Bildung:Bayerns Schulen zwischen Wechsel- und Distanzunterricht

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Unterricht in der Schule ist keine Selbstverständlichkeit. (Foto: Gregor Fischer/dpa)

Regierung und Wissenschaftler sind von dem Konzept überzeugt. Die Schulfamilie zweifelt an der Durchsetzbarkeit - unter anderem im Digitalen.

Von Anna Günther, München

Etwa 640 000 der 1,7 Millionen bayerischen Schüler werden bis zu den vorgezogenen Weihnachtsferien in zehn Tagen keine schriftlichen Tests oder Klausuren mehr schreiben und keinen praktischen Sportunterricht mehr haben. Das teilte das Kultusministerium am Dienstag mit. Betroffen sind alle Schüler, die sich von Mittwoch an gemäß der neuen Infektionsschutzverordnung im Distanzunterricht oder im Wechsel aus Distanz- und Schulunterricht befinden. Mündliche Prüfungen sind weiter möglich. Der Wechsel gilt für ganz Bayern, Distanzunterricht ist für Berufsschulen - außer Fach-, Berufsoberschulen und Wirtschaftsschulen - angeordnet und gilt auch für alle Regionen, deren Sieben-Tage-Inzidenz die 200er-Marke übersteigt. 24 Landkreise und kreisfreie Städte lagen am Dienstag darüber.

Anders als bisher sind diese Regeln keine Empfehlungen für die Kreisverwaltungsbehörden, sie müssen nun handeln: Sobald sie die Inzidenz von 200 festgestellt haben, müssen sie die Schulen informieren, die einen Tag Zeit haben, um den Distanzunterricht vorzubereiten und Schüler, Lehrer und Eltern zu informieren. Von den strengeren Regeln ausgenommen sind Grund- und Förderschüler, die fünften, sechsten und siebten Klassen sowie Abschlussklassen. Spielraum besteht laut Kultusministerium nur, falls Landräte und Bürgermeister die Regeln verschärfen wollen, wie etwa im Kreis Regen, wo von Mittwoch an alle Schulen geschlossen sind.

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Kultusminister Michael Piazolo (FW) versprach faire Rahmenbedingungen für alle Schüler und verwies wieder auf die großen Herausforderungen der Pandemie für alle in der Schulfamilie. An Nachhol- und Härtefallregeln für die ausgefallenen Klausuren werde schon gearbeitet. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte in seiner Regierungserklärung an, dass Zeit- und Lehrpläne angepasst würden und die Abschlussprüfungen falls nötig verschoben werden. Das Abitur 2021 beginnt bereits zwei Wochen später als geplant. Es solle keinen zusätzlichen Leistungsdruck geben und dennoch werde man auf die Qualität der Abschlüsse achten, sagte Söder.

Die Lehrerverbände beruhigte das nicht: Niemand könne erwarten, dass Wechsel- und Distanzunterricht wie Präsenzstunden ablaufe, sagte Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrerverbands. Zudem sei die Vergleichbarkeit dahin, wenn 40 Prozent der Schüler nicht oder nur im Wechsel in der Schule sind. Wie dieses Schuljahr "leistungsmäßig gewertet" werde, müsse völlig neu gedacht werden. Die Arbeitsgemeinschaft der Lehrerverbände von Gymnasien, Realschulen, beruflichen Schulen und der Katholischen Erziehergemeinschaft forderte mehr Schutz für Lehrer durch FFP2-Masken und Lüftungsgeräte sowie eine belastbare Software für den Distanzunterricht und klare Vorgaben für Distanz- und Wechselunterricht, die bis zu den Zwischenzeugnissen Mitte Februar gelten.

Es ist offen, ob das Schulnetzwerk Mebis dem Andrang Stand hält

Kaum waren die neuen Regeln bekannt, stellte sich schon die Frage, ob das alles ausreicht, um die avisierte 50er-Inzidenz zu erreichen. Wissenschaftler der Leopoldina plädierten am Dienstag für noch frühere Weihnachtsferien von kommendem Montag an. Auch Lars Dölken, Chef der Virologie an der Würzburger Uniklinik, sagt, alle könnten deutlich mehr tun, um Senioren zu schützen und die Zahl der Corona-Infizierten und Toten zu senken. Strikt Kontakte reduzieren etwa und FFP2-Maske tragen statt Mund-Nasen-Schutz. Einen Maskenmangel gebe es nicht mehr. Auch Dölken plädiert für frühere Ferien: "Für alle Familien, die ihre Großeltern besuchen wollen, wäre es gut, wenn am 11. Dezember der letzte Schultag wäre." Nur so könnten Familien echte Quarantäne umsetzen, um die Großeltern an Weihnachten nicht in Gefahr zu bringen.

Auch Söder bezog sich auf die Leopoldina. Aber der Empfehlung, die Ferien vorzuziehen, folgt Bayern nicht. Dabei hört man sogar aus den Schulen, dass eine Woche Ferien mehr auch egal wäre. Viel sei von Wechsel- und Distanzunterricht nicht zu erwarten. Noch immer ist nicht klar, ob die Datenschutzfragen beim Videoprogramm Microsoft Teams lösbar sind und die Lizenz ins neue Jahr verlängert werden kann. Offen ist, ob das Schulnetzwerk Mebis dem Andrang im Distanzunterricht Stand hält. Am Mittwochmorgen jedenfalls brach die Lernplattform prompt zusammen und war gut zwei Stunden lang nicht erreichbar.

Zwar investiert die Staatsregierung Milliarden in die Digitalisierung und Tausende Lehrer haben Fortbildungen besucht, aber trotzdem dürfte der Distanzunterricht an den verbleibenden Schultagen nicht überall funktionieren. Lehrergeräte fehlen, teilweise auch schnelles Internet und Wlan.

Zugleich hört man von Digitalprofis, dass Eltern nun Lehrer unter Druck setzen, weil sie auf das datenschutzsichere Mebis setzen, das aber keinen Livestream leisten kann. Mebis-Nutzer und Teams-Schulen seien verunsichert. Immerhin kündigte Piazolo an, dass die Schulen noch vor den Ferien erfahren sollen, wie es im Januar mit MS Teams weitergeht, das Hunderte Schulen einsetzen.

© SZ vom 09.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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