Der neue Tierschutzskandal auf Bayerns größtem Milchviehbetrieb im schwäbischen Bad Grönenbach stößt in der Landespolitik auf Entsetzen und Fassungslosigkeit. „Tiermisshandlungen sind völlig inakzeptabel“, sagt Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU). „Der Staat muss hier mit der vollen Härte des Gesetzes durchgreifen.“ Das Fehlverhalten einzelner dürfe nicht zum Schaden all derjenigen beitragen, die ihre Tiere verantwortungsvoll versorgen. Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler), der kraft Amtes für den Tierschutz in Bayern zuständig ist, äußert sich ähnlich. „Tierschutz ist ein hohes Gut“, sagt er. „Tierschutzverstöße sind nicht hinnehmbar.“ Die Aufnahmen zeigten schlimme Szenen von Tierquälerei. „Es ist richtig, dass die Staatsanwaltschaft ermittelt“, sagt Glauber. „Sollte sich der Verdacht von Straftaten bestätigen, braucht es strafrechtliche Sanktionen.“ Allerdings dürfe die Landwirtschaft jetzt nicht unter Generalverdacht gestellt werden.
Der Milchviehbetrieb in Bad Grönenbach, der mit beinahe 2200 Tieren Bayerns größter Rinderbetrieb ist, steht seit einer Woche erneut im Fokus von Kontrollbehörden, Staatsanwaltschaft und Polizei. Der Grund ist der Verdacht auf massive Verstöße gegen den Tierschutz. Der Anwalt des Betriebs weist die Vorwürfe freilich entschieden zurück. Anlass der abermaligen Ermittlungen gegen den Betrieb, der bereits 2019 im Zentrum des damaligen Allgäuer Milchviehskandals stand, sind investigative Recherchen der Tierrechtsorganisation Soko Tierschutz. Sie hatte 2024 einen Mitarbeiter auf dem Betrieb eingeschleust. Die Bilder, die der Mann laut Soko Tierschutz mit versteckter Kamera aufgenommen hat, zeigen beispielsweise, wie Arbeiter Kälbern und Kühen gegen den Kopf treten und sie schlagen, bis der Stock bricht.

SZ Bayern auf Whatsapp:Nachrichten aus der Bayern-Redaktion – jetzt auf Whatsapp abonnieren
Von Aschaffenburg bis Berchtesgaden: Das Bayern-Team der SZ ist im gesamten Freistaat für Sie unterwegs. Hier entlang, wenn Sie Geschichten, News und Hintergründe direkt aufs Handy bekommen möchten.
Die Landtags-Grünen und die SPD fordern eine sofortige Stärkung der Kontrollbehörden. „Die wiederholten Enthüllungen über gravierende Missstände in Nutztierhaltungen und auf Schlachthöfen sind ein unhaltbarer Zustand“, sagt der Grünen-Abgeordnete Paul Knoblach. „Das bestehende Kontrollsystem versagt – und das darf nicht länger hingenommen werden.“ Aus Sicht der SPD-Abgeordneten Ruth Müller zeigen die Enthüllungen der Soko Tierschutz, dass „das Kontrollsystem, das die Staatsregierung hier etabliert hat, nicht funktioniert“. Die beiden Parteien verlangen deshalb eine schnelle Sachverständigenanhörung mit dem Ziel, eine effektivere Durchsetzung und Kontrolle des Tierschutzes in Bayern zu gewährleisten.
Schon jetzt haben die Grünen in einem offenen Brief an Kaniber und Glauber ihre vier zentralen Forderungen formuliert. So verlangen sie mehr Personal und Ressourcen für die Veterinärbehörden, damit flächendeckend unangekündigte Kontrollen auf den Bauernhöfen möglich werden. Außerdem machen sie sich für ein öffentliches Kontrollbarometer für alle tierhaltenden Betriebe und Schlachthöfe stark, damit Verbraucher nachvollziehen können, ob der jeweilige Betrieb den einschlägigen Vorgaben entsprechend arbeitet. Ebenfalls zu dem Katalog zählen härtere Sanktionen und schnellere Tierhaltungsverbote, als sie bisher üblich sind.
Nach Vorstellung der Grünen darf es auch keine weitere Verlagerung von Veterinärkontrollen vom Umweltministerium auf das Landwirtschaftsministerium geben, wie das Ministerpräsident Markus Söder und der Präsident des bayerischen Bauernverbands (BBV), Günther Felßner, kurz vor der Landtagswahl 2023 verabredet hatten. Interessenkonflikte müssten vermieden werden, heißt es dazu in dem offenen Brief. In der Zwischenzeit hat sich das Ansinnen von Söder und Felßner freilich als organisatorisch extrem schwierig herausgestellt, sodass die ursprünglich vereinbarte Reform der Veterinärkontrollen weitgehend abgesagt wurde.
Aus Kanibers Sicht muss vor allem die Prävention gestärkt werden. „Es ist kaum zu ertragen, dass immer wieder einzelne Überforderte die vielen, vielen fleißigen und engagierten Bäuerinnen und Bauern in Misskredit bringen“, sagt sie. „Die Leidtragenden sind die Tiere und Tierhalter, und wir müssen überlegen, wie wir solche Missstände, die offensichtlich nicht immer durch Kontrollen aufgedeckt werden können, im Vorfeld schon vermeiden.“ Dabei verweist sie auf die „umfangreichen Hilfsangebote“ staatlicher Behörden oder des Bauernverbands.
Ähnlich äußert sich der Bauernverband. Auf die Vorwürfe gegen den Milchviehbetrieb in Bad Grönenbach will man dort nicht näher eingehen. Bauernpräsident Felßner, der ja nach dem Willen von CSU-Chef Söder neuer Bundesagrarminister werden soll, ist demnach derzeit aktuell voll mit den Koalitionsverhandlungen in Berlin ausgelastet. Und „aus der Außenperspektive ist uns ein Urteil zu den Vorwürfen nicht möglich“, heißt es auf eine Anfrage der SZ aus der Geschäftsstelle. Außerdem sei es Sache der Kontrollbehörden und gegebenenfalls der Staatsanwaltschaft und Gerichte, das Bildmaterial der Soko Tierschutz zu sichten und zu prüfen.