Oberpfalz:Erosion bei der SPD in Regensburg

Plädoyers im Wolbergs-Prozess

Im kommenden Jahr geht es auch im Regensburger Rathaus um eine neue politische Zusammensetzung.

(Foto: Armin Weigel/dpa)
  • Die Stadträte Thomas Thurow und Ernst Zierer sind aus der SPD-Rathausfraktion ausgetreten.
  • Die "bunte Koalition" aus SPD, Grünen, Freien Wählern und FDP kommt nun nur noch auf 24 von 50 Sitzen - und verliert damit ihre Mehrheit.
  • Die Koalitionspartner zeigen sich trotzdem gelassen.

Von Andreas Glas, Regensburg

Von einem "Paukenschlag" ist die Rede, einer "Zerreißprobe", gar vom "Zerfall" der SPD. Das sind die Regensburger Pressestimmen, nachdem die Stadträte Thomas Thurow und Ernst Zierer am Dienstagabend ihren Austritt aus der SPD-Rathausfraktion bekannt gegeben haben. In einer gemeinsam verfassten Erklärung nannten Thurow und Zierer als einzigen Austrittsgrund den "Umgang der Fraktion und der Partei mit dem vorläufig suspendierten Oberbürgermeister Joachim Wolbergs", der unter Korruptionsverdacht steht.

Auch OB Wolbergs hat der SPD im Frühjahr den Rücken gekehrt und eine Wählervereinigung namens "Brücke" gegründet. Dieser Gruppe wollen nun offenbar auch die zwei abtrünnigen SPD-Stadträte beitreten. Das sei "gut vorstellbar", teilen sie mit.

Was die Austritte für die politischen Kräfteverhältnisse in Regensburg bedeuten, kann man leicht ausrechnen. Die sogenannte bunte Koalition aus SPD, Grünen, Freien Wählern und FDP kommt nur noch auf 24 von 50 Sitzen - und verliert damit ihre Mehrheit. Im Zuge der Korruptionsaffäre hatte die Koalition bereits zwei Stadträte verloren. Im Sommer 2016 war Tina Lorenz (Piraten) ausgetreten, im April 2017 verließ Norbert Hartl die SPD-Fraktion, der neben Wolbergs ebenfalls im derzeit noch laufenden Korruptionsprozess angeklagt ist. Die stabile Koalition mit starkem Oberbürgermeister (Wahlergebnis: 70 Prozent) ist binnen drei Jahren zu einer formal führungslosen Minderheitsregierung geschrumpft.

Während die lokale Presse nun also das Schlimmste fürchtet, geben sich die Koalitionspartner gelassen. SPD-Fraktionschef Klaus Rappert geht davon aus, "dass wir die Arbeit, die wir mit der Koalition vorhaben, weiterhin mit Stadtratsmehrheit betreiben". Auch Thurow und Zierer versichern in ihrer Mitteilung, dass sie "die inhaltliche Arbeit der Koalition bis zum Ende der Wahlperiode auf der Grundlage des Koalitionsvertrages mittragen". Daher könne "von ungeordneten Mehrheiten nicht die Rede" sein, sagt SPD-Fraktionschef Rappert. Auch Horst Meierhofer (FDP) geht "nicht davon aus, dass sich etwas an der Zusammenarbeit ändert" mit den abtrünnigen SPD-Stadträten. Ähnlich entspannt klingen Vertreter von Grünen und Freien Wählern, die sich öffentlich zu den Austritten geäußert haben.

Nachdem es bisher so aussah, als habe Wolbergs' Wählervereinigung erst bei der Kommunalwahl 2020 die Chance, in den Stadtrat einzuziehen, könnte es nun also schon in dieser Legislaturperiode zwei Brücke-Stadträte geben. Das wäre "ein ungewöhnlicher Fall", sagt Wilfried Schober, Sprecher des Bayerischen Gemeindetages, aber "nach den bisherigen Rechtsgrundsätzen müsste es möglich sein", dass Thurow und Zierer eine Fraktion mit dem Namen "Brücke" bilden - freilich vorausgesetzt, die Wählervereinigung ist einverstanden. Bahnt sich hier ein Manöver an, um dem suspendierten OB mittels der beiden Überläufer wieder Einfluss auf die Regensburger Stadtpolitik zu verschaffen? "Das ist doch Quatsch", sagt der Brücke-Vorsitzende Wolbergs auf Nachfrage, "völlig an den Haaren herbeigezogen".

In der SPD geht derweil die Sorge um, dass weitere Stadträte die Fraktion verlassen könnten, falls in der kommenden Woche das Gerichtsurteil im Korruptionsprozess milde ausfallen oder Wolbergs gar freigesprochen werden sollte. Dessen langjährige Parteikollegen Thurow und Zierer haben den Zeitpunkt, die Fraktion zu verlassen, "bewusst vor den der Urteilsverkündung gelegt, um dem Oberbürgermeister damit den Rücken zu stärken und ihm zu zeigen, dass er nicht alleine ist", heißt es in ihrer Mitteilung.

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