Süddeutsche Zeitung

Schlacht von Höchstädt:Das "gräulichste Spectaculum von der Welt"

Die Bayerische Schlösserverwaltung hat einen kostbaren Offiziersdegen aus einer Zeit erworben, in der Bayern beinahe zur Weltmacht aufgestiegen wäre.

Von Hans Kratzer, Höchstädt

Am 13. August 1704 hat sich nahe dem schwäbischen Dorf Blindheim einer der fürchterlichsten Waffengänge des 18. Jahrhunderts zugetragen. Ein Augenzeuge nannte das Gemetzel, das als die Schlacht von Höchstädt in die Annalen einging, das "gräulichste Spectaculum von der Welt". In wenigen Stunden lagen 25 000 Tote und Verwundete auf dem Schlachtfeld. Das heutige Europa ist nicht zuletzt das Ergebnis dieser Katastrophe. Umso verwunderlicher ist es, dass dieses Jahrtausend-Ereignis im bayerischen Schulunterricht kaum Erwähnung findet. So bleibt es vor allem einer Dauerausstellung im Schloss Höchstädt (Landkreis Dillingen) überlassen, diese folgenreiche Schlacht nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Die Zahl der Relikte, die dort zu bestaunen sind, wächst immer noch.

Am Montag ließ die Bayerische Schlösserverwaltung abermals mit einem einzigartigen Neuerwerb aufhorchen. Zwar schlägt der Darstellung von Kriegswaffen häufig Skepsis entgegen. Trotzdem haben sie für das Verständnis der Vergangenheit eine hohe Bedeutung. In diesem Fall handelt es sich um einen altbayerischen Offiziersdegen der Infanterie aus der Zeit der Schlacht von Höchstädt. Seine Besonderheit sind aufwendig hergestellte Gravuren an der Klinge wie etwa das altbayerische Wappen und die Inschrift "Vivat Maximilian Emanuel", wodurch die Waffe eindeutig den bayerischen Truppen um Kurfürst Max Emanuel zuzuordnen ist. Derartig verzierte und beschriftete Waffen aus jener Zeit seien äußerst selten, teilte die Schlösserverwaltung mit, die den Offiziersdegen von einem Experten für historische Waffen erwerben konnte. Kostspielige Gravierungen waren damals nur auf Offiziersdegen üblich. Trotzdem ist die Waffe kein Paradedegen, sondern voll funktionsfähig.

Die kurbayerischen Truppen standen in der Schlacht von Höchstädt an der Seite der Franzosen, die sich aber der siegreichen Koalition der englischen und österreichischen Truppen geschlagen geben mussten. Einer der wildesten bayerischen Herrscher war zweifellos der Kurfürst Max Emanuel, der als Hauptschuldiger der Schlacht von Höchstädt gelten muss. "Er war zwar der größte Bauherr und Kunstförderer unter allen Herrschern Bayerns, zugleich aber der kriegerischste und aggressivste", urteilt der Historiker Marcus Junkelmann. Den Hintergrund der Schlacht bildete der Spanische Erbfolgekrieg (1701-1714), den die europäischen Mächte nach dem Tod des kinderlosen spanischen Königs Karl II. (1700) angezettelt hatten. Zu verlockend war das Erbe des spanischen Weltreichs, das sich über weite Flächen Europas, Amerikas und der Philippinen ausdehnte.

Von der Gier gepackt, schlug sich Max Emanuel auf die Seite der Franzosen, die bei einem Sieg in Höchstädt eine globale Machtstellung errungen hätten. Allerdings überrumpelten der englische Herzog von Marlborough, ein Vorfahre Winston Churchills, und Prinz Eugen von Savoyen die bayerischen und französischen Einheiten. So zerplatzten in der schwäbischen Donauebene deren Weltmachtsträume, stattdessen begann der Aufstieg Englands zur Großmacht. Für Bayern folgte eine fast zehnjährige Besatzungszeit, in der die Österreicher das Land rücksichtslos ausbeuteten. Das Volk litt schwer, die Bauern probten deshalb 1705/06 den Aufstand, wurden aber in der Sendlinger Mordweihnacht und im niederbayerischen Aidenbach niedergemetzelt, auch dies ein Vermächtnis der Schlacht von Höchstädt. Max Emanuel aber wurde nach Brüssel verbannt und seiner Länder für verlustig erklärt. 1714 bekam er sie zurück, und wundersamerweise begann jetzt aus tiefster Not heraus eine Blüte der Baukunst.

Der Kurfürst vollendete Barockschlösser wie Schleißheim und Nymphenburg, die in der ersten Liga der europäischen Kunstbauwerke rangieren. Kein Wunder, dass die Ausstellung in Höchstadt unentwegt Staunen hervorruft. Neben vielen Originalstücken vermitteln Hörstationen und Animationen ein Panoptikum der damaligen Ereignisse. Und wem das nicht reicht, der kann auf das Schlachtfeld hinausradeln, das von Blindheim bis nach Lutzingen reicht. Aussichtstürme, Denkmäler und Feldherrnhügel rufen die Schlacht auf faszinierende, aber auch beklemmende Weise ins Gedächtnis zurück. Das Grauen und die Ästhetik - hier stehen sie eng beieinander und machen deutlich, dass damals beinahe die halbe Welt unter weiß-blaue Obhut gelangt wäre. Auch das hätte für Bayern vermutlich kein glückliches Ende genommen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5342553
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 06.07.2021/syn
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.