Unterstützung in der PandemieRückforderungen der Corona-Hilfen überschreiten eine Milliarde Euro

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Als Hotels, Restaurants und Frisiersalons leer blieben, gewährte der Staat oft unbürokratisch die nötige Liquidität. Doch gerade Corona-Soforthilfen müssen jetzt teilweise wieder zurückgezahlt werden.
Als Hotels, Restaurants und Frisiersalons leer blieben, gewährte der Staat oft unbürokratisch die nötige Liquidität. Doch gerade Corona-Soforthilfen müssen jetzt teilweise wieder zurückgezahlt werden. (Foto: Jan Woitas/dpa)

In der Pandemie verteilten der Freistaat Bayern und der Bund großzügig Nothilfen an Unternehmen und Selbständige. Auf die Freude folgte bei vielen Empfängern der Frust. Denn falsch ausgezahltes Geld muss zurückgezahlt werden.

Von Nina von Hardenberg

Die Idee der Corona-Soforthilfen war richtig. Daran will Verbandsvertreter Achim von Michel keinen Zweifel lassen. Die schnelle Finanzspritze von Freistaat und Bund half tausenden Firmen, denen in der Pandemie plötzlich die Einkünfte wegbrachen. Als Hotels, Restaurants und Frisiersalons leer blieben, gewährte der Staat unbürokratisch die nötige Liquidität. „Das war gut gemeint“, sagt von Michel, der Sprecher des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW) ist. Weniger glücklich findet er, dass Bayern, anders als ursprünglich erwartet, gerade einen Teil dieses Geldes wieder in die Staatskasse zurückfließen lässt.

Die Rückforderungen von Corona-Hilfen aller Art belaufen sich in Bayern inzwischen auf 1,1 Milliarden Euro. Das geht aus einer aktuellen Anfrage von Johannes Meier, einzelhandelspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag, hervor. Entgegen offizieller Zusagen des bayerischen Wirtschaftsministeriums aus dem Jahr 2021, kein allgemeines Rückmeldeverfahren durchzuführen, würden Unternehmen und Selbständige nun „massiv zur Kasse gebeten“, kritisiert Meier.

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Den größten Posten bei den Rückforderungen machen demnach die Corona-Soforthilfen aus. Nach Angaben des bayerischen Wirtschaftsministeriums wurden dort bislang 758 Millionen Euro zurückgezahlt, nachdem hier zuvor aber auch viel verteilt wurde: 260 000 Betriebe erhielten insgesamt ganze 2,2 Milliarden Euro. Um die Rückzahlung der Soforthilfen gab es trotzdem von Anfang an Ärger. Bayern und der Bund haben diese Hilfe gleich zu Beginn der Pandemie großzügig ausgezahlt.  Olaf Scholz (SPD), damals noch Finanzminister, nannte die Finanzhilfe im März 2020 eine Bazooka, eine martialische Abwehrwaffe, mit der er gegen die heraufziehende Wirtschaftskrise ankämpfen wollte.

Das Geld wurde von Not leidenden Unternehmen gerne angenommen, doch schon bald folgte Frust. Das Wirtschaftsministerium hatte in der von der AfD erwähnten Pressemitteilung im Februar 2021 tatsächlich zunächst eine allgemeine Überprüfung der Zahlungen für Bayern ausgeschlossen. Die Verfahren seien für die Verwaltung bis auf wenige Nachprüfungen abgeschlossen, hieß es darin.

Die Empfänger konnten also damit rechnen, das Geld behalten zu dürfen. Später wurden die Firmen dann doch aufgefordert zu melden, wie sie das Geld genau verwendet hatten. Der Bund, von dem ein Großteil der Hilfe stammt, bestand auf die Prüfung, um Betrug und Steuergeldverschwendung vorzubeugen. Die Stichproben hatten laut Ministerium zudem gezeigt, dass eine „erhebliche Zahl“ an Empfängern „rückblickend zu hohe Hilfszahlungen erhalten“ habe.

Seither sind bei zahlreichen Betrieben Rückforderungsbescheide im Briefkasten gelandet. Beim kleinen Friseur oder Einzelhändler liegen sie zwischen 5000 und 9000 Euro, bei größeren Unternehmen können sie bis zu 30 000 Euro betragen. In der angespannten wirtschaftlichen Lage trifft das manchen Betrieb hart. Klagen blieben indes bislang erfolglos: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der Rückforderungen bestätigt.

Möglicherweise erklären Gerichte in höherer Instanz die Rückforderungen noch für ungültig

Der Freistaat fordert das zu viel verschenkte Geld juristisch gesehen also mit Recht zurück. Sein Auftrag, sorgsam mit Steuergeld umzugehen, verpflichtet ihn sogar dazu. Politisch aber hinterlässt dieses erste Hilfsprogramm nicht Dankbarkeit, sondern vor allem Frust. Denn manch einer, der jetzt zurückzahlen muss, war damals sehr wohl in Not, hat aber Kosten geltend gemacht, die nicht erstattet werden. So ließ der Freistaat zur Überraschung vieler Unternehmer Personalausgaben bei der Berechnung des Liquiditätsengpasses nicht gelten.  Wer also Gehälter aus der Soforthilfe weiterzahlte, muss dieses Geld nun wieder hergeben. Bundesländer wie etwa Baden-Württemberg sind da weniger streng.

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Wegen dieser Ungleichbehandlung könnten Gerichte in höheren Instanzen die Rückforderung noch für ungültig erklären, glaubt von Michel. Der Verband rät seinen Mitgliedern deshalb, das Geld bis zur endgültigen juristischen Klärung nur in Raten zurückzuzahlen oder selbst zu klagen. Nils Bergert von der Kanzlei Steinbock und Partner in Würzburg ist da etwas vorsichtiger. Er rät nach dem Urteil des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nur noch in Einzelfällen zur Klage gegen die Soforthilfe, etwa aufgrund abgelaufener Fristen. Seine Kanzlei erhält täglich Anfragen. Einige habe man erfolgreich durchgefochten.

Insgesamt dürften die Corona-Wirtschaftshilfen die Gerichte noch Jahre beschäftigen. Neben Streitereien um die Soforthilfe gibt es an den Verwaltungsgerichten derzeit mehr als  2000 weitere offene Klageverfahren. Sie betreffen die zahlreichen später aufgelegten Corona-Hilfen für die Wirtschaft (darunter die Überbrückungshilfe, November- und Dezemberhilfe, Härtefallhilfe). Nach Angabe des Wirtschaftsministeriums wurden über diese Programme weitere 11,9 Milliarden Euro verteilt. Die Empfänger müssen hier eine Schlussabrechnung vorlegen, was bislang gut zwei Drittel auch getan haben. Manche mussten Geld zurückzahlen, andere freuen sich über unverhoffte Zahlungen, wenn sie zeigen konnten, dass ihre Umsatzrückgänge höher als angenommen waren. Insgesamt wurden hier bislang 373 Millionen Euro zurückgefordert und 151 Millionen Euro noch nachträglich gewährt.

Rückforderungen gab es auch bei den Programmen für Kunst und Kultur, die das Ministerium für Wissenschaft und Kunst verwaltet: Im Soloselbstständigen-Programm betragen diese 4,8 Millionen Euro, im   Spielstätten- und Veranstalterprogramm 4,7 Millionen Euro, im Stipendienprogramm „Junge Kunst und neue Wege“ 67 000 Euro und im Künstlerhilfsprogramm insgesamt 946 000 Euro. Zusammen summieren sich die Rückforderungen so auf mehr als 1,1 Milliarden Euro.

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