SchonungenBistum will sieben Kita-Gebäude verkaufen - an eine klamme Gemeinde

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Nicht nur Personalkosten, sondern auch der Unterhalt ihrer Gebäude, in denen Kindergärten betrieben werden, bereiten der katholischen Kirche in Unterfranken finanzielle Probleme. (Symbolbild)
Nicht nur Personalkosten, sondern auch der Unterhalt ihrer Gebäude, in denen Kindergärten betrieben werden, bereiten der katholischen Kirche in Unterfranken finanzielle Probleme. (Symbolbild) (Foto: Imago)

Die katholische Kirche betreibt in Schonungen sieben von neun Kindergärten - eine kostspielige Angelegenheit, denn die Einrichtungen sind klein. Jetzt will die Kirche die Gebäude loswerden, die teils marode sind. Ein „Überraschungsei“ nennt das der Bürgermeister, der jetzt einen Millionenbetrag lockermachen muss.

Von Joshua Sprenger

Die Kindertagesstätte St. Josef in Hausen sieht unscheinbar aus: unverputzte Steinwand, braunes Ziegeldach, kleiner Vorgarten mit Rasen. Darin steckt ein kleiner Zaun mit dem Schriftzug „Regenbogenland“. Mehr Einfamilienhausidylle als Kindergarten.

Dass im „Regenbogenland“ nicht alles idyllisch ist, zeigt ein Anruf bei Bürgermeister Stefan Rottmann (SPD). „Das Gebäude ist so sehr in die Jahre gekommen, dass wahrscheinlich ein kompletter Neubau her muss“, sagt er. Eigentlich wäre dies das Problem der katholischen Kirche, die diesen sowie weitere sechs Kindergärten in Rottmanns Gemeinde Schonungen (Landkreis Schweinfurt) betreibt. Nun aber wird es für Rottmann zum Problem – und zwar zu einem gewaltigen: Die Kirche will die Gebäude verkaufen – alle sieben auf einmal.

Die Kindergärten in Schonungen gehören dem Bistum Würzburg, das jedoch nur die Gebäude verkaufen möchte. Der katholische Wohlfahrtsverband Caritas soll weiterhin für den Betrieb verantwortlich bleiben. Die Betriebskosten von Kindergärten sind größtenteils durch staatliche Zuschüsse und Elternbeiträge gedeckt. Eng wird es darum erst, wenn, wie jetzt, größere Sanierungen anstehen.

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Zwischen 2011 und 2022 haben die evangelische und die katholische Kirche rund zehn Prozent ihrer Mitglieder verloren. In der Konsequenz bedeutet das: weniger Mittel aus Kirchensteuern – und damit weniger Geld für die Finanzierung der sozialen Dienste. Wo die Kirche sich zurückzieht, müssen immer öfter Kommunen einspringen. Diese kämpfen aber selbst mit stagnierenden Steuereinnahmen, massiv steigenden Kosten und einem Rekorddefizit, wie der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Markus Pannermayr, beklagte. Auch Schonungen sieht sich in der Verantwortung: „Kinderbetreuung ist Aufgabe des Staates. Irgendjemand muss es machen“, sagt Bürgermeister Rottmann.

Die Gemeinde und das Bistum stecken aktuell mitten im Verkaufsprozess. Dabei gibt es ein Zauberwort: Verkehrswertgutachten. Damit wird der Wert der einzelnen Gebäude bestimmt, denn jedes sei ein „Unikat“, wie Rottmann es nennt. Für das Gutachten werden etwa die Sanierungsbedürftigkeit oder bereits geflossene staatliche Zuschüsse berücksichtigt. „Beim Kauf wollen wir natürlich nicht bezahlen, was wir sowieso schon reingesteckt haben“, so Rottmann.

Ein besonderer Fall ist zudem die Kita im Ortsteil Mainberg. Dort ist das Gebäude Teil eines Pfarrheims. „Dass wir als Gemeinde kein Pfarrheim kaufen, ist natürlich klar“, erklärt Rottmann. Das heißt: Aus sieben Gebäuden werden sechs. Der Gemeinderat hat auf Basis der Gutachten ein Kaufangebot für jedes einzelne der Gebäude gestellt. Eine konkrete Summe möchte Rottmann nicht nennen, er spricht nur von einem „siebenstelligen Betrag“.

Schonungens Bürgermeister Stefan Rottmann verhandelt gerade mit dem Bistum Würzburg über den Kauf ihrer Kita-Gebäude in seiner Gemeinde.
Schonungens Bürgermeister Stefan Rottmann verhandelt gerade mit dem Bistum Würzburg über den Kauf ihrer Kita-Gebäude in seiner Gemeinde. (Foto: Gemeinde Schonungen)

Für Schonungen mit einem Haushalt von rund 36 Millionen Euro sind das erhebliche Ausgaben. Vor allem, weil der Kauf laut Rottmann ein „Überraschungsei“ sei. Viele der Gebäude seien so sanierungsbedürftig, dass noch unklar sei, welche zusätzlichen Kosten auf die Gemeinde zukommen.

