Trotz der jüngsten Delle in Umfragen im Bund wie auf Landesebene halten die bayerischen Grünen am Ziel Kanzleramt fest - und wollen durch intensiven Wahlkampf in der Fläche ihren Beitrag dazu leisten. "Es ist nichts entschieden, alles ist drin", sagte Spitzenkandidatin Claudia Roth am Montag beim Auftakt ihrer Wahltour an der Münchner Parteizentrale. Man werde über die "inhaltliche Kontroverse wieder in die Offensive kommen", ohnehin seien Umfragen nun mal Umfragen und keine Ergebnisse, sagte sie.
Es gelte jetzt vor allem, die Positionen der Grünen und ihrer Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock deutlich herauszustellen und die Unterschiede zu den Konkurrenten von Union und SPD wahrnehmbar zu machen. Armin Laschet und Olaf Scholz repräsentierten diese Bundesregierung - deren "Versagen beim Klimaschutz" sowie "Totalversagen" im Fall Afghanistan. Die CSU wiederum habe bei letzterem Thema durch Abschiebungen in das Land lange eine erst recht "unsägliche Rolle" eingenommen, so Roth. Scholz habe sich zuletzt durch Aussagen zum Kohleausstieg als "eineiiger Zwilling von Herrn Laschet" entpuppt.
Mit einem Elektro-Kleinbus wird die Vize-Präsidentin des Bundestags in den kommenden Wochen nun bayernweit Termine absolvieren, darunter klassischer Wahlkampf und Podien, aber etwa auch Besuche von sozialen Einrichtungen. Roth und Anton Hofreiter waren im April als Spitzenduo auf Platz eins und zwei der Landesliste der Grünen gewählt worden.
Die jüngste Wahlumfrage, vom Institut Civey für die Augsburger Allgemeine, hatte vor allem durch Verluste der CSU (34,5 Prozent) Aufsehen erregt - die Grünen in Bayern liegen mit 18,4 Prozent aber auch deutlich hinter Resultaten bei früheren Umfragen. So standen sie noch im Frühjahr stets im Zwanzigerbereich, mitunter waren es bis zu 26 Prozent
. Auch in bundesweiten Umfragen haben die Grünen Zustimmung eingebüßt und lagen zuletzt wieder hinter der SPD. In Bayern, wo die Sozialdemokraten nur ganz knapp zweistellig sind, ist das anders. Roth sprach von einem "schwarz-grünen Battle" im Freistaat, auch die "Premium-Opposition" im bayerischen Landtag mache sich hier bemerkbar; im Maximilianeum sind die Grünen seit 2018 mit Abstand die Oppositionsführerin.
Die Parteispitze habe Fehler gemacht, stellt Roth fest
Den Grund für das Abfallen in der Wählergunst erkennt die Partei offensichtlich in den Debatten um ihre Kanzlerkandidatin, konkret die Plagiatsvorwürfe bei Baerbocks Buch und zahlreiche Unkorrektheiten in ihrem Lebenslauf. Zumindest kam Roth auf die Frage nach der Ursache für die Delle nur darauf zu sprechen. Es habe "Irritationen" gegeben, die "Fehler haben uns alle geärgert", allen voran Baerbock selbst. Roth verwies allerdings darauf, dass die jetzigen Umfragewerte bereits eine Verdopplung des Ergebnisses von 2017 wären.
Die grünen Landesvorsitzenden, Thomas von Sarnowski und Eva Lettenbauer, zeigten sich zum Start der Tour ebenfalls kämpferisch. "Wir stehen vor einer Richtungswahl", sagte Sarnowski, es gehe um ein Ende des "Stillstands" und einer Regierung, "die nicht fähig ist, richtige und wichtige Entscheidungen beim Klimaschutz zu fällen".
Seine Partei wolle mit dem kleinteiligen Wahlkampf in Dutzenden Orten den Menschen zuhören und darüber sprechen, "wie wir Veränderung in Gang setzen". Lettenbauer versprach Aufbruch nach "16 Jahren Weiter-so-Geplänkel". Im Wahlkampf baue man auch auf inzwischen fast 20 000 Mitglieder in Bayern.