Süddeutsche Zeitung

Unwetter:Das Jahr der Hagelflieger

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Mit ihren Flugzeugen versprühen ein paar Spezialisten Silberiodid, um Unwetter abzumildern. Schwere Schäden gab es heuer trotzdem. Das ficht die Flieger nicht an.

Von Matthias Köpf, Rosenheim

Speziell im Süden Bayerns sind vielerorts noch immer Kfz-Gutachter unterwegs, um Schäden zu schätzen, die in den Hagelstürmen dieses Sommers an vielen Autos entstanden sind. Auch die Dachdecker sind mit dem Abarbeiten ihrer hagelbedingten Aufträge noch längst nicht fertig. Andere Spezialisten jedoch haben ihre Einsätze für heuer beendet und blicken nach eigenen Angaben auf eine außergewöhnliche Saison zurück. "Es war ein Hageljahr, wie ich es in den vergangenen 40 Jahren noch nicht erlebt habe", sagt Georg Vogl, der Chef der Rosenheimer Hagelflieger.

Diese Hagelflieger sind schon seit den 1970er-Jahren am Himmel über dem Süden Oberbayerns unterwegs, um von ihren Flugzeugen aus in teils waghalsigen Manövern im Aufwind von Gewitterzellen Silberjodid zu versprühen und zu zünden. Der entstehende Rauch soll der Feuchtigkeit in der Gewitterwolke zusätzliche Kristallisationskeime bieten - idealerweise mit dem Effekt, dass anstelle weniger großer Hagelkörner viel mehr kleinere und leichtere entstehen, die am Boden weniger Schaden anrichten oder auf dem Weg nach unten ganz dahinschmelzen und zu normalen Regentropfen werden.

Das Alpenvorland hat es heftig erwischt

Im Raum Rosenheim wird schon seit den 1930er-Jahren mit dieser Technik experimentiert, zunächst lange mit Hilfe kleiner Raketen vom Boden aus. Dass die hagel- und schadenmindernde Wirkung des Silberiodids von vielen Wetterkundlern bezweifelt oder der Effekt in einer Gewitterzelle bestenfalls als vernachlässigbar eingeschätzt wird, hat die vom Landkreis Rosenheim getragenen Hagelflieger noch nie angefochten. Sie arbeiten seit mehreren Jahren mit der örtlichen Technischen Hochschule zusammen und führen eigene Statistiken, um die Wirksamkeit ihres Tuns zu belegen.

Zuletzt waren Stadt und Landkreis Rosenheim, die Kreise Traunstein und Miesbach sowie Kufstein im benachbarten Tirol, welche die Rosenheimer Hagelabwehr gemeinsam finanzieren, jedenfalls mehrere Jahre in Folge ohne gravierende Hagelschäden davongekommen. In diesem unwetterträchtigen Sommer jedoch hat es das oberbayerische Alpenvorland heftig erwischt.

Fast zwei Drittel aller Einsätze hat es laut Vogl im Juni gegeben. Allein in dem Monat hätten die beiden Propellermaschinen während zweier intensiver Hagelphasen an insgesamt neun Tagen aufsteigen müssen, an manchen Tagen sogar zweimal. Davon, dass es in diesem Jahr trotzdem zu schweren Hagelschäden kam, lässt sich Vogl nicht beirren. Vor allem nicht, "wenn man sieht, welche Schäden in den umliegenden Landkreisen, vor allem im Juni durch den Hagel entstanden sind. Da gab es einige Hagelzüge, die um uns herum gekreist sind. Sie haben sich im Tölzer oder Garmischer Raum aufgebaut, sind am südlichen Rand von München vorbeizogen und dann weiter über die Landkreise Ebersberg, Mühldorf und Altötting. An vier Tagen nahm das Gewitter nahezu die gleiche Route, das ist sehr ungewöhnlich", sagt Vogl. Bei einem Einsatz hätten Hagelkörner auch ein Flugzeug beschädigt. Es sei repariert und außerplanmäßig in Stuttgart gewartet worden und am nächsten Tag wieder einsatzbereit gewesen.

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