind ja keine Besucher im Haus." So ein virtueller Museumsbesuch, das wird also gleich klar, kann auch Vorteile haben, einige sogar. Die Kunstsammlungen Augsburg haben für ein digitales Publikum richtig was auf die Beine gestellt in den vergangenen Monaten, Trepeschs Begrüßung etwa ist der Vorspann zu der Ausstellung "Kunstschätze der Zaren. Meisterwerke aus Schloss Peterhof". Die Schau ist bereits wieder abgebaut, die Stücke befinden sich wieder in Russland - der Besucher kann sie virtuell trotzdem noch sehen, in vielen Clips, wie bei einem Rundgang. Auch die anderen Museen in der Stadt haben Angebote geschaffen, so zeigt etwa der Leiter des Maximilianmuseums Christoph Emmendörffer seine Lieblingsstücke. Der virtuelle Besucher ist so ganz nah dran, selbst an Stücken wie dem Siegelhaus-Adler, an dem die meisten Besucher im realen Museum achtlos vorbeilaufen. Emmendörffer zeigt dem virtuellen Gast sogar die Fingerabdrücke des Künstlers, die noch am Werk aus dem Jahr 1605 zu sehen sind.

Alle digitalen Ausstellungen unter: https://kunstsammlungen-museen.augsburg.de/museum-digital

Florian Fuchs

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Reichsparteitagsgelände in Nürnberg

Nürnberg

Quelle: Regina Schmeken

Man kann dieses Areal der Nazis namens "Reichsparteitagsgelände" Dutzende Male durchwandert und durchlitten haben, die Eindrücke werden nie so nachhaltig sein, als dass man sie nicht wieder auf ein neues Fundament stellen müsste. Woran das liegt? Schwer zu sagen. Ist es psychologischer Selbstschutz vor der Monstrosität des Wahnsinns? Ist es die Riesenhaftigkeit des Terrains, die Unfassbarkeit der NS-Selbstüberhöhung, die Widersprüchlichkeit der Sinneseindrücke (Schwan-Tretboot auf seichtem See vor NS-Monsterkongresshalle)? Jedenfalls legt das Gedächtnis immer wieder einen gnädigen Schleier über die einzelnen Stationen der steingewordenen Geistesstörung. Und so ist geradezu entlastend, sich mit den Details des Wahns auch mal in einer menschenfreundlicheren Umgebung - was spräche gegen das eigene Sofa? - auseinanderzusetzen. Wieviel Zuschauer wollte Architekt Albert Speer in das "größte Sportstadion der Welt", das "Deutsche Stadion" zwängen? Stimmt, es waren mehr als 400 000 - was dann mehr als fünfmal so viele gewesen wären, als später im Münchner Olympiastadion Platz gefunden haben. Und für die zentrale Achse mit Sicht auf die Nürnberger Kaiserburg, die symbolische Verknüpfung des "Dritten Reiches" mit dem ersten Reich (dem mittelalterlichen Kaiserreich), wie viele Granitplatten waren für diese sogenannte Große Straße notwendig? Andererseits: Vielleicht ist es gut, das immer wieder und ganz absichtsvoll n i c h t zu wissen - und sei es nur aus psychohygienischen Gründen. Man kann es ja nachlesen, Punkt für Punkt, Wahnsinn auf Wahnsinn.

Link: https://museen.nuernberg.de/dokuzentrum/themen/das-gelaende/das-reichsparteitagsgelaende/

