Bildung in Bayern:Schlechte Laune in der Schulfamilie

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Pooltests, Luftfilter, Lehrermangel: Das Schuljahr ist einmal gerade eine Woche alt, da fordern Oppositionspolitiker den Rücktritt von Kultusminister Michael Piazolo. Doch wie arg ist die Lage wirklich? Ein Lagebericht.

Von Viktoria Spinrad, München

Um 12.58 Uhr am Dienstag trudelt der Sturzversuch per Pressemitteilung ein: Der Kultusminister solle zurücktreten, so fordert es die SPD-Fraktion im Landtag. Verzögerte PCR-Tests, überlastete Schulleitungen, Teströhrchen-Kleben statt Pädagogik: "Minister Piazolo sollte sich überlegen, ob er das Ministerium noch gut führen kann", wettert die Abgeordnete Margit Wild. Genossin Simone Strohmayr setzt einen obendrauf: erst die Panne mit Mebis, dann die Luftfilter-Schlappe, jetzt der lahme Pooltest-Start: Der Minister solle im Bildungsausschuss berichten. In der viel beschworenen Schulfamilie hängt der Haussegen schief. Zumal die Inzidenz unter den Jugendlichen bei 200 liegt. Doch wie arg ist die Lage wirklich? Ein Blick auf die Knackpunkte.

Pooltests

Judith Rupp hatte ein kurzes Wochenende. Vergebens hatte die Rektorin an der Grund- und Mittelschule Königsdorf zuvor versucht, das digitale System, über das die neuen PCR-Pooltests an den Grund- und Förderschulen laufen, in die Gänge zu bringen. Doch bis Freitagmittag ging dort: nichts. Es habe vereinzelte Softwareprobleme bei der Anbindung der digitalen Schnittstelle gegeben, heißt es seitens des Gesundheitsministeriums. So vereinzelt könne diese allerdings nicht gewesen sein. Überall berichten Schulleiter, dass lange gar nichts ging.

Bei Rupp verlagerte sich die Arbeit wie bei vielen Schulleitern denn also ins Wochenende. Sie las die Einverständniserklärungen der Eltern ins System ein und stellte den Lehrern eigene Anleitungen zusammen. Diese sind angehalten, die neuen Röhrchen zu bekleben. Ein Umstand, der dem Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverband sauer aufstößt. Es könne nicht sein, dass Schulleiter und Lehrer sich statt um Bildung um Organisationsthemen kümmern müssten, moniert die Vorsitzende Simone Fleischmann.

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Es sei eben nicht das normale Schuljahr, betonte Kultusminister Michael Piazolo (FW) nach der Kabinettssitzung am Dienstag. Auch das Kultusministerium sei nicht das Gesundheitsministerium II, trotzdem habe man sich zuletzt intensiv mit gesundheitspolitischen Fragen beschäftigt. Dass sich die für Montag angekündigten Pooltests nun teils verzögerten, liege am komplexen System dahinter. Jede dritte Schule sei aber schon mit den neuen Tests gestartet. Vom Gesundheitsministerium ist zu hören, dass am Montag 56 Prozent der Schulaccounts in der digitalen Schnittstelle aktiviert und 52 Prozent der Schülerinnen und Schüler hinterlegt waren. Wenn das mit den Lollitests erst mal laufe, sagen Schulleiter, werde es auf jeden Fall einfacher als mit Schnelltests. Diese sind deutlich weniger sensitiv als die neuen Pooltests, die nach NRW-Vorbild eingeführt werden.

Reihenimpfungen

Besondere Hoffnung setze man auf das Impfen an den Schulen, sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Dienstag. Hier ist noch Luft nach oben: 35 Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen sind erstgeimpft, knapp 28 Prozent vollständig immunisiert. Ändern soll sich das mittels mobiler Impfteams an den Schulen. So lautete das Versprechen, das das Ministerium ausgab. Wobei der Arbeitsaufwand hier überschaubar war: eine Mail an die Schulen, eine weitere an die Impfzentren, sich miteinander in Verbindung zu setzen, und fertig ist das politische Versprechen. Nun liegt es an den Schulleitern, dieses auch umzusetzen.

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"Schwach" ist das Wort, das Johann Löhmüller dazu einfällt. Wie viele fühlt sich der Leiter des Sonderpädagogischen Förderzentrum Landshut-Land und Vorsitzende des Landesverband Sonderpädagogik mit dem Thema alleine gelassen. Es fehle eine loyale Stellungnahme des Dienstherrn in Form eines Elternbriefs zu dem Thema, die Resonanz unter den Schülern sei bisher "überschaubar." Zumal die mobilen Impfteams vor Ort mit der Drittimpfung der Senioren in Beschlag seien. Jede Woche müsse zur Impfwoche erklärt werden, mahnte Söder am Dienstag.

Luftfilter

Am Dienstagnachmittag wurde es ungemütlich vor dem Kultusministerium in der Münchner Innenstadt. Vertreter verschiedener Initiativen haben fast 105 000 Unterschriften gesammelt. Sie fordern Luftfilter für alle Klassenzimmer und Hepa-Raumluftfilter für alle Schulen. Bisher ist nur etwa jedes zehnte Klassenzimmer mit einem Luftreiniger ausgestattet - Söder hatte angekündigt, in jedem ein entsprechendes Gerät sehen zu wollen. Nur läuft es eben vielerorts so wie an der Hans-Scholl-Grundschule im oberpfälzischen Burglengenfeld. Dort hat der Stadtrat gerade erst entschieden, Luftfilter anzuschaffen. Jetzt muss die Ausschreibung erst einmal anlaufen. Bis dahin sollen CO₂-Ampeln mehr Sicherheit bringen. "Es wird mit Sicherheit dauern", sagt Rektorin Ingrid Donaubauer. Und das vielerorts: Bisher seien vom aktuellen Förderprogramm nur 18 Prozent angenommen, sagte Söder.

Lehrermangel

Drei Lehrerinnen seien es bei ihr, sagt Regina Kneißl, Rektorin an der Förderschule Neuburg: geimpft, arbeitswillig - aber schwanger. Heißt: Betretungsverbot. Für den Präsenzunterricht fallen die Lehrerinnen also aus. So wie derzeit etwa 3000 in ganz Bayern. Also musste Kneißl die Stundenpläne umschreiben. Kultusminister Piazolo betont derzeit gerne, dass es mit mehr als 100 000 so viele Lehrerinnen und Lehrer wie noch nie in Bayern gebe. An den Schulen scheint aber eine parallele Realität stattzufinden: Viele Schulen berichten davon, dass sie nur dank Aushilfskräften über die Runden kommen. Versierte Lehrer müssen dann die neuen Kollege einarbeiten. Es gebe genug Stunden im System, ist zu hören. Aber es fehle eben die Fachexpertise.

Quereinsteiger dürften also eine zunehmend große Rolle spielen.

© SZ vom 22.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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