Künstliche Intelligenz im Klassenzimmer:Schüler sind ihren Lehrern in Sachen KI-Kompetenz voraus

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Feedback durch künstliche Intelligenz kann Lehrkräften Arbeit abnehmen und Schülern schnell und individuell Tipps geben, wie hier in der Mittelschule Bad Kötzting. (Foto: Anna Günther)

Zwar hat die Pandemie einen Digitalisierungsschub an bayerischen Schulen in Gang gesetzt, trotzdem haben viele Schüler Probleme mit simplen Web-Recherchen. Kultusministerin Stolz will Lehrer und Schüler nun fit machen bei der Digitalkompetenz.

Von Finn Sanders

Kann Schule in Bayern Digitalisierung und KI? Ja, sagte Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW): „Bayern hat in puncto digitale Bildung seine Hausaufgaben gemacht.“ Zum dritten Mal seit 2017 hat die Vereinigung eine Studie zur digitalen Bildung in Bayern in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse präsentierte sie am Mittwoch gemeinsam mit Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) sowie Frank Fischer, Inhaber des Lehrstuhls für empirische Pädagogik und pädagogische Psychologie an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU).

„Corona hat an den Schulen in unserem Land einen gewaltigen Digitalisierungsschub in Gang gesetzt“, sagte Brossardt. Zwischen 2019 und 2024 sei die Zahl der digitalen Klassenzimmer von etwa 24 000 auf etwa 77 000 gestiegen. Zudem habe sich die Zahl der mit Wlan angebunden Klassenzimmer fast verdoppelt. Doch was machen Lehrende und Lernende daraus?

Auffällig ist, dass die befragten Lehrkräfte diesmal angaben, in 30 Prozent aller Unterrichtsstunden digitale Medien einzusetzen, während es 2019 sogar 53 Prozent der Unterrichtsstunden gewesen sein sollen. „Wir waren überrascht“, sagte Fischer dazu. Man müsse sich allerdings die Frage stellen, ob es notwendig sei, über die Hälfte der Unterrichtszeit mit digitalen Medien zu verbringen“, stellte der Professor zur Debatte. Lehrkräfte würden sich heute genauer damit auseinandersetzen, wann der Einsatz von digitalen Medien einen echten Mehrwert für den Unterricht bringe.

Die befragten Schüler wiederum haben den Eindruck, der Medieneinsatz im Unterricht sei um etwa die Hälfte gestiegen. Das könnte daran liegen, dass „digitale Medien erstmals häufiger für aktive als für passiv-rezeptive Lernaktivitäten eingesetzt werden“, sagte der Professor.

In der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften sind medienbezogene Kompetenzen mittlerweile verstärkt verankert. Eine „überraschende Lücke“ gebe es allerdings beim Bereich „Lerndiagnose und Feedback“, sagte Fischer – nur etwa ein Prozent aller angebotenen Fortbildungen beschäftige sich mit dem Thema – obwohl sowohl die VBW als auch Kultusministerin Stolz eine der großen Chancen von KI im individuelleren Feedback für Schülerinnen und Schüler sehen.

Gleichzeitig wird gerade bei den Schülerinnen und Schülern Potenzial für Verbesserung deutlich: 30 bis 50 Prozent von ihnen hätten nur gering ausgeprägte Medienkompetenzen, sagte Fischer. 45 Prozent von ihnen bereitete die Durchführung von Internetrecherchen Schwierigkeiten. Zum Beispiel gaben weniger als die Hälfte an, sich mit digitalen Medien aktiv in Diskussionen einbringen zu können.

KI ist im Klassenzimmer angekommen

Die Studie „Digitale Bildung an bayerischen Schulen“ beruht auf der Auswertung von Telefon- und Online-Befragungen zwischen Mitte Dezember 2023 und Mitte Januar 2024. Insgesamt 676 Lehrkräfte und 916 Schülerinnen sowie Schüler aus allen Regierungsbezirken und aller Schulformen haben daran teilgenommen. Außerdem haben die Forschenden der LMU und der Universität Augsburg (UNA) Modulpläne, Prüfungsordnungen von Lehramtsstudiengängen und Lehrpläne analysiert. In den vergangenen Monaten seit der Befragung könnte sich „alles rund um künstliche Intelligenz schon verändert haben“, sagte Fischer.

Gerade deshalb seien auch die Ergebnisse zum Thema KI besonders erfreulich: Fast drei Viertel aller befragten Schülerinnen und Schüler haben KI im Unterricht diskutiert. Neun Prozent haben sie bereits im Unterricht verwendet. „Das ist sehr, sehr schnell gegangen“, sagte Fischer dazu. Allerdings sehen 50 Prozent aller Lehrkräfte an weiterführenden Schulen keine Potenziale künstlicher Intelligenz für das schulische Lernen. „Chancen der individualisierten Unterrichtsgestaltung werden nur von fünf Prozent der Befragten gesehen“, sagte Fischer.

Für Kultusministerin Stolz gehören digitale Kompetenzen und KI-Kompetenz zu den Schlüsselqualifikationen von Schülerinnen und Schülern. KI verändere das Lehren, Lernen und die Prüfungsgestaltung grundlegend, sagte sie. Gemeinsam mit Vertretern der Schulfamilie und der Verbände hat Stolz einen Dialog zur Weiterentwicklung der Prüfungskultur gestartet.

KI als Chance für individuelle Förderung

Als zwei der größten Chancen von KI betonte sie die noch individuellere Förderung der Lernenden sowie die Entlastung der Lehrkräfte bei Routineaufgaben, sodass mehr Zeit für pädagogische Arbeit bleibt. „Der digitale Wandel erfordert immer wieder ein neues Lernen. Ich verspreche mir für die Lehrerinnen eine Entlastung, durch Tools, die zum Beispiel vorkorrigieren, oder Prüfungsaufgaben erstellen.“

Neu in diesem Kontext seien auch das KI-Kompetenzzentrum an der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung in Dillingen sowie ein KI- und Medienbudget, mit dem Schulen Software finanzieren können. Wo Bedarf bestehe, wolle sie Lehrkräfte unterstützen, insbesondere bei der Aktualisierung der Lehrpläne, um „nicht ganz so zeitgemäße Inhalte“ zu entfernen und durch neue Themen wie KI zu ergänzen. Als Ziel beschreibt Stolz unter anderem eine KI, in der der bayerische Lehrplan hinterlegt sein soll, um Lehrkräfte zu unterstützen. „Digitale Bildung braucht immer einen pädagogischen Mehrwert. Wo es diesen Mehrwert gibt, wollen wir digitale Mittel kraftvoll nutzen.“

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