Neue Corona-Strategie:Bayern macht sich ein bisschen locker

Lesezeit: 3 min

Künftig nicht mehr nur draußen trinken: Bars und Kneipen dürfen in Bayern unter Auflagen wieder öffnen. (Foto: dpa)

Die Staatsregierung entschärft einige Corona-Maßnahmen. Doch Ministerpräsident Söder betont mit einem Zitat aus Game of Thrones, dass die Gefahr noch nicht gebannt ist - derzeit vor allem durch Reiserückkehrer aus Risikogebieten.

Von Johann Osel und Christian Sebald, München

Die Staatsregierung hat am Dienstag ihre Anti-Corona-Strategie neu ausgerichtet und zahlreiche Lockerungen beschlossen. Zugleich warnte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vor einem erhöhten Infektionsgeschehen in den nächsten Wochen. "Winter is coming", sagte er. "Wir stehen vor einer Bewährungsprobe." Mit Blick auf die aktuell erhöhten Infektionszahlen erklärte Söder, das erhöhte Ansteckungsrisiko durch Ferienaufenthalte und Heimaturlaube sei ein Rückschlag im Kampf gegen Corona gewesen. "Wir hatten die Sorge vor dem Urlaub - die war berechtigt", sagte Söder. Ein größerer Anteil der positiv Getesteten seien Rückkehrer aus Heimaturlauben in Ländern wie Kroatien oder Albanien. Deshalb brauche es in der Anti-Corona-Strategie einen "kluge Balance" und "differenzierte Lösungen".

Aus der Sicht von vielen tausend Hobbysportlern, Kindern und Jugendlichen dürfte die wichtigste Lockerung die Wiederzulassung der Fußball-Amateurliga sein. "Ab 19. September kann sie wieder beginnen", sagte Söder. Innen- und Sportminister Joachim Herrmann (CSU) betonte, dass auch "Handballer, Basketballer und andere Mannschaftssportler wieder Wettkämpfe austragen dürfen". Sogar Zuschauer sind zugelassen. "200 indoor", sagte Hermann, "und bis zu 400 outdoor." Natürlich sind entsprechende Hygiene- und Infektionsschutzkonzepte Voraussetzung. Für Herrmann ist die Wiederaufnahme des Spielbetriebs ein "wichtiges Zeichen vor allem für die junge Generation". Schließlich ist Sport - und vor allem Fußball - aus seiner Sicht "eine der sinnvollsten Freizeitbeschäftigungen und Jugendarbeit".

Corona-Krise im Freistaat
:Bayern lockert weiter: Diese Corona-Regeln gelten künftig

Am 3. April entfallen fast alle Vorschriften. Nur noch in Nahverkehr, Kliniken und Heimen gibt es dann eine Maskenpflicht. Ungeimpfte dürfen wieder überall hin. Die neuen Vorschriften im Überblick.

Von Max Ferstl und Kassian Stroh

Eine sehnlichst erwartete Lockerung gibt es in der Gastronomie. Nach monatelanger Zwangspause dürfen ebenfalls ab 19. September Bars und Kneipen wieder öffnen. Diskotheken und Clubs bleiben aber weiter zu. "Sie könnten Infektionsbomben sein", sagte Söder. "Nur Alkohol, keine Speisen, unglaublich laute Musik, Singen, Schreien im Zweifelsfall, auf engstem Raum - große Vorsicht und Vernunft sind da sicher ganz schwer durchsetzbar."

Für Bars und Kneipen gelten die gleichen Regeln wie in Speisegaststätten und Restaurants. Für den Fall, dass in einer Stadt oder einem Landkreis die Inzidenzzahl von 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohnern binnen sieben Tagen überschritten wird, können die lokalen Gesundheitsbehörden außerdem ab 23 Uhr ein Alkoholverbot in der Gastronomie insgesamt aussprechen. Die Wirte reagierten erleichtert. "Die Entscheidung war überfällig, die Hygienekonzepte in der Gastronomie funktionieren", sagte Thomas Geppert vom Hotel- und Gaststättenverband Dehoga. Ein positiver Nebeneffekt könnte aus seiner Sicht sein, dass weniger Alkohol auf den Straßen getrunken wird: "Man kann denjenigen wieder Raum geben, die sich jetzt im Freien unkontrolliert versammeln."

Mit Blick auf die Corona-Demonstration am Samstag in München hat das Kabinett eine Maskenpflicht für öffentliche Versammlungen ab 200 Teilnehmern erlassen. "Die Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut", sagte Söder. "Aber wir wollen kein Chaos wie in Berlin." In der Bundeshauptstadt war es zuletzt am Rande mehrerer Kundgebungen gegen die Corona-Politik zu Auseinandersetzungen von Demonstranten und Polizei gekommen. Die Demonstranten nannte Söder ein "kaum erklärbares Sammelsurium". Wenn etwa die Reichskriegsflagge und die Regenbogenfahne auf ein- und derselben Veranstaltung wehten, sei das bemerkenswert. Er sehe die Gefahr einer Radikalisierung, sagte Söder. "Wir nehmen das sehr, sehr ernst und schauen uns das sehr genau an."

Rückkehrer aus Risikogebieten in Südosteuropa treiben die Zahlen nach oben

In Memmingen und Rosenheim hat sich laut Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit das Infektionsgeschehen abermals etwas zugespitzt. In Memmingen lag die Inzidenzzahl am Dienstag bei 70,72; am Montag hatte sie 68,44 betragen. In Rosenheim waren es 64,75 (52,11). Im Landshut sinkt der Wert bereits wieder. Dort betrug er am Dienstag 53,86 gegenüber 55,25 am Vortag. Auch in Memmingen haben die Behörden Anzeichen, dass der Wert nun wieder sinkt.

Dass das Reißen der Inzidenzzahl nur eine begrenzte Aussagekraft über das tatsächliche Infektionsgeschehen hat, zeigt sich an Memmingen. "Zum einen sind wir so klein, dass wir die Grenze schon bei relativ wenigen positiven Tests überschreiten", sagte eine Stadtsprecherin. In Zahlen: Memmingen hat knapp 44 000 Einwohner. Damit reichen schon 21 Neuinfektionen binnen Wochenfrist aus, um den Wert zu überschreiten.

Außerdem muss man sich die Betroffenen näher ansehen. In Memmingen handelt es sich bei den Infizierten ausschließlich um Reiserückkehrer aus Risikogebieten in Südosteuropa. Nach Angaben der Stadtsprecherin sind es sogar lauter Familien, die zu Besuch in ihrer vormaligen Heimat waren. "Da braucht es nur wenige positiv getestete Familien, um den Grenzwert zu überschreiten", sagt sie. "Außerdem ist das Geschehen sehr gut eingrenzbar." Das Beispiel Memmingen zeigt aber auch, dass die Testzentren für Reiserückkehrer sinnvoll sind. Alle Memminger Infizierten der vergangenen sieben Tage hätten sich in solchen Zentren untersuchen lassen.

© SZ vom 09.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Newsblog
:Die Entwicklungen der Corona-Krise in Bayern

Was beschließt die Staatsregierung, um die Pandemie zu bekämpfen, wo entstehen neue Hotspots, wie schlimm sind die Folgen? Die aktuellen Meldungen zu Corona in Bayern.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: