Süddeutsche Zeitung

Unterallgäu:Nie kandidiert und trotzdem Bürgermeister

Auf dem Stimmzettel stand Uwe Gelhardt nicht, aber 355 Bürger schrieben ihn bei der Wahl einfach drauf. Das reicht, um in der Gemeinde Stetten Rathauschef zu werden.

Von Florian Fuchs

Eine Woche hat Uwe Gelhardt noch Zeit, um sich auf seine neue Rolle vorzubereiten. Dann wird er vereidigt, am 5. August - obwohl er offiziell gar nicht zur Wahl stand. Der neue Bürgermeister der Gemeinde Stetten in der Nähe von Mindelheim hatte die Bewerbungsfrist verpasst, sein Name stand deshalb nicht auf dem Wahlzettel. Trotzdem gewann er die Abstimmung am Sonntag vor einer Woche mit 52,28 Prozent der Stimmen vor dem CSU-Konkurrenten.

Die Bürger Stettens hatten mehrheitlich einfach seinen Namen auf den Stimmzettel geschrieben, was nach der Bayerischen Wahlordnung erlaubt ist. Gelhardt sagt, er hätte wegen der komplizierten Vorgeschichte nicht mit seiner Wahl gerechnet. Nun wird der 52-Jährige Teilzeit arbeiten - nur so hat er genug Zeit für das Bürgermeisteramt.

Sein Job als Kommunikations- und Netzwerktechniker ist auch der Grund, warum Gelhardt die Anmeldefrist für die Wahl verpasst hatte. Sein Chef konnte sich nicht so recht entscheiden, ob er ihn in Teilzeit gehen lassen kann. "Fachkräfte werden ja dringend gesucht, da ist es schwierig, einfach so kürzer zu treten", sagt der frisch gekürte Bürgermeister. Als sein Vorgesetzter dann aus dem Urlaub zurück war und alles genau durchgedacht hatte, war es auch schon zu spät.

Gelhardt hatte sich da bei der Verwaltung aber bereits schlau gemacht, er kannte also die Möglichkeit, sich einfach von den Bürgern auf den Wahlzettel schreiben zu lassen. "Die stimmberechtigte Person kann Stimmen an andere wählbare Personen vergeben, indem sie diese in eindeutig bezeichnender Weise auf dem Stimmzettel handschriftlich hinzufügt", heißt es juristisch korrekt in der Bayerischen Wahlordnung. "Mit vollem Namen mussten die Leute mich drauf schreiben", erläutert Gelhardt. "Nur der Nachname hätte nicht gereicht, sonst hätte damit zum Beispiel auch meine Frau gemeint sein können."

Die Wahl war notwendig geworden, weil der Amtsinhaber am Schreibtisch zusammengebrochen und gestorben war. Es war die dritte Wahl in der 1400-Einwohner-Gemeinde seit 2014. Im Jahr 2015, also bereits ein Jahr nach der turnusgemäßen Kommunalwahl, hatte der damalige Bürgermeister sein Amt aufgeben müssen, er schaffte es beruflich nicht mehr. Seit 2014 sitzt Gelhardt im Gemeinderat, seit 2015 arbeitete er auch als Stellvertreter des Bürgermeisters. "Ich habe viel von ihm gelernt", sagt er.

Der gebürtige Sachse ist seit etwa 20 Jahren in der Gemeinde heimisch, damals hatte er sich dort mit seiner Frau ein Haus gekauft. 1989 war er nach Bayern gekommen. Dass er einmal Bürgermeister der Gemeinde werden würde, hat er bis zuletzt nicht geglaubt. Er war ja selbst gar nicht auf die Idee gekommen, sich zu bewerben, erst die Leute im Ort hatten ihn angesprochen, dass er doch nun ran müsse. "Da bin ich ins Grübeln gekommen", sagt er.

Dann hat er seine Frau überzeugt, die zunächst nicht so begeistert war von der Idee, und eben den Chef. Anschließend verteilte er Flyer an alle Haushalte und machte seine Idee, dass die Bürger seinen Namen auf den Wahlzettel schreiben sollten, über die Regionalzeitung bekannt. 355 Bürger folgten seinem Aufruf, 302 machten ein Kreuz bei seinem Mitbewerber von der CSU, der damit nun schon dreimal erfolglos angetreten ist. Uwe Gelhardt hat seine künftigen Aufgaben schon voll im Blick: In seinem Ortsteil steht eine Dorferneuerung an, eine Kinderkrippe muss gebaut werden. Und das Geld, das will er auch zusammenhalten. "Ich werde schon sparsam wirtschaften", sagt er.

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SZ vom 29.07.2019/vewo/kast
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