Steigende GewaltbereitschaftInnenminister Herrmann nennt Gewalt gegen Polizisten „besorgniserregende Entwicklung“

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Eine Einheit der Polizei bereitet sich auf die Räumung eines Platzes vor.
Eine Einheit der Polizei bereitet sich auf die Räumung eines Platzes vor. (Foto: Daniel Vogl/dpa)

Im Freistaat wurden im vergangenen Jahr fast 3000 Polizistinnen und Polizisten im Einsatz verletzt, zeigt der Lagebericht. Obwohl die Fälle von körperlicher Gewalt leicht gesunken sind, nehme die Bereitschaft zu, Einsatzkräfte zu attackieren.

Von Lena Hamel

Seit Jahren beklagen Polizeibeamte in Bayern eine steigende Gewaltbereitschaft, sowohl in körperlicher als auch verbaler Weise, gegen sich und eine sinkende Hemmschwelle in der Bevölkerung, die auch vor Attacken gegen Einsatzkräfte nicht mehr zurückschreckt. Joachim Herrmann (CSU), Bayerns Innenminister, bezeichnet die Angriffe als „alarmierende Respektlosigkeit gegenüber unserem Rechtsstaat“ und „besorgniserregende Entwicklung“.

Die Anzahl der Beamten, die von körperlicher Gewalt betroffen sind, ist im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr um 2,8 Prozent gesunken; die Gesamtzahl aller Delikte ist nach dem Höchstniveau im Jahr 2020 auf das niedrigste seit 2017 zurückgegangen; die hohe Gewaltbereitschaft geht von deutlich weniger Tätern aus: Trotz dieser Entwicklungen meint Herrmann, „dass die Bereitschaft, Einsatzkräfte zu verletzten oder Verletzungen in Kauf zu nehmen, leider langfristig gestiegen ist“.

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Denn mit fast 3000 Polizistinnen und Polizisten, die im vergangenen Jahr in Bayern im Einsatz durch Angriffe verletzt wurden, wurde der zweithöchste Wert seit Beginn der statistischen Erfassung im Jahr 2010 erreicht. Dies geht aus dem aktuellen Lagebild zur Gewalt gegen Polizisten hervor, das Innenminister Herrmann am Mittwoch vorstellte. 14 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte mussten demnach 2024 wegen schwerer Verletzungen stationär behandelt werden.

Mit 3050 Verletzten erreichte die Bilanz 2023 ihren bisherigen Höchstwert. Dies ist kein bayerisches Phänomen – sowohl in anderen Bundesländern als auch im Ausland zeichnen sich schon lange ähnliche Entwicklungen ab. Für Aufsehen sorgte etwa im vergangenen Jahr der Fall eines getöteten Polizisten durch eine Messerattacke in Mannheim.

Zu den Fällen körperlicher Gewalt werden Raub, Körperverletzung, Widerstand oder tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte gerechnet. Aber auch Beleidigungen und Bedrohungen zählen zu den Schwerpunkten der Straftaten im Jahr 2024 und dem Vorjahr – auch wenn diese um jeweils 13,3 Prozent und 5,6 Prozent zum Vorjahr gesunken sind. Oft seien bei den Tätern Alkohol und Drogen im Spiel, sagt Herrmann. 84 Prozent der Tatverdächtigen waren männlich, rund 900 sogenannte Mehrfachtäter.

Die Tatorte lagen überwiegend auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen. Herrmann betont, dass Angriffe bei extremistischen Demonstrationen häufiger vorkommen. Besonders dann, wenn sich Gruppen gegnerischer Lager auf der Straße gegenüberstehen. Insgesamt an Gewalttaten gegenüber Polizeibeamten waren 32,3 Prozent nichtdeutsche Tatverdächtige beteiligt, der Anteil an deutschen Tatverdächtigen lag bei 67,7 Prozent.

Der Schutz der Polizisten werde durch Aus- und Fortbildung und die Entwicklung und Beschaffung von neuer und optimierter Ausrüstung gewährleistet. Dazu gehören ballistische Schutzausrüstung, Einsatzstock, Dienstwaffen und Body-Cams. Zudem gebe es auch Betreuungsleistungen, wie die Bayerische Seelsorge, Psychologen sowie Sozialpädagogen. Diese Maßnahmen reichen laut Herrmann allerdings nicht aus, es brauche auch gesellschaftliche Rückendeckung.

Die Gewerkschaft fordert Taser für alle Streifenbesatzungen

Jürgen Köhnlein, bayerischer Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, fordert „die flächendeckende Einführung von Distanzelektroimpulsgeräten – sogenannte Taser – für alle Streifenbesatzungen in Bayern“. Herrmann weist darauf hin, dass eine weitere Verbreitung, etwa über die Spezialeinheiten hinaus, in den nächsten Monaten geprüft werde. Dabei sollen unter anderem Informationen aus anderen Bundeländern ausgewertet werden.

In Bayern (wie auch anderswo) versuche die Politik die Polizistinnen und Polizisten durch eine rigorose Verfolgung und Verurteilung der Täter besser zu schützen. Im vergangenen Jahr lag die Aufklärungsquote bei 99,2 Prozent. Das Strafgesetzbuch sieht seit 2017 bei tätlichen Angriffen auf Einsatzkräfte eine Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten bis zu fünf Jahren vor, erklärt der bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU).

Seit einiger Zeit gebe es außerdem ein Konzept, mit dem bei Übergriffen auf Einsatzkräfte schneller agiert werden könne. „Das Konzept kommt zur Anwendung bei Widerstandshandlungen und tätlichen Angriffen gegen Polizeibeamte, Rettungskräfte und andere Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Da geht es um eine priorisierte Behandlung dieser Verfahren“, sagt Eisenreich. Seien Voraussetzungen für eine Priorisierung gegeben, komme es zu einer beschleunigten Bearbeitung bei der Polizei – das Ziel seien zwei Wochen.

Herrmann betont, dass die abnehmende Anzahl an Gewaltdelikten gegen Polizeibeamte erfreulich sei und aufzeige, dass die getroffenen Maßnahmen greifen würden. Weiter stellt er fest, dass die große Mehrheit der Bevölkerung hinter der Polizei stehe. Zudem sei er davon überzeugt, dass trotz dieser Zahlen, der Großteil der in Deutschland lebenden Menschen Polizisten gegenüber nicht negativ eingestellt sei. Dennoch brauche es wieder „Respekt“ vor der Polizei.

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