Behördenverlagerung aufs Land:"Ohne rosarote CSU-Brille sieht es viel trüber aus"

Stadtplatz und Katholische Stadtpfarrkirche Maria Himmelfahrt in Freyung Niederbayern Bayern Deut

Das niederbayerische Freyung soll nach langem Hin und Her nun doch ein Verwaltungsgericht bekommen. Die Behördenverlagerungen gelten als wichtiges Instrument der Strukturpolitik.

(Foto: Volker Preußer/imago)

Die Staatsregierung will mehr Behörden in strukturschwache Regionen verlagern - und damit Vorbild sein für die Wirtschaft. Der Heimatminister ist mit seiner Strategie voll zufrieden, doch er muss sich auch Kritik anhören.

Von Christian Sebald

Behördenverlagerungen in ländliche Regionen sind eines der wichtigsten strukturpolitischen Instrumente der Staatsregierung. Das wird bis mindestens 2030 so bleiben. "Die Erfolgsgeschichte der Behördenverlagerungen wird fortgeschrieben", sagte Finanz- und Heimatminister Albert Füracker (CSU), als er am Donnerstag in München die neue "Offensive Heimat Bayern 2025" vorstellte. "Bis 2030 werden wir 14 Projekte mit rund 2670 Arbeits- und 400 Studienplätzen umsetzen." Damit will der Freistaat Vorbild für die Wirtschaft sein. Internationale Unternehmen sollten sich überlegen, zweite Standorte und Dienstsitze in einer anderen Region einzurichten, sagte Füracker, "das ist quasi eine Aufforderung". Aus der Opposition kam scharfe Kritik. Der Chef der Akademie ländlicher Raum, Professor Manfred Miosga, mahnte, dass die bisherigen Bemühungen verstärkt werden müssten.

Ziel der Heimatstrategie sind gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen überall im Freistaat. Sie läuft seit 2014 und ist aus Fürackers Sicht voll aufgegangen. Zentrale Herausforderung der vergangenen sechs Jahre sei der demografische Wandel gewesen. "Und den hat der Freistaat mit Erfolg bewältigt." Füracker verwies darauf, dass die bayerische Bevölkerung von 2014 bis 2020 um 3,5 Prozent auf 13,1 Millionen Menschen gewachsen ist. Selbst in den strukturschwachen Regionen im Norden und Osten Bayerns sei der Rückgang deutlich moderater ausgefallen als vorhergesagt. Teilweise stiegen die Bevölkerungszahlen dort sogar wieder an. Zudem habe bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie bayernweit nahezu Vollbeschäftigung geherrscht, bei ständig zunehmenden Beschäftigtenzahlen.

Als Beispiel, dass die ländlichen Regionen in besonderem Maße von der Heimatstrategie profitierten, nannte Füracker den Breitband-Ausbau. Inzwischen verfügten 97 Prozent der Haushalte über schnelles Internet, die Versorgung damit sei nahezu flächendeckend. Die Digitalisierung wird Füracker zufolge aber nicht nur Corona-bedingt eine der großen Zukunftsaufgaben bleiben. "Mit unserer neuen Gigabitförderung führen wir den Breitbandausbau in eine neue Dimension und sind absoluter Vorreiter in Europa", sagt der Heimatminister. Außerdem werde der Freistaat seine Wlan-Offensive für öffentliche Plätze, Hochschulen, im öffentlichen Nahverkehr und rund um Behörden verstärken.

Zentraler Partner des Freistaats bei der Heimatoffensive bleiben die Kommunen. Füracker versprach, dass die Staatsregierung die Städte und Gemeinden in Bayern weiter nach Kräften unterstützen wird. Das gelte allem voran für den kommunalen Finanzausgleich, der mit 10,44 Milliarden Euro im kommenden Jahr ein neues Rekordniveau erreicht. Füracker geht es aber nicht nur um die Kommunalfinanzen. Er will außerdem das Engagement der Bürger für ihre Gemeinden stärken - indem er zum Beispiel Heimatwettbewerbe oder -preise auslobt. Auch die Pflege von Traditionen und Volksmusik zählt er dazu. Besonderes Augenmerk will Füracker auf die Grenzregion zu Tschechien legen, die dortigen Landkreise sind nach wie vor die schwächsten Regionen des Freistaats.

Die Behördenverlagerungen erstrecken sich freilich über den ganzen Freistaat. In Oberbayern werden Teile der Bezirksregierung von München nach Rosenheim und Ingolstadt ausgelagert. Teile des Bauministeriums ziehen nach Augsburg. Niederbayern wird mit einem Grundsteueramt in Zwiesel und Viechtach, dem lange umkämpften Verwaltungsgericht in Freyung und einer Außenstelle der Bayern Tourismus Marketing GmbH in Waldkirchen bedacht. Das Landesamt für Finanzen wechselt ins oberpfälzische Weiden. In Franken werden Teile der Hochschule für den öffentlichen Dienst (Kronach), ein neues Logistikzentrum der Polizei (Hof), weitere Teile des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (Bad Kissingen), eine Bearbeitungsstelle des Finanzamts München (Schweinfurt) und, wie bereits bekannt, einige Senate des Verwaltungsgerichtshofs und Teile der Landesanwaltschaft (Ansbach) etabliert.

Der Chef der Landtags-SPD, Florian von Brunn, ging mit Füracker scharf ins Gericht. "Der Minister produziert schöne Überschriften. Das hat er sich offensichtlich von Ministerpräsident Markus Söder abgeschaut", sagte Brunn. "Ohne rosarote CSU-Brille sieht es allerdings viel trüber aus. Auf dem Land fehlt es an öffentlichem Verkehr, die Digitalisierung der Schulen hinkt weit hinterher und das Lädensterben geht weiter." Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann warf dem Heimatminister "Landlust-Marketing" vor. "Statt Behörden-Arbeitsplätze wie Almosen zu verteilen, müssen wir Schulen und Krankenhäuser erhalten, die ärztliche Versorgung überall in Bayern sicherstellen und ein gutes öffentliches Verkehrsangebot schaffen", sagte Hartmann.

Akademie-Chef Miosga stimmte Füracker zu, dass die insgesamt sehr gute wirtschaftliche Entwicklung Bayerns auch den ländlichen Regionen zugute komme. Die Behördenverlagerungen nannte Miosga ein "wichtiges Signal an die Wirtschaft, nachzuziehen". Er gab allerdings zu bedenken, dass es trotz aller Bemühungen vielerorts auf dem Land nicht gelinge, junge Menschen zu halten. Außerdem profitierten die Ballungsräume deutlich stärker von den guten wirtschaftlichen Verhältnissen als die ländlichen Regionen. In den Grenzregionen zu Tschechien schrumpften nach wie vor viele Kommunen. Miosgas Fazit: "Es bleibt viel zu tun."

Zur SZ-Startseite
Coronavirus - Impfgipfel der bayerischen Staatsregierung

SZ PlusCSU
:Die Kunst des Verlierens

Markus Söder war verdammt nah dran, Kanzlerkandidat zu werden. Umso genauer schauen alle, wie er die Niederlage verkraftet. Und man muss sagen, besser als gedacht.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: