Die Fälle von Gewalt gegen Polizeibeamte in Bayern haben einen Höchststand erreicht. Wie ein Lagebild zeigt, das Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Montag vorstellte, gab es vergangenes Jahr mit 7689 Fällen von körperlicher und verbaler Gewalt ein Plus von knapp fünf Prozent im Vergleich zu 2017. Davon betroffen waren mehr als 17 000 Polizisten. In der Bilanz über einige Jahre geht die Kurve klar nach oben: 2010, zum Beginn der statistischen Erfassung, registrierten die Behörden 6280 Delikte, 2015 waren es 6919.
Größtenteils (jeweils 38 Prozent) handelt es sich um Beleidigungen sowie tätliche Angriffe und Körperverletzungen. Beamte im Wach- und Streifendienst waren am häufigsten betroffen, meist nachts und an Wochenenden sowie schwerpunktmäßig in größeren Städten. Vergangenes Jahr wurden dabei 2566 Beamte verletzt, es kam zu elf versuchten Tötungsdelikten; in 28 Fällen erfolgte die Aggression mit Schusswaffen, 116 mal mit Hieb- und Stichwaffen.
Ein Jahr Grenzkontrollen:Ein zurückgewiesener Migrant alle 24 Tage
Bayerns Grenzpolizei zählt im ersten Jahr 26 000 Treffer. Die illegale Zuwanderung, die Anlass für den Aufbau der Kontrollen war, spielt allerdings nur eine untergeordnete Rolle.
"Ein solches Ausmaß an Hass und Gewalt ist absolut inakzeptabel", sagte Herrmann. "Jeder Angriff gegen unsere Polizistinnen und Polizisten ist ein Angriff gegen unsere Gesellschaft und unsere demokratischen Grundwerte." Offenkundig habe zwar die große Mehrheit der Bevölkerung eine hohe Meinung von der Polizei; es zeige sich aber auch hier die "Verrohung in Teilen der Gesellschaft", wie man sie zum Beispiel aus sozialen Netzwerken wie Facebook kenne.
Wie bei anderen Gewaltdelikten spiele Alkohol- und Drogeneinfluss eine große Rolle. Während der Tat war dies bei zwei Drittel der Aggressoren der Fall. Zudem seien Attacken ein "typisches Männerphänomen", nur eine von zehn Taten beging eine Frau. 29 Prozent der Tatverdächtigen waren Ausländer. Dabei zeigt sich laut Herrmann "unübersehbar der steigende Anteil an Zuwanderern" - unter dieser Kategorie führt die Statistik grob gesagt anerkannte, ausreisepflichtige oder geduldete Flüchtlinge und Asylbewerber im Verfahren. Diese Personen waren in 12,3 Prozent aller Fälle tatverdächtig. Gleichwohl stieg auch die Zahl deutscher Tatverdächtiger.
Eine oberbayerische Polizistin schilderte bei der Präsentation im Innenministerium, wie überraschend und schnell sich Situationen zuspitzen können. Ein Einsatzwagen war in eine Gemeinde zwischen Rosenheim und Wasserburg gerufen worden, wegen eines familiären Konflikts. In der Dämmerung trat ein Mann den zwei Beamten gegenüber. "Ich stech' euch alle ab, ihr Schweine" soll er gerufen haben und mit einem Küchenmesser auf den Kollegen zugelaufen sein. Mittels Pfefferspray konnte er überwältigt werden, später folgte eine Anklage unter anderem wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte. Das Delikt ist relativ neu im Strafgesetzbuch. Auf die Gesamtzahl der Vorfälle hat die Novelle von 2017 keine Auswirkung, lediglich auf die Aufschlüsselung.
Generell sollen Straftaten gegen Polizisten möglicht schnell geahndet werden - wohl auch, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen. Die "priorisierte Fallbehandlung" durch Ermittler und Staatsanwaltschaften will man dazu ausweiten. Laut Herrmann müssen Beamte zudem bestmöglich geschützt werden, hier habe man investiert. So wird Bayerns Polizei bis Herbst mit 1400 Body-Cams ausgestattet. Diese Mini-Kameras am Körper hätten "spürbar deeskalierende Wirkung" und seien zur Beweisaufnahme hilfreich. Inspektionen sollen die Kameras flächendeckend erhalten, am Ort werde entschieden, für welche Einsätze sie sinnvoll sind.
Herrmann verwies auch auf Übergriffen, mit denen Feuerwehrleute und andere Rettungskräfte konfrontiert sind. Das Thema war in jüngster Zeit medial präsent, es gab etwa Kampagnen. Während Angriffe auf Polizisten von Amts wegen erfasst werden, fehlt jedoch bei anderen Einsatzkräften eine statistische Basis. Erfasst wird nur, was bei der Polizei oder in unverbindlichen Meldesystemen angezeigt wird. Auszugehen ist von einer enormen Dunkelziffer. Hier spielt auch die individuelle Wahrnehmung eine Rolle: Während der eine Feuerwehrmann Widerworte oder sogar ein Handgemenge gut verkraftet und nichts unternimmt, fühlt sich ein Kollege womöglich stark davon betroffen.