Verpflichtende Lehrerfortbildungen passend zum Niveau, Digitalisierungsbasiskurse von Schülern für Lehrer, realitätsnahe Inhalte in Informatik, dazu umfassend Excel, Word und Power Point in der Schule sowie aktuelle Software, funktionierende Geräte und schnelles Internet. Diese Ideen schrieben 29 Mädchen und Buben am Wochenende im Maximilianeum auf Pinnwände statt bei flirrender Hitze an der Isar zu sitzen. Sie diskutierten im Landtag mit Maximilian Deisenhofer (Grüne) über die Digitalisierung an den bayerischen Schulen. Nach drei Stunden waren die Pinnwände voll und die Schüler immer noch voller Elan. Ihre Wünsche wirken beinahe bescheiden und sagen viel über die Digitalisierung an Bayerns Schulen aus.
Zu oft ist die Ausstattung ein Problem, Geräte funktionieren nicht, die Software ist alt und niemand da, der sich darum kümmert. Das führt zu Frust unter engagierten Lehrern und Ablehnung bei Technik-Skeptikern. "Alle unsere Smartboards wurden abgestellt, weil einige ältere Lehrer nicht damit zurecht kamen", erzählt der Münchner Schülersprecher Samuel Sacher. An der Schule des Elftklässlers projizieren Lehrer mit Dokumentenkameras an die Wand und beschreiben Smartboards wie Tafeln, obwohl sie per Fingerwisch ins Internet gehen könnten. Wer viele Schulen besucht, weiß, dass dies ein Extrem-, aber kein Einzelfall ist. Die Schüler erzählen von Lehrern, die bei analogen Methoden bleiben, weil sie sich digital nicht auskennen. "Ich bin verwundert, wie gut die anderen ausgestattet sind", sagt dagegen die Augsburger Schülerin Jessica Zaglowek. An ihrer Schule denke man die fehlende Ausstattung im Unterricht längst mit.
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Um derlei Unterschiede zu vermeiden, legten Bund und Land Förderprogramme auf. Die Kommunen sollten bei der Finanzierung unterstützt werden. Neben 212,5 Millionen Euro versprach Bayern eine Fortbildungsoffensive und Stellen für Systembetreuer. Aber statt Euphorie herrscht bei den kommunalen Spitzenverbänden Frust: Die Landesmittel waren schneller ausgeschöpft als erwartet, das Geld aus Berlin kann noch nicht beantragt werden. Der Bayerische Städtetag warf der Staatsregierung Wortbruch vor, denn vor der Landtagswahl war von einer laufenden Finanzierung gesprochen worden. Das Kultusministerium verweist auf 778 Millionen Euro aus dem Digitalpakt des Bundes. Die Förderrichtlinie seien aktuell im "finalen Abstimmungsprozess", heißt es nun. Man gehe davon aus, die Richtlinie vor der Sommerpause veröffentlichen zu können.
Die Ideen der Schüler gehen über Technik hinaus: Das Fach Informatik müsse umgebaut werden, findet Joshua Grasmüller, Landesschülersprecher für Gymnasien. Er würde den Medienführerschein zur Pflicht machen, damit alle Schüler die Risiken der Digitalisierung kennen und damit umgehen können. "Schule muss sich der Realität anpassen", sagt auch die Freisinger Schülersprecherin Lina Pasler. In der Unterstufe sei Medienbildung wichtiger als Roboterbauen, in der Mittelstufe sollen Zehnfingerschreiben, Word und Excel folgen, in der Oberstufe das Programmieren.
Das Ministerium sieht die Digitalisierung als Aufgabe aller Fächer. Die Schüler lassen das nicht gelten. Im Lehrplan müsse stehen, was welches Fach vermittelt, sagt Grasmüller. Deisenhofer, Digitalexperte der Grünen, sieht sich durch die Jugendlichen bestätigt: "Wieso setzen wir Chancen der Digitalisierung nicht im Unterricht ein?" Gerade bei der Differenzierung sei mehr möglich als analog. Als Ideal beschreiben die Schüler, was theoretisch längst möglich sein soll: Sie wollen am PC mitschreiben und sich mit anderen verknüpfen oder sich von daheim ins Netzwerk einwählen, um Hausaufgaben abzurufen oder Lehrer fragen zu können. Die Realität muss aufholen.