Olaf Przybilla

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Rothenburg ob der Tauber

Coronavirus - Rothenburg ob der Tauber

Quelle: dpa

Natürlich könnte man sich weiterhin auf den Weg nach Rothenburg ob der Tauber machen, durch die Gassen schlendern und sich von der mittelalterlichen Fachwerkkulisse in eine Zeit träumen, als das Wünschen noch geholfen hat. Wenn sich nur die Gegenwart nicht gerade selbst so mittelalterlich im schlechten Sinne anfühlte. Die Seuche grassiert. Und kalt ist es auch noch. Für die Daheimbleibenden hat Rothenburg eine Reihe kurzer Videos ins Netz gestellt. Ein Stadtführer erklärt darin etwa, was es mit dem Plönlein auf sich hat, dem berühmtesten Platz des Ortes, er zeigt die "mittelalterliche Shoppingmall", man kann ihm hinauf auf die Stadtmauer folgen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Bequem darf man die Pantoffeln anlassen und auf die Gesellschaft weiterer Tagestouristen verzichten, die sich bei jeder Gelegenheit zum Koreferenten des Fremdenführers aufschwingen. Sogar das Wetter ist blendend: Allerorten sind die Bäume grün und die Sonne scheint. Ein wirklicher Ersatz für einen Ausflug sind die Clips trotzdem nicht, eher ein Vorgeschmack. Nur für eine Schrecksekunde ist man dann doch froh über den Abstand, wenn die Offstimme beim Videoschwenk durchs Kriminalmuseum vieldeutig verheißt: "Halsgeigen für zänkische Frauen und zahlreiche Folterinstrumente warten auf die Besucher."

Link: https://www.rothenburg-tourismus.de/

Bernd Kramer

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KZ-Gedenkstätte Flossenbürg

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Quelle: Thomas Dashuber/KZ-Gedenkstätte Flossenbürg

Wie wird es weitergehen, wenn die Überlebenden nicht mehr am Leben sind? Wer wird dann von den schrecklichen Geschehnissen in den Konzentrationslagern erzählen? Im Herbst eröffnete die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg die Ausstellung "Ende der Zeitzeugenschaft?". Nur wenige Wochen später musste die Gedenkstätte in der Oberpfalz wegen der Coronavirus-Pandemie schließen, doch die Sammlung kann seitdem zu großen Teilen digital besucht werden. Zu sehen sind Filme, die im Zentrum der Ausstellung stehen, manche dauern nur wenige Sekunden, andere bis zu einer Viertelstunde. Vorgestellt wird zum Beispiel ein Projekt der USC Shoah Foundation, das ein "interaktives Hologramm" von Eva Schloss und anderen Holocaust-Überlebenden erstellt, um Menschen in einer nicht zu fernen Zukunft die Möglichkeiten zu geben, mit Zeitzeugen zu kommunizieren. Was passierte, als sie in Auschwitz ankam? Die 3-D-Projektion von Eva Schloss wird auch dann Fragen beantworten und ein Gespräch simulieren, wenn die 91-Jährige nicht mehr am Leben ist. Die Ausstellung in Flossenbürg hat also eine hoffnungsvolle Botschaft: Verstummen werden die Zeitzeugen wohl nie.

Link: https://www.gedenkstaette-flossenbuerg.de/

Lisa Sonnabend

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Haus der Bayerischen Geschichte

Dreharbeiten in München für Zwanzigerjahre-Film des Hauses der Bayerischen Geschichte, 2020

Quelle: Robert Haas

Die Ausstellung "Tempo, Tempo - Bayern in den 1920ern" im Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg lässt sich online von zwei Seiten her betrachten. Zum einen über den begleitenden Film "Wartesaal", der in kompletter Länge auf der Homepage des Museums zu finden ist. Das mit vielen Kabarettisten besetzte Video entführt die Zuschauer in die 1920er-Jahre. Politische Kontroversen, falsche Heilserwartungen und frivole Partys - "Wartesaal" breitet alle Facetten und Umbrüche der Dekade aus. In einem zweiten Video führt Kurator Wolfgang Reinicke die Gäste zu den Exponaten der Schau, etwa zur Nobelpreisurkunde von Thomas Mann. Den Alltag veränderten die wachsende Mobilität sowie technische Neuheiten wie Staubsauger und Kleinbildkamera. Schreibmaschine und Telefon revolutionierten das Berufsleben.

Link: www.hdbg.de/tempo

Hans Kratzer

© SZ.de/amm
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