Bildung während Corona:Wenn "Bonjour" wie ein paar Schuhe klingt

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Vielleicht bedeutet das Pandemiejahr für Schüler nicht nur Negatives. Sie können auch einiges übers Leben lernen.

(Foto: picture alliance/dpa)

In der Corona-Pandemie gibt es jeden Tag neue Horrornachrichten aus den Schulen. Das erinnert den Autor stark an die eigene Jugend.

Glosse von Sebastian Beck

Es vergeht inzwischen kaum mehr ein Tag ohne Horrormeldungen aus den Schulen. Sie gipfeln darin, dass die Kinder und Jugendlichen während der Pandemie nicht nur nichts gelernt haben, sondern das, was sie vorher gewusst hatten, auch noch vergessen haben. Das ist sehr schrecklich, weil es den Autor an die nutzlose Zeit seiner Adoleszenz erinnert, als ihm fünf Fünfer das Zwischenzeugnis in der elften Klasse verschandelten. Merke: Auch der beste Präsenzunterricht kann an einem jungen Mann spurlos vorbeigehen, wenn sein nagelneuer Körper wie wild Hormone ausschüttet.

Seine Kompetenzen in Mathematik beschränkten sich darauf, dass er den Notenschnitt bis auf die zweite Stelle hinter dem Komma ausrechnen und auf dieser Basis Prognosen treffen konnte. Eine düstere Erkenntnis lautete: Er musste in der letzten Lateinschulaufgabe volle Punktzahl erreichen, um sich auf eine 4- zu retten. Weil ihm Latein - Achtung Kalauer - immer lateinischer vorkam, lernte er die Metamorphosen des Ovid im Homeschooling auswendig - eine der größten Gedächtnisleistungen aller Zeiten.

Wenn er in Französisch nur "Bonjour" sagte, greinte die ganze Klasse, denn aus dem Munde eines Altbayern klingt das Wort wie "ein paar Schuhe". Mit dem Mathe-Lehrer einigte sich der Jüngling auf 0,54 Punkte und das Versprechen, im Gegenzug nie wieder was mit Zahlen zu machen. So schleppte er sich bis zum Abitur durch. Bei seinem Notenschnitt hätte er 324 Semester warten müssen, um in Regensburg Medizin zu studieren. Er machte dann halt was anderes. Von der Schulzeit sind noch einige Sätze in Erinnerung geblieben: "It's simple to drink Dimple" - "Quem, quam, quod" - "Fundamentalsatz 8" - "Le piéton de l'air". Das war's im Wesentlichen. Der Vater des faulen Gymnasiasten aus Markt Schwaben hatte übrigens in Straubing das Notabitur abgelegt. Nach dem Krieg reichte für das Klassentreffen ein kleiner Tisch.

Ja klar, nun kann man leicht sagen: Schlimmer geht immer. Aber vielleicht war das Pandemiejahr für die Schüler nicht nur ausschließlich schlecht. Womöglich werden sie in 20 Jahren zurückblicken und sagen: Wir haben während der Pandemie zwar viel Stoff versäumt, aber doch einiges übers Leben gelernt.

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Schueler waehrend einer Unterrichtsstunde Feature an einer Schule in Goerlitz 03 02 2017 availa

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