Fast fünf Jahre, nachdem in Bayern in der um sich greifenden Pandemie zum ersten Mal alle Schulen und Kindertagesstätten geschlossen wurden, ist an der Pfaffenwinkel-Realschule im oberbayerischen Schongau wegen Corona gerade mal wieder ein kleines bisschen Unterricht ausgefallen. Zumindest eine Schülerin aus der zehnten Klasse und Direktor Armin Eder müssen am Dienstag größere Teile ihres Schultags im Verwaltungsgericht in München verbringen. Als Schulleiter unterrichtet Eder aber ohnehin nicht mehr allzu viel, und auch den ersten Anlass für diesen Rechtsstreit gab Eder nicht persönlich im Klassenzimmer, sondern per Durchsage im gesamten Schulgebäude.
Mit dieser Durchsage unmittelbar nach den Herbstferien 2021 hat er den Eindruck erweckt, dass in seiner Pfaffenwinkel-Realschule die Maskenpflicht nicht gelte – jedenfalls nicht für die Schüler, solange sie auf ihren Plätzen säßen und sofern diese Plätze mindestens eineinhalb Meter Abstand zueinander hätten. So haben offenbar einige seiner Zuhörer in den Klassenräumen und im Lehrerzimmer die Durchsage verstanden, und so hat es dann auch weit über die Schule hinaus ein gewisses mediales Aufsehen erregt.

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Die Staatsregierung hat ihre Vorschriften in der Pandemie in schneller Folge geändert, und auch in Schulen trafen dauernd neue „Kultusministerielle Schreiben“ (KMS) ein. Im Herbst 2021 aber galt eine Maskenpflicht für alle Schüler, auch an ihren Plätzen. Deswegen und weil außerdem gewisse Zweifel aufgekommen sind, ob der Direktor selber stets maskiert gewesen ist, hat sich das Ministerium dann gleich wieder bei Eder gemeldet. In letzter Konsequenz hat die Sache im Sommer 2022 zu einer disziplinarischen Verfügung geführt, mit der dem Schulleiter sein Salär für zwölf Monate um zehn Prozent gekürzt wurde. Dagegen wiederum hat Eder geklagt und jetzt nach dreieinhalb Jahren seinen Prozess bekommen.
Ein Urteil möchte der Richter aber nicht nur sich selbst ersparen, sondern auch den anderen Beteiligten. Deshalb schlägt er gleich einmal ein paar Pflöcke ein: Die Landesanwaltschaft als Disziplinarbehörde solle bei ihren Verfügungen ganz grundsätzlich konkreter werden, welches Verhalten pflichtwidrig gewesen sein soll. So habe Eder durch einige Äußerungen in Elternbriefen, in der Lokalpresse und auch einmal in einem Interview mit der SZ womöglich nicht die „Flucht in die Öffentlichkeit“ angetreten. Vielmehr könne er als Direktor, der seine Schule nach außen vertreten müsse, auch mal schlicht auf Anfragen reagiert haben.
Zugleich liege „auf jeden Fall ein dienstpflichtwidriges Verhalten vor“, lässt der Richter den Kläger wissen. Denn die Durchsage, er könne die Maskenpflicht am Platz nicht durchsetzen und werde bei Verstößen keine Verweise folgen lassen, lässt sich nach Ansicht des Richters kaum so missverstehen, wie Eder selbst missverstanden worden sein will. Zumal der Direktor damals in seiner Durchsage angefügt hatte, dass am Platz selbstverständlich eine Maske getragen werden dürfe und auch müsse, wenn sich die eineinhalb Meter Abstand nicht einhalten ließen. Daraus lasse sich ableiten, dass die Maskenpflicht am Platz aufgehoben sei, sagt der Richter. „Das ist ein klarer Verstoß gegen das KMS gewesen.“
Eder selbst schildert die frühe Phase der Pandemie als Leidenszeit. Auch im Kollegium habe es unterschiedliche Auffassungen gegeben, drei oder vier Corona-Leugner einerseits, und andererseits herzkranke Kollegen, die um ihr Leben fürchteten. Manche Fünftklässler hätten die Maske irgendwo im Gesicht gehabt, und Schüler mit weniger Geld hätten wochenlang ein und dieselbe getragen. Zwei Schüler, die sich ganz verweigerten, seien an eine Privatschule gewechselt. Lockerungen der Vorschriften im Sommer 2021 hat er demnach als erlösend empfunden. Aber im Herbst sollten die Maßnahmen dann wieder strenger werden. „Nein, das machen wir jetzt nicht nochmal“, habe er sich da gedacht.
Die Schülerin, die damals die siebte Klasse besucht hat, bekräftigt als Zeugin, dass die Schüler niemals angenommen hätten, dass die Maskenpflicht nicht mehr gelte. Eder habe die Maskenpflicht eigens betont. Der Direktor selbst habe stets Maske getragen – außer, wenn er im Englischunterricht neue Vokabeln vorgesprochen habe. Dabei, so berichtet es auch Eder selbst, habe er im Klassenzimmer stets maximalen Abstand zu den Schülern gehalten.
Der Landesanwalt sieht eher die Summe der Verfehlungen. Da ein missverständliches Rundschreiben, dort ein „maximal missverständlicher Elternbrief“, dann ein missverständliches Interview - „das sieht für uns eher nach längerer mangelnder Einsicht aus“. Die Disziplinarstrafe von einer Kürzung der Bezüge auf eine Geldbuße herunterstufen, wie Eders Anwalt vorschlägt, ist dem Landesanwalt und dem Richter zu wenig, eine Kürzung der Bezüge für zehn Monate reicht wiederum dem Richter und Eder kaum als Entgegenkommen aus. Also einigt man sich am Ende doch auf eine Kürzung für neun Monate. Ob die Maskenpflicht in den Schulen wirklich so sinnvoll war, wie damals weithin erhofft, haben im Nachhinein etliche Experten in Frage gestellt.