Süddeutsche Zeitung

Bayerische Landtagsabgeordnete:Bitte einsperren, rein vorsorglich

Könnte man nicht Bayerns Opposition in Präventivhaft nehmen? Natürlich nur, um Schlimmeres zu verhindern, zum Beispiel Untersuchungsausschüsse. Unser Autor spielt dieses Szenario mal durch.

Glosse von Roman Deininger

München, 25. November. Die bayerische Polizei hat am Freitag bei Razzien im gesamten Freistaat insgesamt 71 Personen in Präventivgewahrsam genommen. Das Innenministerium teilte mit, der Schritt sei "nötig und angemessen" gewesen, um die Begehung "einer politischen Sittenwidrigkeit von erheblicher Bedeutung" zu verhindern. Es lägen belastbare Hinweise vor, dass die Verdächtigen - darunter 38 Landtagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, 21 der SPD und zwölf der FDP - die Einrichtung von zwei neuen Untersuchungsausschüssen im Bayerischen Landtag geplant hätten, einen zum Zukunftsmuseum in Nürnberg und einen zur zweiten Stammstrecke in München. Die Verhältnismäßigkeit des Polizeigewahrsams, so das Innenministerium, werde natürlich den gesetzlichen Fristen folgend bereits nach den Weihnachtsfeiertagen neu geprüft.

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schrieb auf Twitter: "Ein herzliches Vergelt's Gott unseren geschätzten Beamtinnen und Beamten, deren vorausschauendes und beherztes Eingreifen weiteren Schaden gerade noch abgewendet hat." Nach Informationen aus Sicherheitskreisen stand die Begehung der Straftat unmittelbar bevor. Erleichtert zeigte sich auch CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer, der sich noch am Freitagmorgen gemeinsam mit seinem kompletten Fraktionsvorstand auf der Münchner Maximiliansbrücke vor dem Landtag festgeklebt hatte, um die Einrichtung der Untersuchungsausschüsse zu blockieren. Söder lobte Kreuzer und dessen Protestgruppe "Letzte Fraktion" für ihr "vorbildliches zivilgesellschaftliches Engagement". Nach Angaben der Münchner Feuerwehr dauerte die Ablösung der CSU-Abgeordneten Alexander König und Tanja Schorer-Dremel von der Fahrbahndecke am Freitagabend noch an. Der Abgeordnete Robert Brannekämper klebt demzufolge noch an einem Feuerwehrmann, bei dem er sich mit Handschlag für seinen Einsatz bedanken wollte.

Ein weiteres Kommando der "Letzten Fraktion" verübte am Freitag auch einen Anschlag auf das Porträt König Maximilians II. im Steinernen Saal des Landtags. Das Kommandomitglied Helmut Radlmeier schrieb mit süßem Senf den Satz "Aus mit Ausschuss" auf das Ölgemälde des Historienmalers Julius Zimmermann; die Abgeordnete Ute Eiling-Hütig hielt ihm laut Polizeibericht die Leiter. Nach Bekanntwerden der Protestaktionen forderten die Fraktionsvorsitzenden von Grünen, SPD und FDP umgehend eine harte Reaktion des Rechtsstaats. "Wir haben kein Verständnis, wenn Menschenleben gefährdet werden. Wir haben kein Verständnis, wenn Sachbeschädigung stattfindet", schreiben Ludwig Hartmann, Katharina Schulze (beide Grüne), Florian von Brunn (SPD) und Martin Hagen (FDP) in ihrer am Freitagabend veröffentlichten "Stadelheimer Erklärung".

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