Corona in Bayern:Mehr als 1700 Polizisten seit Pandemiebeginn infiziert

Lesezeit: 3 min

Mindestabstand kaum einzuhalten: Polizeibeamte sind etwa bei Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen immer wieder der Gefahr ausgesetzt, sich mit dem Virus zu infizieren. (Foto: imago images/ZUMA Wire)

Einige Beamte wollten die Corona-Infektion als Dienstunfall anerkennen lassen - vergebens. Derweil hat auch der Impfstopp mit Astra Zeneca für Jüngere Auswirkungen auf die Polizei.

Von Johann Osel

Seit Beginn der Pandemie haben sich 1767 Beamtinnen und Beamten der bayerischen Polizei mit dem Coronavirus infiziert; der Großteil davon gilt als genesen (Stichtag Ende vergangener Woche). Bislang wurden in dem Zusammenhang 64 Anträge auf Anerkennung als Dienstunfall gestellt - kein einziger wurde positiv beschieden. Das teilten das Innenministerium als Dienstherr und das Landesamt für Finanzen als zuständige Behörde für die Beamtenversorgung auf Anfragen der SZ mit. Zuvor war die Antwort der Staatsregierung auf eine Landtagsanfrage des SPD-Innenpolitikers Stefan Schuster veröffentlicht worden, die einen früheren Stichtag hatte. Ende November wurden 864 positive Tests gezählt - das zeigt, dass gerade im Advent und im ersten Quartal eine Verdoppelung stattfand. Ein klarer Schwerpunkt von Fällen: die Bereitschaftspolizei.

Polizeiarbeit und Infektionsgefahr, das Thema gibt seit Monaten Anlass für Debatten, und es ist aktuell wohl noch relevanter - weil viele Bürger mit der Dauer der Corona-Maßnahmen zunehmend uneinsichtiger oder mitunter aggressiv gegenüber der Polizei auftreten und somit das Ansteckungsrisiko steigt. Gerade am Osterwochenende werden sowohl zahlreiche Demonstrationen in bayerischen Städten erwartet als auch Konflikte bei Kontrollen im Freizeitbereich. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) in Bayern rät positiv getesteten Mitgliedern dazu, etwa nach Kollegenkontakt mit nachweislich Infizierten oder kritischen Situationen im Einsatz einen Antrag auf Dienstunfall zu erwägen.

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Es gehe nicht um die akute Versorgung, erklärt DPolG-Landesvorsitzender Jürgen Köhnlein, sondern um die Zukunft: "Gerade bei schweren Verläufen ist es enorm wichtig, ob die Erkrankung im Dienst als Dienstunfall anerkannt wird." Man kenne die Spätfolgen nicht, Long-Covid sei ein Thema, womöglich gebe es "Flashbacks" in späteren Jahren; wenn dann ein Beamter ausfalle oder sogar die Frühpensionierung anstünde, "dann geht es eben um eine adäquate Versorgung". Dazu müsse der Dienstunfall auch als solcher dokumentiert sein. Dass bisher zum Beispiel Infektionen nach Lehrgängen nicht anerkannt wurden, kann Köhnlein "nicht verstehen". Zumal es in Berlin mittlerweile einige positive Bescheide gebe - "nicht alle sind so zurückhaltend wie der Freistaat". Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP), die wie die DPolG Mitglieder bei Widersprüchen und Klagen unterstützt, hatte stets betont: "Das ist eine Fürsorgepflicht, der der Freistaat Bayern aktuell nicht nachkommt."

Schon im Herbst war Innenminister Joachim Herrmann (CSU) seinen mehr als 40 000 Polizistinnen und Polizisten zur Seite gesprungen, im Februar zitierte ihn der Bayerische Rundfunk: "Ich kann die Haltung des Landesamtes für Finanzen an diesem Punkt nicht verstehen." In der Antwort an die SPD ist davon nichts zu vernehmen: Man teile die Rechtsauffassung des Finanzministeriums, zu dem das Landesamt gehört. Dessen Sprecherin betont auf Anfrage, potenzielle Dienstunfälle werden gemäß Beamtenversorgungsgesetz "hochgenau und intensiv geprüft" - auf "die anspruchsbegründenden Tatsachen, einschließlich der Kausalzusammenhänge".

Bei den 64 Anträgen lag in 20 Fällen keine nachgewiesene Infektion vor oder keine Erkrankung mit Symptomen. In den restlichen Fällen "lagen die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vor". Zum Teil befänden sich Anträge noch in Bearbeitung. So müsse der Infektionszeitpunkt eindeutig bestimmbar sein und "ein besonderer Ursachenzusammenhang zwischen der Infektion, der dienstlichen Tätigkeit und der Erkrankung bestehen". Eine Infektion stelle "aufgrund der aktuellen Pandemiesituation eine Allgemeingefahr für jedermann dar". Sie gehöre auch dann "zum allgemeinen Lebensrisiko", wenn die Infektion während des Dienstes erfolge - so etwa bei der Teilnahme an einer Besprechung mit infizierten Kollegen. Anders sei der Fall, wenn es im Dienst ein Infektionsereignis über das allgemeine Risiko hinaus gebe: wie das vorsätzliche Anspucken eines Polizisten durch einen nachweislich Infizierten.

SPD-Abgeordneter Schuster sagt: "Wir haben seit über einem Jahr eine außergewöhnliche Pandemie, die unseren Polizistinnen und Polizisten alles abverlangt." Die bürokratischen Maßstäbe würden diesem Einsatz "nicht ansatzweise gerecht". Er erwartet von der Regierung "mehr als warme Worte". Während man bei Masken-Käufen den staatlichen Geldbeutel weit aufgemacht habe, solle bei den Polizisten "anscheinend jeder Cent gespart werden".

Derweil hat auch der Impfstopp mit Astra Zeneca für Jüngere Auswirkungen auf die Polizei. Für die priorisierten Einsatzkräfte wurden an den Präsidien Impfstraßen aufgebaut, vielerorts ist man so weit, dass alle Impfwilligen Mitte April versorgt wären. Jetzt gebe es Verunsicherung unter Kollegen, berichtet Köhnlein, auch wegen der zweiten Spritzung. Alle Impftermine wurden abgesagt, außer für über 60-Jährige (meist Vertragsbedienstete). Köhnlein selbst hätte am Mittwoch am Präsidium in Bayreuth seine erste Impfung gehabt.

© SZ vom 01.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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