Wintersport in den Bergen:Auf Kufen ins Krankenhaus

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Vorsicht, Rücksicht, die richtige Fahrtechnik und eine gute Ausrüstung gelten dem Kuratorium für Alpine Sicherheit als wichtige Faktoren für möglichst verletzungsfreies Rodeln. (Foto: Matthias Köpf)

Rodeln boomt und hat an manchen Bergen schon dem Skifahren den Rang abgelaufen. Doch wo immer mehr Menschen zu Tal rasen, kommt es auch zu immer mehr Unfällen.

Von Matthias Köpf, Rottach-Egern

Mit dem 1722 Meter hohen Wallberg über dem Südende des Tegernsees hätte sich das Bayerische Kuratorium für Alpine Sicherheit eigentlich genau den richtigen Berg ausgesucht. Denn ein klassisches alpines Skigebiet gibt es hier schon seit Jahrzehnten nicht mehr, aber seit bald 26 Jahren eine ausgewiesene Rodelbahn. Und das Rodeln boomt. Es gilt auch immer mehr Seilbahnbetreibern als etwas klimafestere Alternative zum Skibetrieb. So sparen sich seit diesem Winter etwa die Jennerbahn am Königssee und die Kolbensattelbahn bei Oberammergau den Aufwand für das künstliche Beschneien breiter Skipisten und präparieren stattdessen nur noch schmale Rodelstrecken. In den Bergen aber, so warnt das Kuratorium für Alpine Sicherheit bei seinem Wintertreffen am Donnerstag in der Bergstation der Wallbergbahn, sei das Rodeln noch einmal etwas ganz anderes als irgendwo am Schlittenhügel.

Die Rodelstrecke vom Wallberg zum Beispiel ist immerhin sechseinhalb Kilometer lang. In rund einer halben Stunde überwinden die Rodler hier mehr als 800 Höhenmeter. Für Kleinkinder sei die Strecke nicht geeignet, heißt es warnend von der Wallbergbahn. Doch in diesem Winter lag auf der nicht künstlich beschneiten Strecke am Wallberg ohnehin noch an keinem einzigen Tag genügend Schnee, und in der vergangenen Wintersaison war die Rodelbahn auch nur an insgesamt zehn Tagen geöffnet.

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Anderenorts war heuer aber in vielerlei Hinsicht schon deutlich mehr los. Am Blomberg bei Bad Tölz zum Beispiel musste die Bergwacht am vergangenen Wochenende innerhalb von eineinhalb Stunden gleich drei verletzte Rodlerinnen versorgen. Eine Frau hatte sich bei einem Sturz eine Kopfverletzung zugezogen, eine andere eine tiefe Schnittwunde am Oberschenkel – und die Dritte hatte an der eigentlich gut abgesicherten Einsatzstelle die Kontrolle über ihren Schlitten verloren und war in ein Fahrzeug der Bergwacht gekracht. Die Fahrten endeten jeweils im Krankenhaus.

Allein in Bayern musste die Bergwacht im vergangenen Winter mehr als 130 verletzten Rodlern Hilfe leisten und sie sicher ins Tal bringen, sagt Stefan Winter vom Deutschen Alpenverein. Die österreichische Bergrettung war demnach doppelt so oft bei Rodelunfällen im Einsatz, und noch weitaus mehr entsprechende Einsätze habe dort der normale Rettungsdienst ganz ohne spezialisierte Bergretter absolviert. Rodeln und Schlittenfahren gelte als Hüttengaudi und als Spaß für die Familie, werde dabei aber „nicht selten unterschätzt“ – gerade, wenn es mal steiler, enger und schneller zugehe. Und immer voller wird es auf den beliebteren Rodelstrecken ja auch noch.

Die Rettung von Verschütteten aus Lawinen ist ein Dauerthema für die Bergwacht, für die Polizei und damit auch für das Kuratorium für Alpine Sicherheit. (Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Bis zu 40 Kilometer pro Stunde könne so ein Rodel schon draufhaben auf einem präparierten Forstweg – und mit so einem Tempo wolle doch sicher niemand gegen einen Baum, einen Felsen oder einen anderen Rodler prallen, wie DAV-Mann Winter die häufigsten Unfallarten beschreibt. Neben Rücksicht, Vorsicht, Nüchternheit, Handschuhen und festem Schuhwerk sollte beim Rodeln aus seiner Sicht auch ein Skihelm Standard sein, bekräftigt Winter. Eine generelle Helmpflicht beim Rodeln zu fordern, hält man allerdings für aussichtslos beim Kuratorium für Alpine Sicherheit, zu dem sich unter anderem der DAV, die Bergwacht, die bayerischen Polizeibergführer, der Skiverband und der Skilehrerverband zusammengeschlossen haben.

Das Rodeln habe das Kuratorium „bisher noch nicht so stark beschäftigt“, sagt dessen neu gewählter Präsident Thomas Holz. Allerdings rechnet der CSU-Landtagsabgeordnete aus Kochel am See auch angesichts des fortschreitenden Klimawandels mit einer weiter steigenden Tendenz beim Rodeln, und „das verändert ganz gravierend das Unfallgeschehen“. Vom Jenner jedenfalls berichten die Bahnbetreiber bisher von einer Verdreifachung der Rodelwilligen im Vergleich zur Vorsaison, und auch dem allerersten Welt-Rodel-Tag des Internationalen Rodelverbands am 19. Januar sollen noch viele weitere Folgen, jeweils am dritten Sonntag im Januar.

Das Thema Lawinen will das Kuratorium bei all dem nicht vernachlässigen. In Bayerns Bergen ist im vergangenen Winter ein Mensch in einer Lawine gestorben, im benachbarten Österreich waren es insgesamt 14 Tote. Die Lawinenwarnzentrale im Landesamt für Umwelt arbeitet nach Angaben ihres Leiters Thomas Feistl unter anderem an einer verbesserten Kommunikation mit den Bergsportlern. So können diese die Lawinenwarnungen inzwischen auch auf Facebook und Instagram finden und mit einer neuen App namens „Snobs“ selbst ohne große Umstände eigene Beobachtungen, Daten, Fotos und Videos zur Lawinenlage hochladen und dadurch zu präziseren Warnungen beitragen.

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