Süddeutsche Zeitung

Schule in Bayern:Digitaler Neustart mit kleinen Hindernissen

Am ersten Tag nach den Ferien verläuft der Distanzunterricht in den meisten Schulen trotz kleinerer Pannen besser als von vielen erwartet. Sogar die vielkritisierte Lernplattform Mebis funktioniert.

Von Anton Kästner und Dietrich Mittler

Lernen - aber auf Distanz. Unter diesem Vorzeichen hat am Montag nach den Weihnachtsferien in Bayern wieder der Schulunterricht begonnen. Das Erklingen der Pausenglocke, der Austausch mit den Mitschülerinnen und -schülern über die Erlebnisse der zurückliegenden Tage, all das fand - bedingt durch die Corona-Pandemie - dieses Mal am ersten Schultag so gut wie gar nicht statt.

Stattdessen begrüßte die Kinder und Jugendlichen in der ersten Stunde eine Lehrkraft am Bildschirm und kontrollierte die Anwesenheit. Auch für die Lehrkräfte war der Schulstart unter den Bedingungen des verschärften Lockdowns herausfordernd. Und manche waren skeptisch, wie dieser Tag wohl verlaufen wird. Nicht ohne Grund: Der zunächst bis Ende Januar verordnete Distanzunterricht und die gleichzeitig ermöglichte Notbetreuung von Schülerinnen und Schülern stellt aus Sicht vieler Lehrkräfte eine enorme Doppelbelastung dar.

Geht es nach Jürgen Böhm, dem Vorsitzenden des Bayerischen Realschullehrerverbands, ist der erste Schultag jedoch gut gelaufen. Und überhaupt: Der Distanzunterricht sei momentan die einzige Lösung. "Alles andere wäre Wahnsinn", sagte er. Und: "Vom Präsenzunterricht sind wir derzeit Lichtjahre entfernt." Jenen, die Bedenken hatten, hält Böhm nun entgegen, er habe von seinen Kolleginnen und Kollegen bezüglich Schulbeginn nur positive Rückmeldungen erhalten. Sogar die vielkritisierte Lernplattform Mebis scheine gut zu laufen. Bedingt durch hohe Zugriffszahlen war diese in den zurückliegenden Wochen und Monaten viele Male zusammengebrochen. Nicht so am ersten Schultag, ließ das Kultusministerium am Montag wissen. Und überhaupt laute die Bilanz: "Die 6200 Schulen haben sich sehr gut vorbereitet."

Auch der Unterricht über die Kommunikations-Plattform Microsoft Teams habe gut funktioniert, betonte der Verbandsvorsitzende Böhm. Er setzt überhaupt "auf die Vielfalt der Plattformen". Dass allerdings trotz dieser Vielfalt manches auch nicht funktionierte, berichtete unterdessen Henrike Paede, die stellvertretende Vorsitzende des Bayerischen Elternverbands. So sei etwa an einem Gymnasium die Plattform Homeworker komplett zusammengebrochen. In der Folge würden dort "jetzt die ganze Woche wieder nur Arbeitsaufträge verteilt". Trotzdem wolle sie das Problem nicht überschätzen. "Die Leute, bei denen es funktioniert, melden sich ja nicht", sagte Paede.

Simone Fleischmann - seit Mai 2015 ist sie Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV) - weiß ebenfalls von kleineren Pannen zu berichten: "Vorhin habe ich mit einer Kollegin telefoniert, bei der plötzlich das Tablet ausgestiegen ist." Doch trotz der "wahnsinnig vielen Stolpersteine", nun gelte es, "diese Zeit bis Ende Januar gemeinsam zu schaffen". Martina Borgendale, die bayerische Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), sieht das ähnlich: "Wir glauben durchaus, dass sich die meisten Schulen viele Gedanken und Mühen gemacht haben, diesen Distanzunterricht vorzubereiten. Es hing ja schon in der Luft, dass er früher oder später kommen wird. Und es waren ja auch schon immer wieder Klassen in Quarantäne."

Mit anderen Worten: "Distanzunterricht hat ja schon die letzten Monate stattgefunden." Viele Lehrer, so betonte sie allerdings auch, seien gut beraten gewesen, sich auf eigene Kosten technisch für diese Aufgabe zu rüsten, anstatt auf die versprochenen Dienstgeräte zu warten. Außerdem: "Es ist mitnichten so, dass da genügend Leihgeräte für die Schülerinnen und Schüler zur Verfügung stehen." Zur Not finde jetzt im Distanzunterricht die Kommunikation zwischen Lehrkraft und Schülern am Handy statt, sagte Borgendale, die als Lehrerin an einer Nürnberger Realschule tätig ist.

"Methodisch ist man da sehr eingeschränkt", kommentierte sie die technischen Gegebenheiten. Das weiß auch BLLV-Präsidentin Fleischmann. "Wir appellieren an alle Beteiligten, die Erwartungshaltung runterzuschrauben, weil der Distanzunterricht für niemanden die Erwartungen so erfüllen kann wie der Präsenzunterricht", sagte sie. Klar sei auch, "dass es für die Eltern und die Kinder verdammt anstrengend ist."

Tobias Oelbaum von der Initiative "Familien in der Krise" kann davon ein Lied singen. Auch das Angebot der Notbetreuung schaffe nicht unbedingt Abhilfe, denn zu sehr seien die meisten Lehrerinnen und Lehrer "komplett in den Distanzunterricht eingebunden". Unter Corona-Bedingungen, so gibt unterdessen die GEW-Landesvorsitzende Borgendale zu bedenken, sei in naher Zukunft auch ein Präsenzunterricht nicht mehr so möglich, wie er noch vor der Pandemie stattfand. "Schon aufgrund der Abstandsregeln", sagte sie.

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SZ vom 12.01.2021/syn/van
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