Skandal wegen verunreinigten WassersWarum die Wasserversorgung auf Berghütten so schwierig ist

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Das Rotwandhaus ist ein beliebtes Ziel oberhalb des Spitzingsees. Bis zu 1000 Gäste kommen an guten Tagen. Doch es gibt dort immer wieder Probleme mit belastetem Wasser.
Das Rotwandhaus ist ein beliebtes Ziel oberhalb des Spitzingsees. Bis zu 1000 Gäste kommen an guten Tagen. Doch es gibt dort immer wieder Probleme mit belastetem Wasser. (Foto: Hermann Dobler/Imago)

Kolibakterien, Rota- und Noroviren: Quellwasser im Gebirge kann mit unterschiedlichsten Erregern verunreinigt sein - und wird darum aufwendig gereinigt. Im Rotwandhaus funktionierte das offenbar nicht einwandfrei, der Pächter ist deswegen fristlos gekündigt. Und der Alpenverein setzt große Hoffnung auf den neuen.

Von Joshua Sprenger

Es ist 8:30 Uhr am vergangenen Sonntag, als ein Mitarbeiter des Rotwandhauses vor die Tür tritt. Die ersten Wanderer haben ihr Frühstück bereits beendet und richten sich im Vorraum her. Das Haus ist gut gefüllt – wer kurzfristig noch eine Übernachtung reservieren wollte, musste sich auf die Warteliste setzen lassen. Der Mitarbeiter geht die kleine Auffahrt hinunter, die zur Hütte führt, ausgestattet mit einer rot-weißen Kette, Kabelbindern und einem laminierten Blatt Papier. Er befestigt das Schild an der Kette und sperrt die Zufahrt. Auf dem Rückweg dreht er sich noch einmal um und kontrolliert, ob gut lesbar ist, was auf dem Blatt steht: Rotwandhaus geschlossen.

Es ist die zweite Schließung innerhalb eines Jahres. Bereits vergangenen Mai musste das Haus auf rund 1700 Metern Höhe oberhalb des Spitzingsees den Betrieb einstellen, nachdem die Bergwacht 21 Besucherinnen und Besucher wegen starker Magen-Darm-Beschwerden versorgen musste. Sieben Betroffene wurden damals in einem Krankenhaus betreut. Zunächst war von einer wahrscheinlichen Infektion mit Kolibakterien die Rede, auch das hochansteckende Norovirus wurde bei einigen gefunden. Bei Untersuchungen des Trinkwassers wurden dann auch Rotaviren entdeckt.

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Als Konsequenz ließ die zuständige DAV-Sektion Turner-Alpen-Kränzchen eine neue Wasseraufbereitungsanlage installieren. „Bei der alten Anlage floss das Wasser trotzdem durch, auch wenn sie nicht mehr funktioniert hat. Die neue hat bei Störungen blockiert. Dadurch wollten wir den Pächter zwingen, sich um die Probleme zu kümmern“, erklärt Anselm Greulich, Schatzmeister des Turner-Alpen-Kränzchens. Teil dieser neuen Anlage war ein mechanischer Filter und eine UV-Bestrahlung, um die Keime zu töten. Dieses Mal sei unter anderem die Lampe defekt gewesen und der Filter verstopft. Statt die Mängel zu beheben, habe der Pächter das Wasser einfach direkt aus der Quelle entnommen, so Greulich.

Davon mitbekommen hat der Vorstand nur durch Zufall. „Wir wollten den Wirt wegen eines ganz anderen Themas anrufen. Dann ist jedoch nur ein Mitarbeiter ans Telefon gegangen, der in einem Nebensatz erwähnt hat, dass es eine Störung bei der Wasseraufbereitungsanlage gibt. Da sind bei uns natürlich alle Alarmglocken angegangen“, so Greulich. Bereits seit drei Wochen habe es immer wieder Probleme mit der Anlage gegeben. Vergangene Woche am Montag schickte die Sektion schließlich einen Mitarbeiter auf die Hütte, um die defekten Teile auszutauschen. Am darauffolgenden Freitag traf sich der Vorstand zu einer außerordentlichen Sitzung.