Dass Schonungen mit 8000 Einwohnern überhaupt so viele Kindergärten hat, liegt daran, dass es eine sogenannte Flächengemeinde ist, sich die Einwohner also räumlich weit verteilen. Betreut werden muss trotzdem jedes Kind. „Wir haben genauso viele Kindergärten wie in der Stadt. Dort sind die Einrichtungen jedoch größer, was sie wirtschaftlicher macht. Infrastruktur auf dem Land zu erhalten, ist einfach teurer“, schildert Rottmann.

Zudem liegen die Kindergärten noch in der Hand eines Trägers: der katholischen Kirche. Die Präsenz ihres Wohlfahrtsverbandes Caritas sei „historisch gewachsen sehr stark“ in Unterfranken, erklärt Clemens Bieber, Vorsitzender der Caritas Unterfranken. Die Kirche hat jahrzehntelang den Bau von Kindergärten mit Kirchensteuermitteln bezuschusst, um die soziale Infrastruktur in den Dörfern zu stärken.

Das zeigt sich auch in den Zahlen. Laut eigenen Angaben sind aktuell noch 61 Prozent der Kindertagesstätten in Unterfranken in der Hand der katholischen Kirche. Zum Vergleich: Im bayerischen Landesdurchschnitt sind es nur rund 30 Prozent. Nun kann sich die Kirche den Unterhalt der vielen Immobilien nicht mehr leisten.

Vor allem der Brandschutz hat den Unterhalt der Gebäude verteuert

Für die Verwaltung der Gebäude ist das Bistum Würzburg verantwortlich, das direkt von Kirchensteuereinnahmen abhängig ist. Die verharrten in den vergangenen fünf Jahren im Bistum Würzburg konstant bei rund 180 Millionen Euro. Gleichzeitig trieben „staatliche und behördliche Auflagen“ die Kosten für den Erhalt der Gebäude in die Höhe, wie es in einem Brief des Bistums Würzburg an die Träger der Kitas heißt es. Vor allem für den Brandschutz seien Zusatzausgaben notwendig, die durch die schwierige finanzielle Situation und den Rückgang der Kirchensteuermittel nicht mehr gedeckt werden können. Der Brief gibt auch die Stoßrichtung für die Zukunft vor: „Die Bauträgerschaft von Kindertageseinrichtungen soll nach Möglichkeit an die Kommunen abgegeben werden.“

Clemens Bieber von der Caritas in Unterfranken beschreibt das Vorgehen der Kirche ähnlich: „Immer, wenn in einem Kindergarten eine größere Investition oder Modernisierung notwendig ist, gehen wir als Kirche mit der Gemeinde ins Gespräch und fragen an, ob sie das Gebäude übernehmen kann.“ Etwa 500 Kitas betreibt die Kirche aktuell in Unterfranken, in circa 360 Fällen gehören ihr auch die Gebäude. Etwa 30 davon habe man in den vergangenen Jahren bereits abgegeben.

Die Caritas ist unabhängiger von den Kirchensteuern als das Bistum, da sie sich zusätzlich durch öffentliche Zuschüsse, Beiträge oder Leistungen der Sozialversicherungen finanziert. Aber auch im Verband Unterfranken machen die Zuschüsse aus dem Bistum 30 Prozent des Haushalts aus. Das bedeutete für 2021 und 2022 einen stagnierenden Haushalt, 2023 sogar einen Rückgang von zwei Millionen Euro – und damit: sparen. „Wir haben unsere ganzen Strukturen abgeklopft und geschaut, wo wir als Caritas Unterfranken Themen doppelt bearbeiten, um unnötigen Aufwand zu vermeiden. Aber an manchen Stellen werden wir uns fragen müssen, ob wir das Angebot so aufrechterhalten können“, erklärt Bieber. Bisher sei aus finanziellen Gründen jedoch noch kein Dienst eingestellt worden.

Kürzungen könnten vor allem Dienste treffen, die von der Caritas mithilfe der Kirchensteuermittel allein finanziert werden – wie etwa die Armenfürsorge oder die Schwangerenberatung. Der Betrieb der Kitas sollte sich hingegen weitestgehend unabhängig vom Haushalt der Caritas durch staatliche Zuschüsse und Elternbeiträge tragen. Jedoch bietet die Caritas den Kitas Unterstützung in der Verwaltung an, die ebenfalls aus Kirchensteuermitteln finanziert wird – etwa wirtschaftliche Beratung, falls eine Kita in finanzielle Schwierigkeiten gerät.

In Schonungen hofft Bürgermeister Rottmann, dass der Kauf bald abgeschlossen ist. Solange unklar ist, wem die Gebäude gehörten, „hängen wir noch in der Luft und können nichts investieren“. An der Arbeit in den Kitas werde sich durch den Besitzerwechsel nichts ändern – darin sind sich Rottmann und Bieber einig.

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