„Für uns war das Risiko untragbar, dass noch mal so etwas passiert wie letztes Jahr. Da geht es nicht nur um die Gesundheit der Gäste und Mitarbeiter, sondern auch um den Ruf des Hauses“, sagt Greulich. Am Samstagmorgen sprach die Sektion die fristlose Kündigung aus. Die Übernachtungsgäste für den Tag durfte der Pächter noch versorgen. „Wir können die Leute ja nicht vor verschlossene Türen stellen. Da haben wir das nächste alpine Drama.“ Der Pächter war am Donnerstag telefonisch nicht zu erreichen.

Die Wasserversorgung auf Berghütten ist seit jeher ein heikles Thema. „Wir sind in den meisten Fällen nicht an eine öffentliche Trinkwasserversorgung angeschlossen – einfach wegen der abgeschiedenen Lage“, sagt Robert Kolbitsch, Ressortleiter Hütten & Wege im DAV-Bundesverband. Tiefgelegene Quellen, die vom natürlichen Filter des Geländes profitieren, sind selten. In der Regel speisen sich die Hütten aus Schmelzwasser von Gletschern oder Schneefeldern sowie Regenwasser. Doch dieses sogenannte Oberflächenwasser ist häufig verunreinigt: etwa durch Sedimente oder Bakterien, verursacht durch Fäkalien von Wildtieren und Kühen.

Wie am Rotwandhaus wird das Wasser auf vielen Hütten zunächst gefiltert und anschließend mit UV-Licht bestrahlt, um Keime abzutöten. „Auch wenn der Aufwand groß ist – wir müssen natürlich Trinkwasserqualität liefern“, sagt Robert Kolbitsch. Die Verantwortung dafür liege bei den Pächtern: Sie seien verpflichtet, die Anlagen zu betreiben und regelmäßig zu warten. Dafür erhalten sie eine Schulung vom DAV. Die Wasserqualität wird zudem einmal im Jahr geprüft.

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Der Klimawandel macht die Wasserversorgung auf Berghütten zunehmend zur Herausforderung. Auf Phasen mit Starkregen folgen Trockenperioden. „Bei starkem Regen ist das Wasser so verschmutzt, dass es selbst nach der Filterung noch trüb bleibt – dann funktioniert die UV-Bestrahlung nicht“, erklärt Kolbitsch. In trockenen Zeiten dagegen reicht das Wasser schlicht nicht aus. Was das konkret heißt, zeigt das Beispiel der Neuen Prager Hütte am Großvenediger in den Ostalpen: Dreimal musste sie wegen Wassermangels vorzeitig schließen. Aktuell wird sie auf Trockentoiletten umgerüstet. „Viele Gäste glauben trotzdem, sie könnten den Wasserhahn wie im Tal einfach aufdrehen. Das Bewusstsein dafür, wie aufwendig die Versorgung in den Bergen ist, ist ausbaufähig“, sagt Kolbitsch.

Für die DAV-Sektion von Anselm Greulich ist der vorgezogene Pächterwechsel ein Kraftakt. Zwar wäre der Vertrag Ende Juni ohnehin ausgelaufen – doch nun muss alles schneller gehen. Bis zum 25. Mai soll der alte Pächter das Haus geräumt haben. Mehr als 30 Jahre war er auf der Hütte, viele der Möbel sowie Küchengeräte wie die Spülmaschine oder der Schockfroster gehören ihm. Trotzdem sieht Greulich in der Situation auch eine Chance: „Jetzt können wir Dinge angehen, die im laufenden Betrieb nie möglich wären.“ Etwa im Kühlraum die Wände neu fliesen, damit sie künftig leichter zu reinigen sind. Dafür muss allerdings die Kälte raus – „und dann könnte ich normalerweise kein Bier mehr zapfen, weil die Fässer warm wären.“ Viele Arbeiten will die Sektion mit Ehrenamtlichen in Eigenregie stemmen.

Greulich rechnet damit, dass bis Mitte Juni zumindest der Tagesbetrieb wieder aufgenommen werden kann. „Der neue Wirt ist auf jeden Fall sehr ambitioniert.“ Wann auch Übernachtungen wieder möglich sind, will er dem Pächter überlassen. Nach dem Vorfall im vergangenen Jahr seien die Gäste anfangs zwar vorsichtiger gewesen – doch das Haus war bald wieder gut ausgelastet. Sorgen um das Rotwandhaus macht sich Greulich daher keine großen. „Kommunikativ haben wir es dieses Mal besser gemacht: Wir haben schnell gehandelt und die Deutungshoheit behalten. Insofern ist der Imageschaden überschaubar.“

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